Eine Öko-Rakete aus Bremen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation (ZARM) astronews.com
22. März 2016
Der Start von Raketen ist in der Regel eine sehr
umweltunfreundliche Sache: Die verwendeten Treibstoffe sind hochgiftig und
explosiv. Studierende des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation der Universität Bremen entwickelten daher einen neuen und
umweltfreundlicheren Raketenantrieb, der bald seinen
Jungfernflug bestehen soll.
Einer gewöhnlichen Kerze sieht man es gar nicht an. Doch Paraffin als
Treibstoff kann ungeahnte Kräfte entwickeln, wenn die Mischung stimmt. Zusammen
mit flüssigem Sauerstoff entsteht eine Treibstoffkombination, die in einer
Brennkammer genügend Schubkraft und Energie freisetzt, um eine 80 kg schwere und
3,8 Meter lange Forschungsrakete mit Schallgeschwindigkeit auf mindestens 4000
Meter Höhe zu bringen.
Dass dies gelingen kann, wollen Studierende am Zentrum für angewandte
Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen nun
beweisen. Rund vier Jahre haben sie an ihrem Vorhaben getüftelt. Ihre
selbstgebaute und nahezu umweltfreundliche Rakete mit Hybridantrieb wird am
Donnerstag, also in zwei Tagen, ihre Reise nach Nordschweden antreten, um dort
voraussichtlich am 12. April 2016 vom europäischen Weltraumbahnhof Esrange in
Kiruna zu starten.
Passend zum Forschungsthema und zur Jahreszeit trägt die Rakete den Namen
ZEpHyR, was in der griechischen Mythologie so viel wie Frühlingsbote und
Windgottheit bedeutet, im Rahmen des Projektes allerdings für ZARM
Experimental Hybrid Rocket steht. Die Flugpremiere von ZEpHyR ist für die
Bremer Studierenden im Fachbereich Produktionstechnik das große Finale des
STERN-Programms, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
gefördert wird und deutschen Universitätsteams die Chance bietet, abseits des
Hörsaals mit selbstgebauten Raketen Raumfahrtforschung praxisnah zu erleben.
Das Bremer Team hat sich die konkrete Aufgabenstellung selbst gesucht. Ziel
ist es, eine neuartige Rakete zu entwickeln, die den Ansprüchen einer Raumfahrt
4.0 gerecht wird: dazu zählen Faktoren wie Kostenreduzierung, einfache
Handhabung und Risikominimierung für Mensch und Umwelt durch einen Verzicht auf
die üblicherweise in der Raumfahrt eingesetzten hochgiftigen und explosiven
Treibstoffe wie Hydrazin.
Was sich so simpel anhört, erforderte eine kreative Herangehensweise, einen
Wissenstransfer aus den Bereichen der Verbrennungsforschung, Maschinenbau,
Elektrotechnik und Chemie sowie handwerkliches Geschick. "Wir sind innerhalb des
STERN-Programms die einzigen, die eine Kombination aus Paraffin und Sauerstoff
als Antriebsmittel verwenden. Andere europäische Forschungsteams gehen bereits
ähnliche Wege, was deutlich zeigt, dass in diesem Antriebskonzept großes
Potential für zukünftige Raumfahrtprojekte steckt. Mit unserer Expertise sind
wir am Puls der Zeit", erklärt Peter Rickmers, der das ZEpHyR-Projekt am ZARM
leitet und betreut.
Im Fokus der Forschungs- und Tüftelarbeit in Bremen stand der Hybridantrieb,
der von Grund auf neu konzipiert und an die Treibstoffkomponenten angepasst
werden musste. 30 Triebwerkstests waren nötig, um das richtige
Mischungsverhältnis von Wachs und Sauerstoff für eine gute Leistungskraft bei
gleichzeitig geringer Systemkomplexität zu erreichen. Um die Kosten für Bauteile
so gering wie möglich zu halten, griff das Team pragmatisch zum 3D-Drucker,
fertigte die Schubdüsen aus einer Mischung aus Baumwolle und Harz und stellte
teure Ventile zur Regulierung der Zufuhr des Sauerstoffs selbst her.
Die Elektronik zur Steuerung der Rakete wurde im Elektrohandel eingekauft und
der Fallschirm, der die Rakete nach ihrem Flug wieder sicher zur Erde bringen
soll, stammt aus dem Outdoor-Freizeitbereich. Kurzum, die Bezugsquellen aller
Raketenkomponenten stehen im Prinzip jedem offen und so soll auch ZEpHyR einen
Beitrag dazu leisten, die Raumfahrt privatwirtschaftlich leichter zugänglich zu
machen und so innovative, kreative Ideen für die Erkundung des Weltalls von
morgen voranzubringen.
Unabhängig vom Ausgang des Raketen-Programms haben die Studierenden des
Bremer Teams schon jetzt gewonnen: Über 35 Bachelor- und Masterarbeiten sind im
Rahmen des ZEpHyR-Projektes entstanden, was aus Sicht der universitären Lehre
ein Erfolgsmodell darstellt.
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