Mit Alkohol und Sauerstoff ins All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
15. Februar 2017
Herkömmliche Treibstoffe für Raketen wie Hydrazin gelten als
umwelt- und gesundheitsschädlich. Experten suchen daher nach "grünen"
Alternativen. Im Rahmen eines brasilianisch-deutschen Gemeinschaftsprojekts wird
ein Raketenantrieb entwickelt, der mit Alkohol und Sauerstoff funktioniert.
Erste Tests verliefen nun erfolgreich.
Bei der ersten Brenntestkampagne des Projekts
SALSA wurden zwei verschiedene Einspritzköpfe
erprobt. Hier das in Deutschland entwickelte
System. Bei dem Test wird mit Hilfe des
Einspritzkopfes Treibstoff in die Brennkammer
gesprüht, der dort gezündet wird.
Foto: Airbus Safran Launchers GmbH [Großansicht] |
Eine neue Rakete zu entwickeln, die mithilfe von Sauerstoff und Alkohol
fliegt: Diesem Ziel sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
die brasilianische Raumfahrtagentur Agência Espacial Brasileira (AEB)
nun einen großen Schritt näher gekommen. Das zeigen die nun präsentierten
Ergebnisse der ersten Brenntest-Kampagne für das Oberstufen-Triebwerk eines
zukünftigen brasilianischen Kleinträgers. Die Tests mit zwei neu konzipierten
Einspritzköpfen waren im Dezember 2016 im Rahmen einer deutsch-brasilianischen
Kooperation erfolgreich abgeschlossen worden.
"Um die optimale Technik für den Antrieb einer zukünftigen
deutsch-brasilianischen Rakete zu finden, wurden parallel zwei Einspritzköpfe
entwickelt, die auf unterschiedlichen Konzepten beruhen", so Projektleiterin
Lysan Pfützenreuter vom DLR Raumfahrtmanagement. "Bei dieser ersten Kampagne
haben wir alle wichtigen Testziele erreicht: So wurden an zwanzig Tagen
insgesamt 42 Zündungen erfolgreich durchgeführt. Dabei konnten wir unter anderem
das Zündverhalten und die Stabilität des Systems während Zündung und Anfahren
der Schubkammer genau analysieren. Hierdurch haben wir wichtige Erkenntnisse für
die weitere Triebwerksentwicklung gewonnen."
Die Tests haben in der Zeit von Juli bis Dezember 2016 am Prüfstand P8 des
DLR Instituts für Raumfahrtantriebe am Standort Lampoldshausen stattgefunden.
Die beiden Einspritzköpfe unterscheiden sich vor allem in der Art und Weise, wie
der Treibstoff in die Brennkammer eingesprüht und vermischt wird. Ein System
stammt vom Instituto de Aeronáutica e Espaço (IAE) in Brasilien, das
andere wurde in Deutschland im Rahmen des Projekts SALSA (Systemauslegung eines
Alkohol-LOX-Antriebs als Substitut für lagerfähige Antriebsstoffe) vom
Raumfahrtunternehmen Airbus Safran Launchers entwickelt und gebaut.
Der Einspritzkopf soll einmal das Herzstück des neuen L75-Triebwerks werden,
das zukünftig brasilianische Kleinträger antreiben soll. Die Besonderheit daran:
Die neue Technik ermöglicht es, Ethanol - also gewöhnlichen Alkohol - als
Treibstoff einzusetzen. Ethanol gehört, ebenso wie Methan, zu den sogenannten
"grünen" Treibstoffen. Diese gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sie
umweltfreundlicher und weniger gesundheitsbelastend sind als die in der
Raumfahrt verwendeten Hydrazin-Verbindungen.
Neben diesen positiven Effekten können durch diese "neuen" Treibstoffe auch
Kosten in der Raumfahrt deutlich reduziert werden, da der bislang hohe Aufwand
für die sichere Lagerung und Handhabung der Stoffe wesentlich geringer ist. In
Europa ist es aufgrund der REACH-Verordnung (Registration, Evaluation,
Authorisation and Restriction of Chemicals) sogar fraglich, wie lange Hydrazin
noch als Treibstoff zugelassen sein wird. Diese Verordnung der Europäischen
Union, die im Jahr 2007 in Kraft getreten ist, regelt seither die Zulassung und
Verwendung von chemischen Stoffen.
In Europa gibt es bislang nur eine Möglichkeit, Triebwerkskomponenten für
Orbitalraketen - also Raketen, die eine Nutzlast in einen Orbit transportieren
können - mit dem Treibstoff Ethanol zu testen: den Teststand P8 am DLR-Standort
Lampoldshausen. "Der Teststand wurde bereits im Frühjahr 2016 um eine Hochdruck-Ethanolversorgung
erweitert. Damit steht am P8 neben den bisherigen Treibstoffen Sauerstoff,
Wasserstoff und Methan ein weiterer "grüner" Treibstoff zur Verfügung" so Jan
Alting, Projektleiter SALSA der Airbus Safran Launchers GmbH. "Für Europa deckt
der P8 damit fast das gesamte Spektrum der aktuell interessanten
Treibstoffkombinationen zur Technologieentwicklung und -erprobung von
Schubkammern für Trägerraketen ab."
Die Brenntest-Kampagne ist Teil einer deutsch-brasilianischen Kooperation,
die im Jahr 2011 zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der
brasilianischen Raumfahrtagentur Agência Espacial Brasileira (AEB) geschlossen
wurde. Es beinhaltet schwerpunktmäßig die Zusammenarbeit in den Bereichen
Triebwerksentwicklung, Höhenforschungsraketen und Forschung unter
Schwerelosigkeit.
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