Extremes Pulsar-Doppelsternsystem entdeckt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
7. September 2017
Vor 50 Jahren entdeckte Jocelyn Bell bei der Auswertung von
Radiobeobachtungen den ersten Pulsar. Was damals noch das Durchforsten riesiger
Papierstapel bedeutete, läuft heute mithilfe von Computern ab. Dabei spürten
Wissenschaftler jetzt ein bemerkenswertes Pulsar-Doppelsternsystem auf, in dem
es extreme Beschleunigungen geben muss.
Bei der Untersuchung des neu entdeckten
Binärpulsars J1757-1854 war auch das
100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg beteiligt.
Foto: MPIfR / N. Junkes [Großansicht] |
50 Jahre nach der Entdeckung des ersten Pulsars durch Jocelyn Bell
durchforsten Studenten nicht mehr länger Unmengen von Papierstapeln von
Messschreibern, sondern stattdessen Tausende von Terabyte von Messdaten, um mehr
von diesen immer noch rätselhaften Radiosternen aufzuspüren. Dabei ist erst
kürzlich von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR)
in Bonn das extremste bisher bekannte Pulsar-Doppelsternsystem gefunden worden,
mit Beschleunigungen vom bis zu 70fachen der Erdbeschleunigung. Bei ihrer
größten Annäherung würden beide Komponenten, der Pulsar und der ihn begleitende
Neutronenstern, bequem in einen Sonnenradius hineinpassen.
Obwohl die meisten der inzwischen bekannten 2500 Pulsare Einzelobjekte sind,
findet man einige davon auch in engen Doppelsternsystemen. Die Entdeckung des
ersten dieser Paare von Neutronensternen, des berühmten Hulse-Taylor-Pulsars,
führte zur Verleihung des Physik-Nobelpreises 1993 für "die Eröffnung ganz neuer
Möglichkeiten zum Studium der Gravitation".
Die neueste Entdeckung erfolgte im Zusammenhang mit dem "High Time Resolution
Universe Survey" (HTRU) zur Untersuchung von Pulsaren mit dem
64-Meter-Parkes-Radioteleskop in Australien. Diese Durchmusterung erfolgt in
Zusammenarbeit zwischen der Australia Telescope National Facility, dem
italienischen Istituti Nazionale di Astrofisica, der Manchester
University in Großbritannien, der australischen Swinburne University
und dem MPIfR.
"Die größte Herausforderung ist nicht die Beobachtung selbst, sondern die
Prozessierung der Daten, die eine gewaltige Rechnerleistung erfordert", erklärt
David Champion, Astrophysiker am MPIfR und einer der Projektleiter des HTRU.
"Wir mussten neue Rechenverfahren entwickeln, um speziell nach derart
hochbeschleunigten Systemen suchen zu können."
Mit weltweit verteilten leistungsfähigen Rechnersystemen unter Einschluss des
Hercules-Rechenclusters vom MPIfR, der am Computerzentrum der MPG in Garching
angesiedelt ist, konnten die Forscher ihre Beobachtungsdaten mit vorher nicht
gekannter Präzision nach diesen seltenen Systemen durchforsten.
Entdeckt wurde der Pulsar von Andrew Cameron, einem Doktoranden am MPIfR, der
die Prozessierung der Daten durchgeführt und überwacht hat. "Bei der
Untersuchung von Hunderttausenden von einzelnen Kandidaten stach dieser durch
seine starke Beschleunigung unmittelbar hervor", erinnert sich Cameron. "Ich
erkannte, dass wir ein potentiell sehr aufregendes System gefunden hatten, aber
es brauchte noch Monate detektivischen Spürsinns, bevor wir genau wussten, was
wir da entdeckt hatten."
Das neu entdeckte Binärsystem wurde alsbald mit den großen Radioteleskopen
der Welt im Detail untersucht, darunter auch mit dem institutseigenen
100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg. Dieses Neutronensternsystem stellt ein
exzellentes Laboratorium für Tests von Gravitationstheorien unter Einschluss der
Allgemeinen Relativitätstheorie dar. "Das neue System zeigt eine ganze Menge von
Ähnlichkeiten mit dem Hulse-Taylor-Pulsar, für den ein Nobelpreis vergeben
wurde, aber es ist sogar noch extremer", so Norbert Wex vom MPIfR, ein Experte
für Tests von Gravitationstheorien mit Pulsaren. "Einige der Effekte sind
stärker als in jedem anderen Pulsar. Das macht es zu einem ausgezeichneten
System, um Einsteins Theorie zu testen."
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