Wenn Licht zu Materie wird
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
15. Mai 2018
Manche Vorhersagen moderner Theorien erscheinen unglaublich
und kaum durch ein Experiment zu beweisen. So auch die These aus der
Quantenelektrodynamik, dass sich Licht in Materie umwandeln lässt. In
England versuchen Physiker aber nun genau dies nachzuweisen. Wenn es gelingt,
könnte dies ein neues Licht auch auf die Vorgänge direkt nach dem Urknall
werfen.
Dominik Hollatz bei "seinen" Magneten, die
die Elektronen-Positronen-Paare ablenken und ohne
die das Experiment nicht möglich wäre.
Bild: Christian Rödel / FSU Jena [Großansicht] |
Sag niemals nie - das gilt in der Wissenschaft genauso wie in vielen anderen
Lebenslagen. Und doch glaubten die Vordenker der Quantenelektrodynamik (QED),
dass man ihre theoretischen Feststellungen niemals praktisch nachweisen könnte.
So beschrieben Gregory Breit und John A. Wheeler 1934 erstmals, wie sich Licht
durch Erzeugung eines Elektronen-Positronen-Paares in Materie umwandeln ließe;
Nobelpreisträger Julian Schwinger führte dies in den 1960er Jahren fort, indem
er postulierte, dass man bei sehr hoher Feldstärke Elektronen und Positronen aus
dem Vakuum herausreißen könnte.
Diese sogenannte Theorie der Quantenelektrodynamik ist weltweit akzeptiert,
einzig ihre Gültigkeit bei hohen Feldstärken und der direkte Nachweis von
Paarerzeugung aus dem Vakuum steht aus – bis jetzt. "Wir sind gerade mitten im
Versuch, die Tür zu einer neuen Physik zu öffnen", sagt Dr. Christian Rödel von
der Friedrich-Schiller-Universität Jena, "der Schwinger-Physik." Erstmals haben
sich dazu internationale Wissenschaftlerteams zusammengetan, um am
Rutherford Appleton Laboratory in der Nähe von Oxford in England das
neuartige Experiment zu wagen. Fünf Physiker vom Jenaer Institut für Optik und
Quantenelektronik arbeiten dazu mit rund 30 weiteren Wissenschaftlern vom
Imperial College London, der Queen‘s University Belfast, der
University of California in Berkeley und vom Deutschen
Elektronen-Synchrotron DESY in der Helmholtz-Gemeinschaft Hand in Hand.
"Durch moderne Lasertechnologie und extrem intensive Laserstrahlung ist das
früher Unmögliche denkbar geworden – dass wir durch Licht-Licht-Wechselwirkung
Materie erzeugen", erzählt Rödel. In einer vier Quadratmeter großen Vakuumkammer
lassen die Forscher dafür hochenergetische Photonen, also Lichtteilchen, mit
einem Hochintensitätslaserstrahl kollidieren. Bei der Kollision sollten nach der
QED-Theorie einige Elektronen-Positronen-Paare entstehen, also Materie und
Antimaterie, die als geladene Teilchen von mehreren Magneten abgelenkt und dann
von einem extrem empfindlichen Detektorsystem gemessen werden können.
Zentralen Anteil am Versuchsaufbau haben Doktoranden von der Universität
Jena: "Dominik Hollatz hat wesentlich zur Entwicklung der Magneten beigetragen,
die die Elektronen-Positronen-Paare ablenken und ohne die das Experiment nicht
möglich wäre. Andreas Seidel hat außerdem eine spezielle Plasmalinse
mitentwickelt, die eine größere Photonendichte im Experiment sicherstellt."
Beide werden Aspekte des Experiments in ihren Dissertationen auswerten und
beschreiben. Auch die weiteren Wissenschaftler werden sich in den kommenden
Monaten mit der Analyse der riesigen Menge an Daten befassen.
Rödel ist begeistert, dass das Jenaer Team von Prof. Dr. Matthäus Zepf an dem
Gemeinschaftsexperiment in England mitwirkt. "Ob der Versuch glückt oder nicht,
wir betreten hier komplettes Neuland. Das könnte die Teilchenphysik
revolutionieren. Die Effekte, die wir untersuchen, könnten wichtige Prozesse
sein, die in den ersten 100 Sekunden nach dem Urknall abgelaufen sind – als
allein aus Licht Materie entstanden ist." Auch deshalb entstehen derzeit in
Europa drei große Forschungszentren, die QED-Effekte in starken Laserfeldern
untersuchen und die Physik im Sinne Julian Schwingers – und des Erstversuchs –
vorantreiben werden.
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