Hallo Nathan,
... den extraterrestrischen Ursprung der L-Aminosäuren überflüssig macht, ...
Das eine muss ja das andere nicht ausschließen. Da während der Erdentstehung das auftreffende Material recht zuverlässig zerstört wird, da Lavaschmelzen die Existenz von Wasserflächen nicht zulassen - und damit die Anreicherung von Aminosäuren, gleich welcher stereochemischen Variante, bietet der Zustrom aus meteoritischem und/oder kometarem Material eine willkommene Bereicherung der nach der Abkühlung entstandenen Meere. Da dieses zusätzlich einströmende Material genauso "linkslastig" ist wie das, das schon vorhanden ist, und der Prozess des "Linkslastig-Werdens" auf der Urerde weiterlief, beschleunigt sich der Trend zur Dominanz von L-Aminosäuren. Wir haben es hier mit einer Art Synergie-Effekt zu tun.
@ Orbit:
Steht das so in Lehrbüchern oder ist das Deine eigene Idee?
Teils teils. Die Puzzle-Steine sind schon seit einiger Zeit im Mainstream in der Diskussion. Tonteilchen wurden von Graham Cairns-Smith in die Diskussion eingebracht; Mineralienoberflächen u.a. von Waechtershäuser (Pyrit als Matrize für Eisen-Schwefel-Proteine; Apatit als Matrize für den ATP-Stoffwechsel durch Bereitstellung von frei verfügbarem Phosphat als Energiequelle). Ganz "heiß" ist zur Zeit die Debatte, ob erste Lebewesen im Umfeld von vulkanischen Quellen ("Black Smoker") oder eher auf Eisoberflächen entstanden sind. Beide Überlegungen haben ihre Vorzüge und Nachteile. Eine heiße Umgebung garantiert eine hohe Stoffwechselrate, andererseits aber auch eine hohe Zerfallsrate, da die Moleküle durch die thermische Energie schneller dazu neigen, in kleinere Fragmente zu zerbrechen - schlecht für Komplexitätszuwachs. Problematisch erscheint auch die Verfügbarkeit von Refugien, in denen Komplexität "wachsen" kann (sogenannte Kompartimente), ohne dass durch zu viel Wasser die Makromoleküle durch Hydrolyse wieder zersetzt werden. Ein Ausweg könnte in der Porösität des Gesteinsmaterials gefunden werden - aber auch hier wieder der Knackpunkt: Wasser muss wenigstens zeitweise in die Kompartimente wieder eindringen, weil sonst der beginnende Stoffwechsel wieder zum Erliegen kommt. Außerdem muss der Zustrom verwertbarer Moleküle gewährleistet sein, und das geht nur über Wasser.
Bei Eisflächen besteht das umgekehrte Problem: Komplexität kann wachsen, weil die chemischen Reaktionen entsprechend träge ablaufen. Andererseits: Die Reaktionen sind so träge, dass es sehr lange dauern kann, bis ein passender Reaktionszyklus entsteht, der sich selbst stabilisiert. Kompartimente sind in der Eisstruktur zwar vorhanden, aber die damit verbundenen Probleme sind analog zu denen, die bei den "Black Smokers" bestehen - entweder auf Dauer zu viel oder zu wenig Wasser sowie Stoffaustausch. In der Konsequenz bedeutet das a) moderate Temperaturen (300 K +/- 10%) und b) eine Dynamik, die periodisch den Zustrom bzw. den Abfluss von Stoffwechselprodukten gewährleistet sowie den Stress durch drohende Hydrolyse vs. Austrocknung zeitweise abmildert, so dass sich die Protobionten in den Übergangsphasen "erholen" können und damit Raum für Entwicklung haben.
Aus diesen Puzzle-Steinen habe ich mir daher gedacht, dass die Existenz eines großen Mondes essenziell für die Entstehung von Lebewesen ist. Wattflächen bieten wegen ihres zeitweisen Trockenfallens und der feinkörnigen Struktur des Sandes, der zudem aus einer Vielzahl verschiedenster Mineralien besteht, günstige Voraussetzungen, die die Vorzüge der oben diskutierten Varianten in sich vereinen, ohne die Knackpunkte in Kauf nehmen zu müssen. Watt-Tümpel sind während des UV-Beschusses überschaubare Reaktionsräume, in denen Radikale entstehen und in den Sand versickern können, wo sie dann zu Makromolekülen heranwachsen. Die nächste Flut verteilt die neu entstandenen "Zutaten" längs der Küste, so dass zur nächsten Ebbe (also binnen lediglich 2 oder 3 Stunden!) ein effizienter Stoffaustausch stattgefunden hat, der auf kleinem Raum eine große Vielfalt verschiedenster Stoffklassen in den Watt-Tümpeln zur Verfügung stellt. Es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis etwas Passfähiges gefunden wird, das sich wechselseitig selbst stabilisiert.
So weit mein ureigenster Beitrag zur Debatte um die Entstehung von Lebewesen. Für eine Veröffentlichung in irgendeinem Fachblatt reicht das nicht, da ich keine experimentellen Daten liefern kann. Aber ich kann mich ja hier mit diesen Ideen entfalten. Was ich tue, ist nichts anderes, als aus den vorhandenen Puzzle-Teilen ein in sich stimmiges Gesamtbild zu entwerfen, welches mir plausibel erscheint und das mit den wissenschaftlichen Resultaten kompatibel ist. Natürlich kann ich auch falsch liegen, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich hier näher an der Wahrheit dran bin als bei den "Doppelpaaren"
Viele Grüße!