Das Geheimnis der unsichtbaren Gammaquellen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Tübingen astronews.com
13. April 2018
Mithilfe der H.E.S.S.-Teleskope in Namibia haben Astronomen
bislang unzählige Quellen von energiereicher Gammastrahlung in der Milchstraße
nachweisen können. Manche Quellen lassen sich allerdings schwer einem aus
anderen Beobachtungen bekannten Objekt zuordnen. Nun ist es Forschern gelungen,
das Rätsel einiger dieser Quellen zu lösen: Es könnte sich um unbekannte
Supernova-Überreste handeln.
Gammastrahlenquellen in der Milchstraße über
den H.E.S.S.-Teleskopen in Namibia (Fotomontage).
Bild: F. Acero, H. Gast & die H.E.S.S.
Kollaboration [Großansicht] |
Die H.E.S.S.-Teleskope der gleichnamigen Kollaboration durchmustern seit 15
Jahren die Milchstraße nach Quellen von Gammastrahlung. An dem Projekt ist unter
anderem das Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen
unter der Leitung von Professor Andrea Santangelo und Dr. Gerd Pühlhofer
beteiligt. Sie interessieren sich für die Quellen sehr hochenergetischer
Gammastrahlung im TeV-Energiebereich, also im Bereich von 1012
Elektronenvolt, was der billionenfachen Energie der sichtbaren Lichtquanten
entspricht. Erstmals konnten sie Himmelsobjekte in der Milchstraße allein
aufgrund der Aussendung solcher Strahlung klassifizieren: es handelt sich mit
hoher Wahrscheinlichkeit um Supernova-Überreste, die als Himmelsobjekte nach der
Explosion massereicher Sterne zurückbleiben.
Mehr als 200 TeV-Gammaquellen sind bisher sowohl in der Milchstraße als auch
im extragalaktischen Raum bekannt. "Häufig können wir die Strahlung bekannten
astrophysikalischen Objekten zuordnen, die bereits zuvor mit konventionellen
Teleskopen in niedrigeren Frequenzbändern untersucht wurden, zum Beispiel im
Bereich von optischen Wellenlängen oder Radiowellenlängen", erklärt Pühlhofer.
"Interessanterweise wurden mit der systematischen Durchmusterung der Ebene der
Milchstraße durch die H.E.S.S.-Teleskope aber auch viele neue Quellen entdeckt,
die nicht oder nicht eindeutig mit Objekten in niedrigeren Frequenzbereichen
assoziiert sind." Umgekehrt seien die Daten der TeV-Strahlung allein
üblicherweise nicht ausreichend, um eine Quelle einem bestimmten Typ von
astrophysikalischem Objekt zuzuordnen. "Diese nicht identifizierten Objekte
bleiben ein großes Rätsel in der Gammastrahlenastronomie."
Doch die hochentwickelten H.E.S.S.-Teleskope lieferten so detailreiche Daten,
dass die Forscher weitergekommen sind. "Zum ersten Mal sind wir nun in der Lage,
nicht identifizierte TeV-Quellen allein durch eben diese Daten einer bestimmten
Objektklasse zuzuordnen" sagt Pühlhofer. "Drei bestimmte Quellen sind mit hoher
Wahrscheinlichkeit Supernova-Überreste."
Ein Supernova-Überrest ist ein Himmelsobjekt, das sich nach der Explosion
eines massereichen Sterns am Ende seiner Lebensdauer ausbildet. Die Materie, die
durch eine solche Explosion herausgeschleudert wird, führt zu Stoßwellen, die
sich in den interstellaren Raum ausbreiten. Dort wird die Materie aufgeheizt und
Teilchen auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt. Die Teilchen
reagieren mit Licht und Gas in der Nähe ihres Entstehungsortes und produzieren
dadurch sehr hochenergetische Gammastrahlen.
"Wir wissen seit über einem Jahrzehnt, dass manche der 300 bekannten
Supernova-Überreste in unserer Galaxie stark im TeV-Licht strahlen", erklärt der
Doktorand Daniel Gottschall aus Pühlhofers Forschungsgruppe. "Doch all diese
Objekte waren schon aus Beobachtungen in anderen Wellenlängen bekannt und als
Supernova-Überreste klassifiziert worden", ergänzt Massimo Capasso, ebenfalls
Doktorand in der Forschungsgruppe.
Es bleibe die Frage, so Pühlhofer, warum diese Supernova-Überreste bisher
jeder Beobachtung entgangen sind. "Sie sind so groß wie der Vollmond, allerdings
sowohl für das menschliche Auge als auch für konventionelle, wie etwa optische,
Teleskope völlig unsichtbar", erklärt der Astrophysiker. Er hält es für möglich,
dass sie bei früheren Himmelsdurchmusterungen wegen ihrer Position in der
Milchstraße und ihrer großen Ausdehnung nicht von den vielen anderen Objekten zu
unterscheiden gewesen sind oder zumindest teilweise durch Gase im Vordergrund
verdeckt sind.
"Eine aufregendere Möglichkeit wäre, dass die Supernova-Überreste sich in
ihrer Zusammensetzung von den anderen großen Überresten, die bisher mit den
H.E.S.S.-Teleskopen untersucht wurden, substanziell unterscheiden", sagt er.
"Sie könnten zu einer speziellen Sorte von Supernova-Überresten gehören, deren
Gammastrahlung durch Hadronen ausgelöst wird."
Für ihre weiteren Forschungen in der TeV-Gammastrahlen-Astronomie setzen die
Wissenschaftler auf die noch empfindlicheren Geräte der nächsten Generation, das
Cherenkov Telescope Array, das zurzeit entwickelt wird. Es soll im
nächsten Jahrzehnt in Betrieb gehen und von der Erde aus ein noch genaueres Bild
von der Gammastrahlung in der Milchstraße liefern.
Die Ergebnisse werden in einer Sonderausgabe des Fachjournals Astronomy &
Astrophysics veröffentlicht, die zum 15-jährigen Bestehen der
H.E.S.S.-Teleskope mit der bisher größten Datensammlung des Projekts erscheint.
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