Anzahl der Galaxien und DM

steto123

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Auch auf die Gefahr mich wieder unbeliebt zu machen, aber es ist eine ernst gemeinte Frage. Ist die dunkle Materie nicht deshalb eingeführt worden um die beschleunigte Expansion und andere Phänomene zu erklären, weil man im sichtbaren Universum nicht genug Materie gefunden hat? Nun gab es Meldungen, das es eventuell 10 mal mehr Galaxien gibt, als bisher angenommen (z.B. http://www.faz.net/aktuell/wissen/w...m-hat-zehnmal-so-viele-galaxien-14480158.html). Dann müsste doch aber auch mehr Materie im Universum vorhanden sein als bisher angenommen? Dann kommen ev. noch eine Unmenge primordialar schwarzer Löcher hinzu. Wie relevant ist da eigentlich noch der ursprüngliche Bedarf an dunkler Materie?
 

Dgoe

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Hallo steto123,

Welcome! :)

Die 10 mal mehr Galaxien sind nur alle genau dort, wo wir sie nicht sehen können, JWD. Das theoretisch beobachtbare Universum ist 'größer', als das derzeit praktisch optisch Beobachtbare mit unseren Instrumenten. Die neue Schätzung hat die letzte Hochzählung aber auch nur um eine einzige Größenordnung korrigiert.
Für DM kein Ersatz jedenfalls, egal wieviele Galaxien man zählt. Die primordialen SL hingegen werden wieder diskutiert, Alex hatte das Thema vor kurzem erstellt.

Gruß,
Dgoe
 
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mac

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Hallo steto123,

diese (unglückliche) Formulierung ‚10 mal mehr Galaxien‘ führt erwartungsgemäß zu solchen Missverständnissen.

Wenn man die etwas sorgfältiger recherchierten Artikel liest, sieht man aber, daß es sich dabei um zwar erwartete, aber bis dato nicht sichtbar gemachte Zwerggalaxien handelt, die sich erst im Laufe der Jahrmilliarden zu einem erheblichen Anteil in den ‚heute‘ sichtbaren großen Galaxien vereinigt haben.

Die Beobachtungen, daß die Pekuliargeschwindigkeiten der Galaxien in den beobachtbaren ‚näheren‘ Galaxienhaufen zu hoch sind, bezogen auf die sichtbare (leuchtende) Materie ist schon recht alt, später kam hinzu die Beobachtung daß die Rotationsgeschwindigkeit aller beobachteten Galaxien ebenso wenig zu ihrer sichtbaren Masse paßt.

Daran hat sich durch diese Meldung nichts geändert.

Hier wurden Zwerggalaxien in sehr großer Entfernung (viele Milliarden Lichtjahre) mit moderneren Beobachtungsmöglich (endlich) sichtbar gemacht, die man dort durchaus schon hätte vermuten können, nur weil sie eben so schwierig zu beobachten sind, wußte man nicht, wo war zu der damaligen Zeit die Materie? Gas? Kleine Galaxien? Große Galaxien?.

Viele milliarden Lichtjahre entfernt, bedeutet ja auch immer, daß wir Licht sehen, welches diese vielen milliarden Jahre unterwegs war zu uns und uns folglich den damaligen Zustand zeigt.

Die durchschnittliche Materie pro Kubiklichtjahr können wir selbstverständlich in unserer ‚näheren‘ Umgebung (einige hundert millionen Lichtjahre) besser beobachten, als in einigen milliarden Lichtjahren Entfernung.

Darüber hinaus gibt es ja auch noch eine weitere Informationsquelle über die vorhandene Materie: Die Temperatur und Intensität der Hintergrundstrahlung. Also Information aus einer Zeit, in der die gesamte Materie des Universums nur als ziemlich gleichmäßig verteiltes Gas existierte. Und es gibt noch ein Indiz für den Anteil der existierenden ‚normalen‘ Materie, daß ist die Zusammensetzung des sogenannten primordialen Gases.

Siehe dazu:
http://www.einstein-online.info/vertiefung/BBN
http://background.uchicago.edu/~whu/beginners/introduction.html

Eine höhere Materiedichte würde man in dem Temperaturmuster der Hintergrundstrahlung sehen können.

Herzliche Grüße

MAC
 

Ich

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diese (unglückliche) Formulierung
Ich finde diese und ähnliche Formulierungen schon lange nicht mehr "unglücklich", wie du es höflich formulierst. Das hat System. Und schuld sind m. E. nicht einmal die populärwissenschaftlichen Journalisten, sondern die Forscher selbst bzw. deren Presse-/Marketingabteilungen. Es geht um Fördermittel, und da wird die eigene Arbeit immer so wichtig und bahnbrechend wie möglich dargestellt, die Ergebnisse so positiv wie möglich. Das geht manchmal nachgerade ins Absurde, und es ist nervig, diese Übertreibungen immer aus den Mitteilungen rausfiltern zu müssen. Gute wissenschaftliche Arbeit sollte das nicht nötig haben.

Ein Beispiel ist hier diese "Große Überraschung am Sternenhimmel: Die Zahl der Galaxien im beobachtbaren Universum ist mindestens um einen Faktor Zehn größer, als man bislang dachte." Man hat bisher die lokale Galaxiendichte genommen und auf die Größe des "beobachtbaren Universum" extrapoliert. Wobei letzteres üblicherweise eine Kugel mit (mitbewegtem) Radius ~46 Mrd LJ meint - den Bereich des heutigen Universums, aus dessen Vergangenheit uns Informationen erreichten. Und daran hat sich nichts geändert.
Es ist auch bekannt, dass die heutigen großen Galaxien durch Verschmelzung kleinerer Galaxien entstanden sind, im frühen Universum also kleinere und entsprechend mehr Galaxien vorhanden waren. Wie klein genau war oder ist noch Gegenstand von Spekulation, aber ein Faktor von zehn ist auf keinen Fall eine besonders hohe Schätzung.
Was in Summe bedeutet, dass niemand auch nur im Ansatz überrascht ist (außer ein paar Kreationisten, die solche Fakten aber schon immer ausblenden konnten) und auch keine Zahl größer ist als bisher angenommen. Man hat nur das "beobachtbare Universum" uminterpretiert und meint damit (unüblicherweise) das Universum zum Zeitpunk der Lichtaussendung. Was immer der Inhalt dieser Arbeit war, mit solchen dreisten Behauptungen hat er nichts zu tun.
Nächstes Beispiel im selben Artikel: diese bahnbrechende Erkenntnis könne möglicherweise Olbers' Paradoxon aufklären helfen. WTF? Als nächstes lösen sie das Zwillingsparadoxon, oder was?
Nächstes Beispiel im Nachbarthread: Man verkackt die Software, weshalb eine sündteure Sonde abstürzt, mit fettem Krater und allem. Alle sind glücklich, die Mission ein "96%-iger" Erfolg, höchstens die Landung ein bisschen unsanft. Das ist nur das letzte Kapitel einer erstaunlichen Entwicklung hin zu ungemein erfolgreichen, alle positiv überraschenden Weltraummissionen. Wobei offenbar alles mitgezählt wird, wo die Rakete erst nach dem Start explodiert ist und nicht schon davor.
Oder ein Klassiker von vor ein paar Jahren: dieses Wundermaterial Spinnenseide, siebenmal fester als Stahl und auch noch siebenmal so leicht.

Ich würde es gern sehen, wenn sich in diesem Wettbewerb auch mal wieder etwas Seriositat durchsetzen könnte.
 

worlov

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Es geht um Fördermittel, und da wird die eigene Arbeit immer so wichtig und bahnbrechend wie möglich dargestellt, die Ergebnisse so positiv wie möglich. Das geht manchmal nachgerade ins Absurde, und es ist nervig, diese Übertreibungen immer aus den Mitteilungen rausfiltern zu müssen. Gute wissenschaftliche Arbeit sollte das nicht nötig haben.
[...]
Ich würde es gern sehen, wenn sich in diesem Wettbewerb auch mal wieder etwas Seriositat durchsetzen könnte.

Den Eindruck habe ich auch.

"„Es sprengt das Vorstellungsvermögen, dass mehr als 90 Prozent der Galaxien im Universum noch untersucht werden müssen“, betont Conselice in einer Mitteilung des „Hubble“-Zentrums in Garching bei München. „Wer weiß, was wir für interessante Eigenschaften entdecken werden, wenn wir diese Galaxien mit der nächsten Generation von Teleskopen beobachten.“"

Die Frage ist nun, ob man das wirklich braucht.
 

Dgoe

Gesperrt
Man verkackt die Software, weshalb eine sündteure Sonde abstürzt, mit fettem Krater und allem. Alle sind glücklich, die Mission ein "96%-iger" Erfolg, höchstens die Landung ein bisschen unsanft. Das ist nur das letzte Kapitel einer erstaunlichen Entwicklung hin zu ungemein erfolgreichen, alle positiv überraschenden Weltraummissionen. Wobei offenbar alles mitgezählt wird, wo die Rakete erst nach dem Start explodiert ist und nicht schon davor.
Endlich mal ein Wort dazu, ohne Schönrederei. Bow to you. Hatte dies schon aufgegeben hier, echt.
Schließe mich dem an.

Gruß,
Dgoe
 

steto123

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Vielen Dank für die Antworten.

Das heisst also, das sie eigentlich in den Betrachtungen schon immer da waren aber erst jetzt auf Grund von Fortschritten bei der Beobachtungstechnik "sichtbar" geworden sind?
 
Zuletzt bearbeitet:

Bernhard

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Man verkackt die Software, weshalb eine sündteure Sonde abstürzt, mit fettem Krater und allem. Alle sind glücklich, die Mission ein "96%-iger" Erfolg, höchstens die Landung ein bisschen unsanft.
Nach der Bruchlandung bei dem Beagle-Lander vor einigen Jahren frage ich mich auch, warum man genau dieses Szenario nochmal als Erfolg präsentiert.

-> Pfui Spinne.
 

UMa

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Hallo steto123,

die Anzahl der Galaxien hängt davon ab, ab welcher Masse man eine Galaxie als Galaxie betrachtet. Sehen kann man weit entfernte Galaxien z.B. mit dem Hubble Teslekop bis hinab zu einer Masse von etwa 10⁸ = 100 Millionen Sonnenmassen. Die größere Anzahl der Galaxien (in dieser Arbeit (1), die die Meldungen ausgelöst hat) bezieht sich auf Galaxien mit einer Masse von mehr als 10⁶ = 1 Millionen Sonnenmassen. Würde man als Untergrenze nur 10⁵ = 100000 Sonnenmassen nehmen, wäre die Anzahl noch 7 mal größer. Auf die Gesamtmasse habe diese vielen kleinen Galaxien aber nur einen geringen Einfluss. Diese Galaxien kann man aber (noch) nicht sehen, ihre Anzahl wurde extrapoliert.

Ein Grund für die hohe Anzahl an kleinen Galaxien ist, dass es früher viele kleine Galaxien gab zu mit der Zeit zu immer größeren Galaxien verschmolzen. Daher nimmt die Anzahl der kleinen Galaxien mit der Zeit immer mehr ab, während die großen Galaxien durch Verschmelzung mit kleineren immer weiter wachsen.
Je weiter wir in die Vergangenheit zurücksehen, um so mehr, aber kleinere Galaxien finden wir. Auf die Gesamtmasse der Galaxien hat das keinen nennenswerten Einfluss. Früher gab es viele kleine Galaxien, heute viel weniger kleine, da dafür ein paar große.

Grüße UMa

(1) Preprint von Christopher J. Conselice et.al.: The Evolution of Galaxy Number Density at z < 8 and its Implications
https://arxiv.org/abs/1607.03909
 
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