Simulationen im Holodeck
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
1. März 2017
Was für ein Gravitationswellensignal kann man von der
Kollision und Verschmelzung von zwei Neutronensternen oder Schwarzen Löchern
erwarten? Die Beantwortung dieser Frage ist für den erfolgreichen Nachweis der
Wellen von großer Bedeutung. In Hannover beschäftigt sich eine neue
Forschergruppe mit dem Problem und macht Simulationen auf einem Holodeck
genannten Computercluster.
Visualisierung der Gravitationswellen, die
bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne zu
einem Schwarzen Loch entstehen. Die Stärke der
Gravitationswellen in der Bahnebene des
Doppelsternsystems ist als Deformation einer
Ebene dargestellt, analog zu Wellen auf einem
Teich.
Bild: Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik / W. Kastaun [Großansicht] |
Seit Januar 2017 – gerade einmal rund ein Jahr nach dem Beginn der
Gravitationswellen-Astronomie – ist das Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover um ein junges
Forscherteam reicher. Die von Dr. Frank Ohme geleitete unabhängige
Max-Planck-Forschungsgruppe "Beobachtung und Simulation von kollidierenden
Binärsystemen" wird in den kommenden fünf Jahren Zusammenstöße von Schwarzen
Löchern und Neutronensternen durch aufwendige Computersimulationen studieren und
so an zentralen Fragen der neuen Gravitationswellen-Astronomie arbeiten.
"Als wir mit den LIGO-Instrumenten am 14. September 2015 erstmals direkt
Gravitationswellen nachgewiesen haben, wussten wir schnell, dass Schwarze Löcher
dahinter steckten. Aus der Form der Welle konnten wir viele Informationen über
sie ableiten", sagt Ohme. "Dies war nur möglich, weil wir die erwartete Form der
Wellen aus theoretischen Vorhersagen – Lösungen der Einsteinschen
Feldgleichungen – kannten."
Diese Gleichungen bestimmen, wie Schwarze Löcher die Raumzeit krümmen und
Gravitationswellen erzeugen, die sich mit Detektoren wie LIGO, Virgo und GEO600
beobachten lassen. Allerdings sind diese Gleichungen auch so kompliziert, dass
sich der heftigste (und interessanteste) Teil der Kollision nur mit Hilfe
aufwendiger Simulationen auf Großrechnern verstehen lässt. Um zukünftig jedes
Quäntchen wissenschaftlicher Information aus den schwachen Messsignalen zu
extrahieren, werden daher immer aufwendigere numerische Simulationen von einer
Handvoll Arbeitsgruppen rund um die Welt durchgeführt.
Die neu eingerichtete unabhängige Max-Planck-Forschungsgruppe am AEI ist eine
von ihnen. Sie betreibt für diese rechenzeitintensiven Simulationen "Holodeck",
einen Computercluster mit insgesamt 680 CPU-Kernen und schneller Infiniband-Netzwerkverbindung.
"Wir wollen Modelle entwickeln, um die Dynamik verschmelzender Schwarzer Löcher
besser zu verstehen und um faszinierende Phänomene wie präzedierende – also
taumelnde – Doppelsysteme oder die 'Kicks' extrem beschleunigter Schwarzer
Löcher zu beobachten", erklärt Ohme.
Neben weiteren Gravitationswellen von verschmelzenden Schwarzen Löchern
gelten Signale verschmelzender Neutronensternpaare als heiße Kandidaten für die
nächste Beobachtung. Neutronensterne sind die kompakten Überreste von
Supernova-Explosionen, die mehr Masse als unsere Sonne in einer Kugel von nur 20
Kilometern Durchmesser vereinen. Ohmes Max-Planck-Forschungsgruppe wird mittels
numerischer Simulationen das Verhalten von Materie bei den enormen Dichten in
Neutronensternen erforschen.
"Niemand weiß genau, wie sich Materie unter den Extrembedingungen in
Neutronensternen verhält. Die Kombination von unseren Simulationen mit
zukünftigen Beobachtungen von Gravitationswellen kollidierender Neutronensterne
wird uns ganz neue Einblicke in diese faszinierenden Objekte ermöglichen", sagt
Ohme.
Am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover arbeitet Ohmes
Gruppe eng mit der Abteilung "Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie"
von Prof. Bruce Allen, Geschäftsführender Direktor des Instituts, zusammen. "Ich
freue mich sehr, dass Frank Ohme sich entschieden hat, seine unabhängige
Max-Planck-Forschungsgruppe an unserem Hannoveraner Institut anzusiedeln", so
Allen. "Damit sind wir noch besser für das nun beginnende Zeitalter der
Gravitationswellen-Astronomie aufgestellt, denn es erweitert und stärkt unsere
Forschung."
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