Trümmerteile mit Laser im Visier
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft astronews.com
4. September 2017
Weltraumschrott, also unkontrollierte Objekte im Erdorbit,
bergen massive Risiken für die moderne Raumfahrt und damit für alle
satellitengestützten Anwendungen, an die wir uns inzwischen gewöhnt haben. Jetzt
haben Forscher einen Faserlaser entwickelt, mit dem es möglich ist, die Lage und
Bewegungsrichtung von Weltraumschrott zuverlässig zu bestimmen.
Im Einsatz gegen die Gefahren von
Weltraumschrott im Erdorbit: Die
Laser-Technologie des Fraunhofer IOF, hier
dargestellt während eines Tests mit dem ATV und
der ISS.
Bild: Fraunhofer IOF [Großansicht] |
Weltraummüll ist ein großes Problem in der erdnahen Raumfahrt. Außer Dienst
gestellte oder havarierte Satelliten, Bruchstücke von Raumstationen und Reste
von Weltraummissionen bedeuten eine alltägliche Gefahr von Kollisionen mit
aktiven Satelliten und Raumfahrzeugen. Zusammenstöße bergen neben ihrer
zerstörerischen Kraft weiteres Risikopotential – Tausende neue Trümmerteile
können entstehen, die wiederum mit anderen Objekten kollidieren könnten – ein
gefährlicher Schneeballeffekt.
Die globale Wirtschaft hängt heutzutage in erheblichem Maße von Satelliten
und ihren Funktionen ab – Anwendungsbeispiele sind die Bereiche Telekommunition
und Übertragung von TV-Signalen, die Navigation oder auch Wettervorhersagen und
Klimaforschung. Die Beschädigung oder Zerstörung solcher Satelliten durch eine
Kollision mit im Orbit verbliebenen Satelliten- oder Raketenresten kann immense
und nachhaltige Schäden verursachen. Der gefährliche "Weltraumschrott" muss
daher zuverlässig aufgespürt und erfasst werden, bevor an Bergungs- oder
Gegenmaßnahmen zu denken ist.
Experten des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF
in Jena haben ein Lasersystem entwickelt, das optimal für diese Aufgabe geeignet
ist: "Mit unserem robusten und effizienten System kann die genaue Lage und
Bewegungsrichtung von Objekten im Erdorbit zuverlässig und zentimetergenau
bestimmt werden", erläutert Dr. Thomas Schreiber von der Gruppe Faserlaser am
Fraunhofer IOF. "Lasersysteme wie das unsrige müssen außerordentlich
leistungsfähig sein, um den extremen Bedingungen des Weltalls standhalten zu
können. Dazu zählt insbesondere die hohe physische Belastung während des Starts
der Trägerrakete, bei der die Technologie sehr starken Vibrationen ausgesetzt
ist."
Am Einsatzort im niedrigen Erdorbit stellen die hohe Strahlungsbelastung, die
extremen Temperaturschwankungen und die niedrige Energieversorgung im Anschluss
ebenso große Hürden dar. Dies machte die Neuentwicklung des Jenaer
Forscherteams nötig, da herkömmliche Laser diesen Herausforderungen nicht
gewachsen sind. Die Analyse der Weltraumtrümmer muss darüber hinaus über
vergleichsweise große Distanzen hinweg möglich sein. Hierzu wird der Laserstrahl
zunächst durch eine Glasfaser geleitet und verstärkt, um anschließend auf seine
oft Kilometer lange Reise geschickt zu werden.
"Zur notwendigen Bestimmung von Geschwindigkeit, Bewegungsrichtung und
Eigenrotation der Objekte werden sehr kurze Laserpulse, die nur wenige
Milliardstel einer Sekunde andauern, an verschiedene Positionen im Raum
geschossen", erklärt Schreibers Kollege Dr. Oliver de Vries. "Tausende Impulse
pro Sekunde sind mit unserem Lasersystem möglich. Falls sich tatsächlich ein
Objekt an einer der untersuchten Positionen befindet, wird ein Teil der
Strahlung an einen speziellen, direkt in das System integrierten Scanner
zurückreflektiert. Obwohl das ausgesendete Licht sehr schnell ist, braucht es
dennoch eine gewisse Zeit, um vom Laser zum Objekt und wieder zurück zu
gelangen. Diese sogenannte 'Pulslaufzeit' kann dann entsprechend in eine Distanz
und eine echte 3D-Koordinate umgewandelt werden."
Die ausgefeilten Sensoren des Systems, die die zurückgeworfenen Lichtreflexe
auffangen, erfassen sogar noch Milliardstel der abgestrahlten Lichtleistung. Das
von den beiden Forschern des Fraunhofer IOF – ursprünglich im Auftrag der Jena-Optronik
GmbH und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) – entwickelte
Prinzip wurde bereits erfolgreich bei einem Andock-Manöver eines
Raumtransporters an die Internationale Raumstation ISS getestet. Zuvor war das
Lasersystem in einem Sensor des Thüringer Raumfahrtunternehmens Jena-Optronik
verbaut und 2016 mit dem autonomen Versorgungstransporter ATV-5 ins Weltall
geschickt worden.
Das Jenaer System punktet auch in Sachen Energieverbrauch: Der Faserlaser
arbeitet bei voller Leistung insgesamt mit weniger als 10 Watt – deutlich
weniger als beispielsweise ein handelsüblicher Laptop.
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