Nochmal zu den Grundlagen:
Was ist ein Inertialsystem? Das ist ein Koordinatensystem, das sich zu einem anderen Koordinatensystem mit
gleichförmiger Geschwindigkeit fortbewegt. - gut, geschwollener Mist mit anderem geschwollenen Mist erklärt *g*
Besser ist das: In einem Bahnhof schaut der Zugreisende aus dem Fenster und sieht, wie sich ein anderer Zug an ihm vorbeischiebt. Jeder hat wohl schon die Situation erlebt, dass er nicht weiss, ob sich nun der eigene Zug bewegt, oder der andere. Die Situation tritt immer dann ein, wenn man nicht andere Bezugspunkte hat (z.B. Bahnsteig) und auch nicht das eventuelle anfahren des eigenen Zuges bemerkt hat.
Oder ein Erlebnis, das mich als Jugendlicher damals sehr beeindruckt hat: Ich war auf einem Schiff, das gerade den Hafen verliess. Bei schätzungsweise halber Fahrt begleitete uns eine Möwe. Sie flog genau vor mir in Fahrtrichtung des Schiffes, blieb also genau auf meiner Höhe. Ich wusste natürlich, dass sie zum Fliegen eine bestimmte Geschwindigkeit braucht und dennoch blieben wir etwa zwei Minuten praktisch Schulter an Schulter.
Es kommt also darauf an, wie ein Beobachter die (gleichförmige(!))Geschwindigkeit eines anderen Beobachters einschätzt. Die spezielle Relativitätstheorie (SRT) stellt genau darauf ab:
relative Geschwindigkeiten.
Wenn sich Einsteiger das Zwillingsparadoxon vorstellen und sich einmal in den einen Zwilling versetzen und sofort danach in den anderen, dann übersehen sie meistens, dass sie mit diesem Schritt das Inertialsystem wechseln. Denn ein Inertialsystem bewegt sich
gleichförmig, d.h. keine Beschleunigung.
Auch die sehr häufig angewandte Vorstellung: Der Zwilling rast zu Alpha Centauri und kommt dann wieder zurück ... ist ebenfalls ausserhalb der SRT, denn der reisende Zwilling muss für seine Rückkehr ja abbremsen und umkehren.
Im Zugvergleich: er muss den einen sich gleichförmig bewegenden Zug verlassen, auf einen stillstehenden Bahnsteig springen und auf den entgegenkommenden Zug nachrennend aufspringen. Der reisende Zwilling hat also zweimal das Inertialsystem gewechselt.
Auch bei einer schnellen Umkreisung der Erde, z.B. in einem Überschallflugzeug oder einer Raumfähre, ist das Zwillingsparadoxon gemäss SRT verwirrend, denn in einer orbitalen Kreisbewegung ist man ständig einer Änderung der Bewegungsrichtug ausgesetzt. Man bewegt sich ja im Kreis, und das ist alles andere als eine gleichförmige und unbeschleunigte Bewegung. Im Orbit wechselt man somit permanent das Inertialsystem.
Wenn man die Relativitätstheorie begreifen will, dann muss man sich im ersten Schritt daran halten: Die beiden Züge fahren an einander vorbei, weil sie schon immer den gleichen Geschwindigkeitsunterschied hatten. Springt man gedanklich vom Beobachter des einen Zuges zu dem des anderen, dann wechselt man das Bezugssystem. Und dann wir es mit der SRT blümerant.
Stellt man sich die Frage was passiert, wenn man das Inertialsystem wechselt, so muss man in die allgemeine Relativiotätstheorie (ART) einsteigen. In diesen Zug sollte man jedoch erst dann einsteigen, wenn man glaubt die SRT begriffen zu haben.