Hallo ZA RA,
Dergleichen mich Verwundert, wie vehement er Leben auf Mars negativiert.
Dazu mal ein kleinerer Grundsatzartikel:
Lebensvorgänge sind nicht vorstellbar ohne Membranen. In hydrothermalen Schloten können zwar biologisch relevante Moleküle und z.T. Stoffwechselprozesse entstehen, die eine Anreicherung dieser Moleküle bewirken, aber mit Membranen umhüllte Vesikel sind ein Privileg der Gezeitenzonen. Als Ersatz schlagen die Befürworter der „Black-Smoker“-Hypothese Bläschen in den Schlotwänden vor, an denen sich Membranen bildeten. Nach der Erosion der Schlotwände gelangten die darin entstandenen Protozellen ins Meerwasser und breiteten sich aus. Sehr aufschlussreich hierzu ist die Arbeit von Russel und Martin über die Entstehung einer Biochemie in hydrothermalen Schloten („On the origin of biochemistry at an alkaline hydrothermal vent“) von 2006. Überraschenderweise kommt die eigentliche Membranbildung darin sehr kurz weg. Die für die Ablösung nötigen Bedingungen werden zwar benannt, aber nicht im Detail ausgeführt:
„Escape from the vent was only possible when genetically encoded lipid synthesis and cell wall synthesis had been achieved …“
Meiner Ansicht nach ist hier ein entscheidender Schwachpunkt in der Hypothese gegeben, der dieselbe als Ganze in Frage stellt. Von anderer Seite gab es experimentelle Befunde, die für eine Entstehung von Liposomen an der Erdoberfläche sprechen und zugleich eine Möglichkeit eröffnen, wie Makromoleküle in das Innere der Liposomen gelangen können. Horst Rauchfuß führt dazu in seinem Buch „Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens“ folgendes aus:
„Deamer und Mitarbeiter entwickelten … die ‚Sandwich-Methode’. Sie ermöglichte es, auch große Moleküle in das Liposomen-Innere einzubringen … Dazu wurde die Mischung von Liposomen und Makromolekülen unter Stickstoff getrocknet. Dabei fusionieren beide Molekülsorten zu einem multilamellaren Film unter Ausbildung von Sandwich-Strukturen. Nach Rehydratation entstehen größere Liposomen, die Makromoleküle (Proteine oder RNA) eingeschlossen enthalten. Dieser Prozess ist unter Bedingungen vorstellbar, wie sie z.B. in heißen Regionen der Urerde herrschten sowie mit Unterstützung durch den Gezeiten-Rhythmus der Ozeane.“ (S. 321)
Dass Vesikel sich spontan unter Gezeiteneinfluss bilden (also wechselnd Wasserentzug und –zufuhr), konnte ebenfalls experimentell nachgewiesen werden. Damit lässt sich eine Brücke schlagen zur „Mehrtreffer-Hypothese“ Reinhard W. Kaplans. Diese besagt, dass die nötigen Stoffklassen für einen genetischen Apparat, der den Stoffwechsel stabilisiert sowie die Stoffklassen, die den Stoffwechsel bewerkstelligen, innerhalb einer Membran zusammenkommen müssen, um die erste Protozelle zu bilden. Mit Hilfe der „Sandwich-Methode“ steigt die Wahrscheinlichkeit des Mehrtreffer-Ereignisses, da die nötigen Makromoleküle über diesen Weg inkorporiert werden. Da dazu abwechselnd Wasserzufuhr und Austrocknung nötig sind, ist dieser Mechanismus am ehesten in den am höchsten gelegenen Wattbereichen gegeben, die nur kurzzeitig durch die Maximaltide vernässt werden und danach für längere Zeit wieder trocken fallen.
Die Arbeit von Richard Lathe (siehe dazu mein Link von vorgestern!) verweist auf den Umstand, dass Nukleinsäuren bei Vernässung infolge des abnehmenden Salzgehalts an der Oberfläche der Bodenpartikel in Einzelstränge zerfallen und während des Austrocknens sich bei steigendem Salzgehalt neu rekombinieren und längere Doppelstränge bilden. Die Folge ist eine Zunahme der Kettenlänge und damit eine Zunahme der Wahrscheinlichkeit, dass sich geeignete Genome bilden, die für den von Russel und Martin geforderten Prozess der „genetisch verschlüsselten Lipid-Synthese und Zellwand-Synthese“ geeignet sind.
Aus den genannten Gründen favorisiere ich die Entstehung erster Lebewesen in den Wattregionen, die vor etwa 4 Milliarden Jahren unter dem Einfluss des näher gelegenen Mondes noch breiter gewesen sind als heute. Da im Sonnensystem kein weiterer Planet über einen großen Mond verfügt und die Gasriesen keine feste Oberfläche aufweisen, ist die Erde meiner Ansicht nach der einzige Ort, wo Lebewesen entstanden sind. Nicht völlig auszuschließen ist jedoch, dass via Meteoriten Sporen besonders robuster Einzeller auf Mars und/oder Europa gelangt sind und sich dort verbreitet haben.
Doch selbst wenn sich erweisen sollte, dass untermeerisch in und an „Black Smokern“ Lebewesen entstehen können – diese gibt es ebenfalls nur auf der Erde. Sie entstehen entlang der Spreizungszonen der mittelozeanischen Rücken und sind somit an das Vorhandensein von Plattentektonik gebunden. Auf dem Mars gibt es dazu kein Äquivalent und auf Europa wird sich der untermeerische Vulkanismus – so er denn vorhanden ist – analog zur benachbarten Io gleichmäßig in Gestalt von punktuellen Hot Spots verteilen und keine Riftzonen bilden. So ist es auch aus diesem Grund äußerst unwahrscheinlich, dass außerhalb der Erde im Sonnensystem Lebewesen entstanden sind.
Viele Grüße!