Der Latchup im Labor
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Ernst-Abbe-Hochschule Jena astronews.com
11. Juli 2017
Die Bedingungen im Weltraum sind für elektronische
Schaltungen äußerst anspruchsvoll: Ein Treffer der kosmischen Strahlung etwa
kann einen Kurzschluss auslösen und sogar zur Zerstörung des getroffenen Bauteils
führen. In Jena wurde nun ein Verfahren entwickelt, mit dem man die dabei
ablaufenden Prozesse auch im Labor nachbilden kann.
Elektronische Bauteile im Erdorbit (hier ein
Blick aus der Internationalen Raumstation ISS)
sind extremen Bedingungen ausgesetzt.
Foto: NASA [Großansicht] |
Ab August dieses Jahres erhält der Fachbereich Elektrotechnik und
Informationstechnik der Ernst-Abbe-Hochschule Jena für das Forschungsprojekt
LUNTE eine Förderung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Im
Weltraum herrschen rauhe Bedingungen, wie extreme Temperaturwechsel, Vakuum und
nicht zuletzt die kosmische Strahlung, vor der wir auf der Erde durch das
Erdmagnetfeld abgeschirmt werden", beschreibt Prof. Dr. Burkart Voß, der unter
anderem für die Lehrgebiete "Raumfahrtsysteme" und "Elektronikdesign für
Weltraumanwendungen" zuständig ist, den Ausgangspunkt des zukünftigen Vorhabens
seiner Forschungsgruppe.
"Die kosmische Strahlung, die aus sehr schnellen Ionen besteht, wirkt auf
elektronische Bauteile wie Gift", so Voß. "Ein einzelner Treffer eines schweren
Ions kann im Bauteil einen Kurzschluss auslösen, der zur Zerstörung des Bauteils
führt, wenn der Kurzschlussstrom nicht unterbrochen wird. Dieser Effekt wird
Latchup genannt". Um trotzdem ohne Ausfälle auf Satelliten zu funktionieren,
werden elektronische Bauelemente speziell für Anwendungen im Weltraum entwickelt
und hergestellt.
Das würde auch recht gut funktionieren, sei allerdings teuer. Wegen der
relativ kleinen Nachfrage nach solchen Bauelementen würden zudem in der Regel
ältere Technologien zur Herstellung eingesetzt, was die Leistungsfähigkeit der
integrierten Schaltkreise extrem beschränke. Wenn nicht speziell für den
Weltraum qualifizierte Bauteile verwendet werden sollen, müsse das System so
gebaut werden, dass die Bauteile vor Zerstörung geschützt sind und dass
temporäre Ausfälle der Bauteile toleriert würden. Das könne man mit
entsprechenden Redundanzkonzepten und Schutzschaltungen gegen den Latchup
erreichen.
Um solche Schutzmaßnahmen entwickeln und testen zu können, muss es jedoch
möglich sein, die Effekte kosmischer Strahlung auch im Labor zu erzeugen. Das
geschieht üblicherweise mit Teilchenbeschleunigern - eine sehr aufwendige und
kostenintensive Methode. Hannes Zöllner, Doktorand von Voß und Professor Klaus
Brieß von der TU Berlin, konnte jetzt im Rahmen seiner Promotion einen solchen
Laboraufbau umsetzen: "Da durch die schweren Ionen der kosmischen Strahlung
letztlich Energie im Bauteil deponiert wird, habe ich untersucht, ob man den
Latchup-Effekt, der das Bauteil zerstört, nicht auch dadurch erzeugen kann, dass
man Energie mit Hilfe eines kurzen Laserpulses in das Bauteil bringt", erklärt
Zöllner. "Das klappte, nachdem eine Gruppe Masterstudenten und ich das Gehäuse
des integrierten Schaltkreises aufgeätzt haben."
Zöllner stellte auch fest, dass der Laserpuls sogar mit einer
Laserdiode funktioniert, wie sie beispielsweise in DVD-Brennern eingebaut ist.
Bei seinem kompakten Laboraufbau lässt sich der Latchup-Effekt relativ
reproduzierbar mit geringem Aufwand erzeugen. In dem neuen, von der DLR für drei
Jahre geförderten Anschlussprojekt will die Forschungsgruppe von Voß und Zöllner
den entwickelten Laboraufbau für die Entwicklung von Latchup-Schutzschaltungen
nutzen.
Der Aufbau ermöglicht, bei einer relativ großen Anzahl von Mikrocontrollern
mit entsprechenden Streuungen der Parameter unter anderem die Zeitdauer zu
messen, bis ein Latchup das Bauteil zerstört hat. Die Wissenschaftler
konzentrieren sich auf die Zeit, die zum Abschalten des Latchupstromss benötigt
wird, und entwickeln daraus gezielt eine Latchup-Schutzschaltung, die den Effekt
erkennt und rechtzeitig abschaltet. Nach dem Aufbau der Schutzschaltung wird
diese dann ausgiebig getestet - da die Raumfahrtelektroniker in Jena Latchups ja
nun kostengünstig erzeugen können.
"Vor diesen Messungen", so Voß, "muss allerdings erst noch etwas am
Testaufbau verbessert werden. Herr Zöllner und ich planen einen Autofokus des
Laserlichtes auf die Oberfläche des integrierten Schaltkreises. Dazu kommt auch
ein Scanner, der eine automatische Positionierung erlaubt, um immer die gleiche
Stelle auf dem IC 'beschießen' zu können."
In diese Umsetzung bindet der Wissenschaftler auch seine Masterstudenten ein,
da diese alles, was sie in ihren Vorlesungen theoretisch hören, auch praktisch
anwenden sollen. "Übrigens machen auch unsere Bachelorstudentinnen und
-studenten der Elektrotechnik/Informationstechnik in diesen Forschungsfeldern
bereits ihre 'ersten Schritte'. Die Studenten sind begeistert bei der Sache“, so
Voß.
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