Kosmische Strahlung ist extragalaktisch
Redaktion
/ idw/ Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie astronews.com
25. September 2017
Kosmische Strahlung mit sehr hoher Energie hat ihren
Ursprung außerhalb unserer eigenen Galaxie. Darauf deutet die Untersuchung der
Einfallsrichtung von mehr als 30.000 Partikeln am Pierre-Auger-Observatorium in
Argentinien hin, dem weltweit größten Experiment zur Messung kosmischer
Strahlung. Für die Forscher ist der Befund ein wichtiger Schritt zum Verständnis
der Strahlung.
Impressionen vom Standort des Pierre-Auger-Observatorium
in der argentinischen Pampa.
Foto: Pierre-Auger-Observatorium/KIT [Großansicht] |
Seit Anfang der 1960er Jahre weiß man von der Existenz hochenergetischer
kosmischer Teilchen, die in die Erdatmosphäre eintreten. Seither rätselt die
Wissenschaft, woher diese Teilchen kommen und welcher Prozess ihnen die hohe
Energie verleiht. Die aktuelle Entdeckung am Pierre-Auger-Observatorium belegt
jetzt erstmals einen extragalaktischen Ursprung dieser Teilchen.
Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Partikel der kosmischen
Strahlung bevorzugt aus einer Richtung in die Erdatmosphäre eintreten, die 120
Grad vom Zentrum der Milchstraße abweicht. Damit können sie nicht aus unserer
Galaxie stammen. Ihre eigentliche Quelle lässt sich zwar noch nicht bestimmen,
da die Teilchen auf ihrem Weg zur Erde durch galaktische und extragalaktische
Magnetfelder stark abgelenkt werden. Aufgrund der Vorzugsrichtung kann ihr
Ursprungsort jedoch in der kosmologischen Nachbarschaft der Milchstraße
angenommen werden, die eine hohe Dichte von Galaxien aufweist.
"In der Astroteilchenphysik sind wir zumeist auf Vermutungen und Indizien
angewiesen, jetzt ist erstmals signifikant, dass es eine Vorzugsrichtung gibt,
aus der die Strahlung kommt, das bedeutet einen sehr großen Schritt für unsere
Forschung", betont Dr. Markus Roth, stellvertretender Leiter der Gruppe "Pierre
Auger" am Institut für Kernphysik des KIT. "Die kosmischen Strahlen sind
Botschafter, durch die wir etwas über den Ursprung des Universums lernen, sie
ermöglichen einen Blick zurück in die Geschichte des Kosmos."
Die hochenergetische kosmische Strahlung erreicht unsere Erde nur selten, pro
Jahr trifft ein Teilchen auf die Fläche eines Quadratkilometers, was nicht
einmal einem Einschlag pro Jahrhundert auf einem durchschnittlichen Fußballfeld
entspricht. Nachweisen lassen sie sich auf der Erde indirekt: Die kosmische
Strahlung selbst dringt nicht bis zum Erdboden vor, sondern stößt in der oberen
Erdatmosphäre mit Atomkernen zusammen, wodurch Kaskaden neuer Teilchen -
Luftschauer mit mehr als zehn Milliarden Teilchen - entstehen, die auf die
Erdoberfläche gelangen.
Diese Sekundärteilchen werden mit den Detektoranlagen des Pierre-Auger-Observatoriums
gemessen, das eine Fläche von 3.000 Quadratkilometern in der argentinischen
Pampa bei Malargüe umfasst. Dort fangen 1660 Wassertanks, die jeweils zwölf
Kubikmeter hochreinen Wassers enthalten, sowie 27 Teleskope die indirekten
Lichtsignale der Sekundärteilchen auf. Die dabei registrierten Lichtpulse
ermöglichen Rückschlüsse auf die Energie und Einfallsrichtung des
Ursprungsteilchens.
Das Pierre-Auger-Observatorium in der Provinz Mendoza in Argentinien ist das
weltweit größte Projekt zur Untersuchung hochenergetischer kosmischer Strahlung.
Mehr als 400 Wissenschaftler aus 18 Ländern arbeiten in der
Forschungs-Kollaboration zusammen. Aus Deutschland sind neben dem KIT die
RWTH-Aachen sowie die Universitäten Hamburg, Siegen und Wuppertal beteiligt,
wobei das KIT das Projektmanagement des Pierre Auger-Observatoriums inne hat und
federführend für den Aufbau der Fluoreszenzteleskope verantwortlich war.
"Seit vier Jahren planen wir die Erweiterung des Observatoriums zu AugerPrime",
sagt Roth. Durch einen zusätzlichen Detektor, der in internationaler
Zusammenarbeit am KIT gebaut wird, erwarten die Forscher qualitativ und
quantitativ noch präzisere Messungen. Dafür wollen sie ab 2018 Teilchen näher
untersuchen, deren Energie zwischen 10 und 100 Mal höher ist. Sie treten mit
einer Wucht in die Erdatmosphäre ein, die die Energie eines stark geschlagenen
Tennisballs hat. Da sie leichter und energiereicher sind, lassen sie sich auf
ihrem Weg zur Erde weniger ablenken, deshalb erwarten die Wissenschaftler durch
sie genauere Hinweise auf die Quellregion der hochenergetischen kosmischen
Strahlung. "Wir werden in Zukunft einen viel tieferen Einblick in die
Geschehnisse des Universums erhalten", so Roth.
Über ihre Entdeckung berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Science erschienen ist.
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