@jonas: Auch wenn du einen Smiley nachgestellt hast: Ich bin nicht "radikal". Meine Position ist jene, die objektiv am besten mit den beobachteten Fakten im Einklang ist.
I. Beobachtungen
- Dass die Erde sich derzeit erwärmt, ist unbestritten.
- Dass das Ausmass der Erwärmung (sowohl räumlich als auch in der Temperaturanomalie), in Kombination mit der Geschwindigkeit des Anstiegs in historischer Zeit (dh, ~im Holozän) einmalig ist, ebenfalls.
- Dass die Erde im gegenwärtigen Eiszeitalter nie eine derart hohe CO2-Konzentration in der Atmosphäre hatte, stellt auch niemand mehr in Frage.
- Die menschlichen Emissionen machen Mengenmässig grob etwa 200% des beobachteten Anstiegs an CO2 in der Atmosphäre aus. Die Hälfte des CO2, das wir in die Atmosphäre einbringen, verschwindet also wieder im System, ohne zum Anstieg beizutragen (es ist heute weitgehend unverstanden, wohin dieses CO2 geht und wie lange sich diese geheimnisvolle "Senke" noch aufrecht erhalten lässt - wäre sie plötzlich "gesättigt", würde der CO2-Pegel bei gleichbleibenden Emissionen plötzlich doppelt so schnell ansteigen).
II. Anthropogene Ursache
- Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Erhöhung des CO2-Gehalts der Atmosphäre durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe durch den Menschen die Ursache für die beobachtete Erwärmung ist. Warum? 1) ist die Koinzidenz eines sehr schnellen Anstiegs sowohl der globalen Durchschnitts-Temperatur als auch des CO2-Gehalts offensichtlich und in historischer Zeit einmalig. Das allein muss aber noch nichts heissen, auch wenn der Schluss auf den ursächlichen Zusammenhang natürlich naheliegend ist. Aber 2) es gibt schlicht keine physikalisch möglichen anderen Quellen für die beobachtete Erwärmung. Um die gesamte Erde auch nur um 0.7° aufzuwärmen, braucht es gewaltige Energiemengen (die nur die Sonne liefern kann). Die Strahlungsleistung der Sonne hat aber nicht zugenommen (eher im Gegenteil, wie Messungen mit Satelliten zeigen) und die Erde allein kann diese Leistung nicht erbringen. Also bleibt nur der Schluss, dass sich etwas im Rückhaltungs/Abstrahlungsverhalten der Erd(atmosphär)e verändert hat. Grosse Albedo-Veränderungen (wie Oberfläche, Wolkenbedeckung) können wir für die letzten 50 Jahre, in denen der grösste Teil dieser Erwärmung stattgefunden hat (wiederum dank Satelliten) ausschliessen - bleibt also der Treibhausgas-Gehalt der Erdatmosphäre (bevor jetzt jemand mit den kosmischen Strahlen kommt: diskutiert wird da wenn schon ein abkühlender Effekt über die Wolkennukleation. Eine signifikante Veränderung der Wolkenbedeckung habe ich aber soeben mit dem Verweis auf Satellitendaten ausgeschlossen).
III. Zukunft
- Was nun die Zukunft angeht, müssen wir uns einerseits auf die jeweils besten Modelle verlassen. Interessant ist, dass der reale Meeresspiegel- und Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten immer
am oberen Ende der durch Modelle vorhergesagten Entwicklung stattgefunden hat. Das heisst, die Modelle waren in der Vergangenheit eher zu konservativ. Modelle können durchaus unsicher sein oder eine zu geringe Auflösung haben: man beobachtet aber auch, dass sich trotz immer komplexerer Modelle und immer höheren eingesetzten Rechenkapazitäten an der Grundaussage der Modelle nicht viel geändert hat. Schon vor 100 Jahren kam Savante Arrhenius mit einer vergleichsweise einfachen Abschätzung auf die gleiche Grössenordnung (~6°, heutige Modelle ca 3°) der Temperaturerhöhung bei Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre, wie heutige Modelle.
- Anderseits können wir die Erdgeschichte verwenden, um abzuschätzen, welche Auswirkungen unsere Aktionen haben. So kann man sich 1) vergegenwärtigen, dass der Unterschied zwischen dem vorindustriellen Wert von 280 ppm CO2 und dem Eiszeitwert von 180 ppm CO2 nur gerade 100 ppm entspricht - und dies erklärt, zusammen mit dem Eis-Albedo-Rückkoppelungs-Effekt, bereits gut den beobachteten Temperaturunterschied. Wir haben nun nochmals 100 ppm hinzugefügt, und in Zukunft wird dieser Wert nochmals um einige 100 ppm steigen. Es ist also (zumindest in "Nullter Annäherung") davon auszugehen, dass der anthropogene Temperatureffekt mindestens so gross ausfallen wird wie der Unterschied zwischen Eiszeit und Zwischeneiszeit ("Warmzeit", Holozän). 2) kann man sich Ereignisse wie das sogenannte
Paleocene-Eocene Thermal Maximum anschauen, bei dem in etwa gleich kurzer Zeit (~1000 Jahre) gleich viel CO2 der Atmosphäre hinzugefügt wurden (die Quellen sind nicht ganz klar: Methan, Vulkane, Torfbrennen werden diskutiert), wie wenn wir alles Öl und fast alle Kohle verbrennen würden. Die Auswirkungen waren tatsächlich dramatisch, wie man im Wiki-Artikel nachlesen kann.
- Wir wissen nicht, ob sich die Klimaerwärmung auf dem Land vielleicht sogar teilweise positiv auswirkt, es ist nicht auszuschliessen. Einfach per default davon auszugehen, einfach damit man in Sachen Verbrennung fossiler Rohstoffe weiter machen kann wie bisher, ist aber völlig unverantwortlich. Wir wissen - wieder aus der Erdgeschichte - dass höhere Temperaturen immer auch eine aktivere Atmosphäre bedeuten, mit mehr Stürmen (belegt z.B. durch Sturmablagerungen). Wie erwähnt kann man die CO2-Düngungs-These nicht einfach unbesehen akzeptieren: Pflanzen laufen sehr schnell in einen anderen limitierenden Faktor hinein.
- Es ist klar, dass es auch ohne menschliches CO2 weiterhin zu Klimaveränderungen kommen wird. Aber diese sind niemals so schnell und intensiv wie jene, die wir jetzt provozieren. In der historischen Zeit sind unzählige Kulturen durch vergleichsweise kleine, lokale Klimaveränderungen untergegangen, weil sie sich nicht anpassen konnten (die Maya z.B.). Wir jedoch laufen geradewegs in eine historisch (für das Holozän, das heisst, für die ganze moderne Menschheitsgeschichte) einmalige, globale Klimaveränderung hinein: und doch gibt es immer noch Leute, die behaupten, das sei alles nicht so schlimm und wir müssten uns dann halt "anpassen".
- Sorgen macht mir persönlich vor allem der Anstieg des Meeresspiegels. Rund ein Drittel (wohl das produktivste und mächtigste Drittel) der Menschheit lebt innerhalb von 100 m oberhalb des Meeresspiegels, dort stehen fast alle Fabriken, Universitäten, Kulturgüter. Das alles setzen wir langfristig aufs Spiel. Siehe z.B.
dieses Diagramm, das erdgeschichtliche Meeresspiegeländerungen mit der Temperatur der Atmosphäre in Zusammenhang stellt. Wie man sieht, könnte man eine Gerade durch all diese Punkte durchlegen, wobei die IPCC-Prognose weit darunter liegt. Das ist kein Fehler, sondern Ausdruck davon, dass es eben einige Zeit dauert, bis der Ozean sich genügend erwärmt hat, um mit der Atmosphären-Temperatur in ein neues Gleichgewicht zu treten. Man kann aus der Grafik herauslesen, dass bei einer Temperaturerhöhung von nur gerade 3° langfristig ein Meeresspiegelanstieg von rund 50 m ins Haus steht (in der Regel hört man immer nur die Prognose bis 2100, ~1 m). Das sind keine abstrusen Schauermärchen, sondern solide in der Erdgeschichte verankerte Beobachtungen.
- Es ist auch klar, dass wir hier etwas begonnen haben, was wir kaum noch kontrollieren können. Selbst wenn wir ab morgen kein CO2 mehr ausstossen würden, die Temperatur würde weiter steigen, die Niederschläge zunehmen, der Meeresspiegel ansteigen, die Eisschilde und Gletscher schmelzen: ganz einfach, weil das CO2 das jetzt in der Atmosphäre ist, noch nicht seine ganze Wirkung entfalten konnte: es hält zwar bereits die Wärme zurück, aber die Erde ist noch lange nicht im thermischen Gleichgewicht: sie hat sich noch nicht stark genug aufgewärmt, dass ihre Temperatur jener entspricht, die der CO2-Gehalt vorgibt. Die vom CO2 zurückgehaltene Energie geht zur Zeit vor allem in die Erwärmung des Ozeans und in das Schmelzen der Polkappen - deshalb merken wir nicht besonders viel davon. CO2 ist deshalb so viel gefährlicher als Methan, weil es im Gegensatz zu diesem sehr lange Zeit in der Atmosphäre bleibt und erst nach Jahrtausenden wieder (v.a. in den Ozean) absorbiert wird.
IV. Was tun?
- Gute Frage. Objektiv gesehen würde es wohl reichen, wenn wir uns global darauf verständigen, so schnell wie möglich die Finger von der Kohle (und den Methanhydraten!) zu lassen. So viel Erdöl und Erdgas ist nicht mehr übrig, aber der grösste Teil (~80%, IIRC) der absehbaren Menge an CO2, die über die nächsten 100 Jahre in die Atmosphäre gelangen wird, stammt aus der Kohle. Trotzdem hilft alles, was den künftigen CO2-Gehalt der Atmosphäre nicht erhöht.
- Ich würde ein weltweites Programm begrüssen, um CO2 chemisch zu binden (entweder durch Reaktion mit Gestein zu Kalk, oder durch aktive Filterung und Versenkung im tiefen Ozean) und es langfristig auf einem Wert von ~300 ppm zu stabilisieren. Von weiter gehendem Geoengeniering würde ich aber die Finger lassen, so lange wir nicht zumindest im Ansatz verstehen, was wir tun. Bezahlen müsste man dieses Programm mit einer weltweiten Steuer auf alles, was CO2 produziert (Erdöl, Erdgas, Kohle...), wobei man den Entwicklungsländern einen grosszügigen Freibetrag für die Grundversorgung zugestehen müsste - vielleicht liesse sich der Freibetrag auch einfach an der bisher der Atmosphäre hinzugefügten Menge CO2 festmachen.
- Von "Verzichtsstrategien" halte ich wenig bis gar nichts. Verzicht in einem freien Markt senkt die Nachfrage und damit den Preis des Gutes, auf das man verzichtet. Es ist aber wichtig, dass die Wirtschaft den Wechsel weg von den fossilen Rohstoffen schafft, aber da der Markt "blind" ist gegenüber einem extremen Klimawandel, der erst in einigen Jahrzehnten stattfindet, sehe ich keine andere Möglichkeit, als dass der Staat es richtet - mit Steuern, aktiven Investitionen und Subventionen.