Riesiges Schwarzes Loch in isolierter Galaxie
Redaktion / Pressemitteilung des
Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com 8. April 2016
Astronomen haben ein gewaltiges Schwarzes Loch an einem
unerwarteten Ort aufgespürt: Bislang hatte man die massereichsten Schwarzen
Löcher vor allem in Riesengalaxien in den Zentren großer Galaxienhaufen
gefunden. Die Galaxie NGC 1600 ist im Vergleich dazu fast schon isoliert.
Trotzdem besitzt sie ein Schwarzes Loch mit der 17-milliardenfachen Masse der
Sonne.
Vergrößerte Ansicht der zentralen Region von
NGC 1600. Der Kern ist recht diffus, viele Sterne
fehlen – wahrscheinlich als Folge einer früheren
Galaxienverschmelzung.
Bild:
Gemini Observatory/AURA & HST/NASA/ESA [Großansicht] |
Fast alle Galaxien beherbergen in ihrem Zentrum ein massereiches Schwarzes Loch
- im Herzen unserer Milchstraße befindet sich ein eher kleineres Exemplar, das
"nur" vier Millionen Mal so massereich wie die Sonne ist. Tausend Mal schwerere
Schwarze Löcher als das in unserer Milchstraße brachten einst die weit
entfernten Quasare – quasi-stellare Objekte – im frühen Universum zum Leuchten:
diese leistungsstarken Leuchttürme, die selbst die Leuchtkraft ihrer
Wirtsgalaxien um viele Größenordnungen übertreffen, werden von der Energie
gespeist, die frei wird, wenn Gas auf ein massereiches Schwarzes Loch einstürzt.
Bisher konnte man die heute nicht mehr aktiven Nachfahren dieser sehr großen
Schwarzen Löcher nur in gigantischen Galaxien in den Zentren von gewaltigen
Galaxienhaufen mit Hunderten von anderen Galaxien nachweisen. Was aber wurde aus
all den anderen Schwarzen Löchern, die einst große Mengen an Material aufgesogen
habe?
Eines davon - und ein äußerst massereiches - wurde nun gefunden: das Zentrum der
Galaxie NGC 1600 beherbergt ein Schwarzes Loch mit einer Masse 17 Milliarden Mal
größer als die unserer Sonne. Dies ist eines der größten Schwarzen Löcher, das
bis heute gefunden wurde.
Die Entdeckung gelang, als Astronomen Beobachtungen aus dem MASSIVE-Survey
analysierten, einer Beobachtungskampagne um die Struktur, Dynamik und
Entstehungsgeschichte der 100 massereichsten Galaxien des frühen Typs -
sogenannter elliptische Galaxien - in einer Entfernung von bis zu 350 Millionen
Lichtjahren von unserer Milchstraße zu untersuchen. Insbesondere interessierten
sich die Astronomen dabei für die Geschwindigkeiten der Sterne in der Nähe des
Schwarzen Lochs; diese wurden dann mit theoretisch berechneten Modellen von
Sternorbits verglichen, um die Masse des Schwarzen Lochs zu bestimmen.
Das erstaunliche an dieser Entdeckung ist aber nicht nur die große Masse des
Schwarzen Lochs sondern die Tatsache, dass NGC 1600 Teil einer relativ kleinen
Gruppe von nur wenigen Galaxien ist: "Dies ist das erste Mal, dass wir ein
derart massereiches Schwarzes Loch in einer so relativ isolierten Galaxie
finden, und nicht in einem großen Galaxienhaufen", sagt Jens Thomas vom
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.
"Andere Galaxien mit sehr massereichen Schwarzen Löchern befinden sich in der
Regel in Regionen des Universums mit einer hohen Massendichte, in Galaxienhaufen
mit vielen anderen Galaxien", fährt Thomas fort. NGC 1600 ist mit Abstand die
hellste Galaxie in ihrer kleinen Gruppe und überstrahlt die anderen Mitglieder
um mindestens das Dreifache. Um so groß zu werden, könnte diese Galaxie bereits
früh mit anderen, nahen Galaxien und deren Schwarzen Löchern verschmolzen sein.
"Genauso spannend ist das Zentrum der Galaxie: Es ist sehr diffus, als ob
Milliarden von Sternen fehlen", sagt Chung-Pei Ma von der University of
California in Berkeley, die den MASSIVE-Survey leitet. Massereiche Galaxien
wie NGC 1600 und ihre Schwarzen Löcher wachsen typischerweise durch
Verschmelzungen mit anderen Galaxien und die Nachwirkungen einer solchen
Verschmelzung könnte Sterne aus dem Zentrum entfernen: man geht davon aus, dass
die beiden Schwarzen Löcher von zwei verschmelzenden Galaxien ein Binärsystem
bilden, bevor schließlich auch sie verschmelzen.
Sterne, die dem Binärsystem zu nahe kommen, werden wie bei einer
"Schwerkraftschleuder" zu größeren Radien gestreut. "Weniger massereiche
elliptischen Galaxien werden typischerweise immer heller, je weiter man sich dem
Zentrum nähert - in NGC 1600 ist es aber so, als wären so viele Sterne wie in
der Scheibe unserer Milchstraße aus dem Zentrum heraus geschleudert worden",
erklärt Thomas.
Durch den Vergleich ihrer Ergebnisse mit Massenbestimmungen in einer Reihe von
ähnlichen Galaxien fanden die Astronomen, dass die Sterne genau in dem Bereich
der Gravitationseinflusssphäre des Schwarzen Lochs zu fehlen scheinen. Der
Kernradius dieser Zone scheint ein besserer Indikator für die Masse des
Schwarzen Lochs zu sein als andere Eigenschaften der Galaxie.
"Das Schwarze Loch in NGC 1600 ist das erste Beispiel, wie der Nachfahre eines
leuchtenden Quasars in einer relativ isolierten Galaxie heute aussehen könnte",
so Chung-Pei Ma. "Es gibt durchaus einige weitere Galaxien vergleichbarer Größe
in ähnlichen, eher durchschnittlich großen Galaxiengruppen. Im Moment wissen wir
noch nicht, ob auch diese nicht seltenen Galaxien so massereiche Schwarze Löcher
haben. Unsere laufenden Beobachtungen werden in Kürze zeigen, ob wir einfach
eine ungewöhnliche Galaxie entdeckt haben, oder ob das die Spitze eines Eisbergs
ist."
Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature erschienen ist.
|