Hallo Bernhard,
Die hypothetische Standardausrüstung bestehe dabei aus einem f/4-Fotonewton mit einer Öffnung von 8 Zoll, ausreichend stabiler Nachführung und einem CCD-Chip mit einer Kantenlänge von 10 mm.
Was kann man mit dieser Ausrüstung nun im Idealfall so anstellen, bzw. erreichen?
Sonnenflecken (Baaderfolie), Mondkrater und Doppelsterne bis zu ner Grenzgröße von ca. 8 Mag. Wenn Du sehr sorgfältig einscheinerst, kannst mit dem Chip und 30 Sekunden Belichtungszeit grad noch den halben M57 draufkriegen. Etwas unterbelichtet. Wenn Du statt der CCD-Kamera ne DSLR in den Okularauszug steckst, hast ein 4x so großes Gesichtsfeld. Dann hast Sonne und Mond formatfüllend + ein bissy was drum rum. Oder das Trapez und ein bissy Nebel drum rum. Oder M57, M27 als kleine, aber erkennbare PN. Ne DSLR ist aber Pi mal Daumen 10 mal so unempfindlich wie Deine hypothetische CCD-Kamera. Bei ner gekühlten kann das sogar 50 x so unempfindlich sein.
Irgendwo in Deiner Rechnung könnte ein Fehler stecken. Üblicherweise sind CCD-Chips rechteckig. Man gibt die Diagonale an. Mit 800 mm Brennweite wird der Mond dann nicht mehr komplett abgebildet, falls die 10 mm die Diagonale sind.
Wenn Du ne Guidingkamera + Autoguidingfähige Nachführung hast (= St-4 Anschluß an der Steuerung), dann geht mit ner gekühlten CCD-Kamera auch Kugelsternhaufen, M57, M27, Teilbereiche von M31 und M33, die kleineren Galaxien im Löwen, M81, M82...
Wäre nett, wenn mir jemand von den praktizierenden Astrofotografen hier im Forum (Sissy, Frank?) ein paar weiterführende Tips, bzw. Links zu dieser grundlegenden Frage nennen könnte.
Kurz und knackig:
für verschieden große Objekte nimmt man bei gleicher Kamera mehrere Teleskope mit unterschiedlicher Brennweite oder 1 Teleskop und verschieden große Kamerachips. Oder man macht Mosaike.
Und jetzt etwas ausführlicher:
Planeten fotografiert man üblicherweise mit einer ungekühlten Kamera (Webcam, DMK 21AF04.AS) mit sehr kleinem Chip (640x480 Pixel), und macht 1000 Bilder in max. 3 Minuten. Das ganze bei einer Brennweite von mindestens 6 Metern, damit man dann von den Winzlingen (Jupiter hat weniger als 1 Bogenminute Durchmesser) auch Oberflächendetails zu sehen bekommt.
Damit kenne ich mich am besten aus, denn das mache ich quasie täglich. Mit meinem f=5 Newton, der 8" Öffnung hat. Vom Balkon in Ludwigsburg aus. Damit ich auf die Brennweite von 6 oder mehr Meter komme, nutze ich Okularprojektion. Ich könnte auch eine Barlow-Linse nehmen. Die war mir aber zu teuer.
Den
Mond kann man mit der selben Methode hochauflösend fotografieren. Dann hat man aber nicht mehr den ganzen Mond, sonden nur noch einzelne Krater davon auf dem Chip. Will ich den ganzen Mond in dieser hohen Auflösung, dann nehme ich eine Kamera mit größerem Chip (DMK 31AF03.AS, 1024x756 Pixel) und mache damit mehrere dutzend Bilder, (dauert etwa 2 Stunden und die Platte ist mit 150 GB Rohdaten voll), die ich über mehrere Tage berechnen muß und dann zu nem Mosaik aus allen Bildern zusammensetze. Ist tierisch Arbeit. Mach ich nicht oft.
Will ich den Mond "bequehm, einfach und formatfüllend" auf dem Chip, dann nehme ich meinen 8" Newton bei Originalbrennweite und stecke statt des Planetengeraffels meine EOS 450D (4.272x2848 Pixel) in den Okularauszug. Damit ich den Mond dann komplett am Bildschirm betrachten kann, muß ich das Originalbild auf 25% verkleinern. Oder Das Originalbild dauernd hin und her scrollen...
Objekte mit einem Durchmesser, der deutlich größer als der Mond ist, werden dann mit kürzeren Brennweiten fotografiert. Die
Andromedagalaxie z.B. kommt mit einem
200 mm Teleobjektiv bei einer DSLR prima aufs Bild. Hast ne gekühlte CCD-Kamera mit größerem Chip als ne DSLR, kannst auch ein langbrennweitigeres Teleskop nehmen. Z.B. nen schnuckeligen Refraktor mit 400 oder 500 mm Brennweite. Oder Du machst ein Mosaik. Oder Du nimmst nen Refraktor mit 900 mm Brennweite und steckst nen Reducer (Shapleylinse) dazwischen...
In jedem vernünftigen Planetariumsprogramm gibt es ein Featcher, mit dem Du an Hand von der Chipabmessung in mm und der Brennweite vom Teleskop das
Kameragesichtsfeld simulieren kannst. Damit kannst dann austüfteln, welchen Reduzierfaktor Du bei gegebener Teleskopbrennweite und Kamera brauchst, damit das Objekt der Begierde komplett auf dem Chip ist.
Üblicherweise hat ein Astrofotograf nen ganzen Fuhrpark an Teleskopen, Teleobjektiven und Kameras.
Ich hab mittlerweile von 500 mm Fraunhofer Refraktor (Cometcatcher) über nen 150/750 Netwon, ne 100/1000 "Russentonne" und meinem 200/1000 Newton über rund 15 Jahre auch schon 4 Teleskope und 5 Fotoobjektive (Weitwinkel, Normalobjektiv, 200 mm, 300 mm, 500 mm) angesammelt.
Die Russentonne als kompaktes, flugtaugliches Reiseteleskop für Sonnenfinsternisse, den großen Newton als Planetengerät und den kleinen Newton für Deepsky.
Bei den Kameras das selbe. Angefangen vor 10 Jahren mit der Webcam, dann die EOS (inzwischen von der 300D auf die 400D und dann die 450D gewechselt) , dann die kleine Planetenkamera (21er DMK) und etwas später noch die 31er DMK. Ne gekühlte CCD-Kamera hab ich (noch?) nicht. Wird aber vermutlich über kurz oder lang auch noch dazukommen.
Denn letztes Jahr hab ich Autoguiding realisiert, jetzt kann ich auch mehrere Minuten am Stück belichten, ohne daß mir die Sterne wegen Nachführungenauigkeit und falscher Polausrichtung zu Strichen mutieren.
Neben Brennweite und Chipgröße spielt die Helligkeit in der Astrofotografie eine große Rolle.
Sonne, Mond und Planeten stellen keine große Anforderung an die Montierung. Da liegen die Belichtungszeiten unter 1/25 Sekunde. Da ist die exakte Ausrichtung auf den Pol wurscht. Da kannst mit dem Handbedienteil korrigieren, wenn der Planet langsam rausläuft, ohne daß die einzelnen Aufnahmen dabei unscharf werden. Bei so kurzen Belichtungszeiten sind weder Darks noch Flats ein Thema.
Bei (hellen) Deepsky Objekten wie Kugelsternhaufen oder Orionnebel mußt
minimum 30 Sekunden pro Einzelbild belichten. Da darf nix wandern. Sonst hast Eier statt punktförmigen Sternen... Gut durchbelichtet sind die Fotos von
lichtschwächeren Objekten dagegen erst im 2 stelligen Minutenbereich. Dann hast auch schwächere Sterne und/oder Nebelgebiete drauf. Und bei so langen Belichtungszeiten rauschen die Kameras, haben Verstärkerglühen und Fehlerpixel. Da muß dann
zwingend auch Darks und Flats gemacht werden. Etliche Astrofotos werden über mehrere Nächte hinweg belichtet. Also es werden 10 oder mehr Aufnahmen mit jeweils ein paar Stunden Belichtungszeit gemacht und im Rechner weiterverarbeitet.
Egal, ob Du Planeten oder Deepsky fotografierst, mit der einen Aufnahme ist es nicht gemacht. So, wie ein Bild nach der Belichtung aus der Kamera fällt, ist es nicht "schön". Jetzt beginnt die "Kunst" der Bildbearbeitung. Fehlerpixel entfernen, Rauschen reduzieren, Verstärkerglühen entfernen, Mitteln von vielen Aufnahmen, schärfen, Kontrastanhebung, Einmischen von H-Alpha Bildern als Luminanz, Nebelgebiete oder Galaxienzentren für sich bearbeiten, ...
Das dauert pi mal Daumen 10 x so lange wie die reine Belichtung der einzelnen Fotos... Und erst dann hast ein ansprechendes Astrofoto...
Da laufend neue Kameras auf dem Markt auftauchen und auch neue Programme zur Bildbearbeitung, sind Bücher oder Tutorials zu dem Thema nach wenigen Jahren, teilweise schon nach wenigen Monaten hoffnungslos veraltet. Da muß man konsequent am Ball bleiben und die Verfeinerung der eigenen Künste geschiet per Try & Error sowie über Tipps in diversen Foren/Mailinglisten, auf Workshops und Tagungen.
Wenn Du das Pech hast, in einer Region mit Lichtverschmutzung zu leben, dann sind Galaxien z. B. nicht gut zu fotografieren. Denn die saufen in der Lichtverschmutzung ab. Da hilft kein Filter. Das Licht einer Galaxie setzt sich ja aus dem Licht von Sternen und Nebeln zusammen. Hat also ein kontinuierliches Spektrum. Stadtfotografen fotografieren daher entweder Sonne, Mond und Planeten (bei den kurzen Belichtungszeiten spielt die Lichtverschmutzung keine Rolle) oder Kugelsternhaufen, Emissionsnebel, Planetarische Nebel. Da kann man mit Filtern die Lichtverschmutzung halbwegs ausblenden, weil die nur in ganz bestimmten Wellenlängen strahlen.
Für Galaxien muß man zwingend in dunkle Regionen fahren. Ein 6 mag Himmel ist da Minimumvoraussetzung...
Neben all diesen Stolperstellen muß man auch noch die Tragkraft der Montierung beachten. Die Angaben auf den Seiten der Händler beziehen sich immer auf visuelles Beobachten. Für die Fotografie von Deepskyobjekten muß man zwingend mindestens 1/3 abziehen. Daher mache ich Deepsky-Fotos nur mit meinem 6" Newton. Oder Huckepack mit DSLR und Teleobjektiven. Der 8"er ist für meine Sphinx schon visuell bzw. bei Planeten hart an der Grenze der Tragfähigkeit. Fotografisch müßte der mindestens auf ne optimierte EQ-6. Die kann ich aber alleine nicht aufbauen...
Astrofotografie ist ein Groschengrab. Je nach Anspruch kommst da schnell mal auf 5, 10 oder noch mehr tausende Euro, die Du für diverse Anschaffungen (Stativ/Säule, Montierung, Teleskop, Flatner, Reducer, Komakorrektor, Autofokus, Steuerung, Autoguiding, Kameras, Filterräder, Filter, Software) ausgibst...
Der Einstieg (Foto huckepack mit Fotoobjektiv) auf vorhandenem Teleskop und Guiding durch ein vorhandenes Teleskop per Webcam dagegen koscht fast nix.
Grüße
Sissy