Schwarze Löcher behindern Sternentstehung
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
3. Januar 2018
Astronomen haben den ersten direkten Beobachtungsnachweis
für einen Zusammenhang zwischen den zentralen Schwarzen Löchern und den
Sternentstehungsraten von Galaxien gefunden. Die Daten bestätigten einen seit
längerem vermuteten Zusammenhang, nach dem Schwarze Löcher die Sternentstehung
um sich herum behindern können.
Die Galaxie NGC 660 - in dieser und anderen
Galaxien hängt die Entstehung neuer Sterne mit
der Evolution des zentralen Schwarzen Lochs der
Galaxie zusammen.
Bild: ESA/Hubble & NASA [Großansicht] |
Im Zentrum praktisch jeder Galaxie befindet sich ein supermassereiches
Schwarzes Loch mit einer Masse zwischen einigen hunderttausend und einigen
Milliarden Sonnenmassen. Astronomen wissen seit Jahrzehnten, dass es eine
ungewöhnliche Verbindung zwischen diesem Schwarzen Loch und den Sternen einer
Galaxie gibt. Simulationen, mit denen die Entwicklung der Galaxien vom Urknall
bis heute nachvollzogen wird, nehmen routinemäßig einen Zusammenhang zwischen
der Masse des Schwarzen Lochs und der Produktivität an, mit der eine Galaxie
neue Sterne bildet.
Nun hat eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Ignacio
Martín-Navarro von den University of California Observatories und dem
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg den ersten Beobachtungsnachweis
für eine direkte Korrelation zwischen der Masse des zentralen Schwarzen Lochs
und der Sternentstehungsgeschichte von Galaxien gefunden.
Als vor rund 15 Jahren entdeckt wurde, dass die Masse des zentralen Schwarzen
Lochs einer Galaxie und die Gesamtmasse der Sterne der Galaxie zusammenhängen,
war recht bald klar, dass die Astronomen einer Schlüsseleigenschaft von Galaxien
auf der Spur waren. Allerdings stellte sich auch die Frage: Wie konnten die
Sterne, die über die ganze Galaxie verteilt sind, und das vergleichsweise kleine
Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie sich gegenseitig beeinflussen?
Eine mögliche Verbindung ist vergleichsweise einfach: Massereichere Galaxien
können größere Mengen an Gas sammeln, wodurch sowohl mehr Sterne als auch ein
massereicheres zentrales Schwarzes Loch entstehen. Aber es wird seit einiger
Zeit vermutet, dass es zusätzlich einen kleineren, gegensätzlichen Einfluss
gibt, der darin besteht, dass die wachsenden Schwarzen Löcher die Entstehung von
Sternen hemmen.
Die grundlegende Physik ist recht einfach: Wenn Schwarze Löcher wachsen,
während Materie in sie hineinfällt, werden enorme Mengen an Energie freigesetzt.
Wird diese Energie auf das Gas innerhalb und um die Galaxie herum übertragen –
etwa durch Strahlung oder durch die Teilchenstrahlen, die häufig mit
einfallenden Materieteilchen einhergehen – dann ist es schwieriger, dass aus dem
betreffenden Gas neue Sterne entstehen. Gas muss kalt sein, damit Regionen darin
kollabieren und neue Sterne entstehen können, und die zugeführte Energie erwärmt
das Gas.
Bei größeren Schwarzen Löchern ist der Effekt stärker ausgeprägt. Solche
Feedback-Effekte sind fester Bestandteil von Simulationen der Strukturbildung im
Universum. Ohne sie lassen sich mit den Simulationen keine realistischen
Sternentstehungsraten vorhersagen – ohne Feedback würden die simulierten
Galaxien viel zu viele Sterne produzieren! Was bislang allerdings noch fehlte
waren Beobachtungsdaten, welche die Sternentstehungsraten von Galaxien direkt
mit den Eigenschaften der Schwarzen Löcher verknüpften.
Martín-Navarro und seine Kollegen machten sich auf die Suche und nutzten dazu
Daten aus dem Massive Galaxy Survey mit dem Hobby-Eberle-Teleskop,
einer systematischen Studie des ehemaligen MPIA-Wissenschaftlers Remco van den
Bosch. Für 74 der untersuchten Galaxien konnte die Masse des zentralen Schwarzen
Lochs direkt gemessen werden. Da jüngere und ältere Sterne unterschiedliche
Spuren im Spektrum des Lichts einer Galaxie hinterlassen, konnte zudem die
Sternentstehungsgeschichte der letzten 12,5 Milliarden Jahre in den untersuchten
Systemen rekonstruiert werden.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Einfluss des Schwarzen Lochs die
Sternentstehungsrate dämpft. Generell gilt nach wie vor die allgemeine Relation:
Galaxien mit größerer Gesamtmasse der Sterne haben auch massereichere zentrale
Schwarze Löcher. Entscheidend sind die Abweichungen von dieser Relation:
Galaxien, bei denen die Sternmasse kleiner ausfällt als für ein Schwarzes Loch
der gegebenen Masse erwartet, weisen tatsächlich geringere Sternentstehungsraten
auf; für Galaxien mit einer größer als der erwarteten Sternmasse sind die
Sternentstehungsraten höher.
Tatsächlich scheint dieser Zusammenhang zwischen Schwarzem Loch und
Sternentstehungsrate enger zu sein als die eigentliche Relation zwischen der
Masse des Schwarzen Lochs und der Gesamtmasse der Sterne der Galaxie – und zudem
ist er offenbar unabhängig von zusätzlichen Parametern wie der Form der Galaxie
oder der Sterndichte. Der Zusammenhang lässt sich bis weit in die Vergangenheit
zurückverfolgen. Nicht nur, dass die Galaxien mit massereicheren zentralen
Schwarzen Löchern wie erwartet jetzt weniger Sterne produzieren. Seit 12,5
Milliarden Jahren produzieren sie kontinuierlich weniger Sterne.
Dies ist ein deutlicher Beleg für einen direkten, langfristigen Zusammenhang
zwischen der Sternentstehungsrate und dem zentralen Schwarzen Loch. Nun sind die
Theoretiker an der Reihe, um die physikalischen Prozesse zu erklären, auf denen
der Zusammenhang beruht. Jedenfalls können sie ihre Erklärungsmodelle jetzt
anhand der Beobachtungsdaten testen, die Martín-Navarro und Kollegen gewonnen
haben.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in Nature erschienen ist.
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