Radioblitze der kosmischen Strahlung
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
4. März 2016
Woher stammt die sogenannte kosmische Strahlung, also
Partikel, die mit hoher Geschwindigkeit aus den Weiten des Alls auf die
Erdatmosphäre treffen? Bislang hatte man immer extragalaktische Quellen im
Verdacht, doch die Zusammenarbeit von Radioastronomen und Teilchenphysikern
führte jetzt zu der Erkenntnis, dass die Quellen auch innerhalb unserer
Milchstraße liegen könnten.
Luftschauer nach Simulationen mit dem
CORSIKA-Programm, dargestellt auf einem Foto der
Zentralstation("Superterp") des
Radioteleskop-Netzwerks LOFAR in der Nähre von
Exloo in den Niederlanden.
Bild:
ASTRON / KIT / Radboud [Großansicht] |
Das Niederfrequenz-Radioteleskopnetzwerk LOFAR empfängt normalerweise
Radiowellen aus dem entfernten Universum. Gelegentlich fängt es aber auch starke
Radiopulse von extrem kurzer Dauer ein, irgendwo zwischen Kurzwelle und UKW. Im
Autoradio sind solche Signale als kurzes Knacken hörbar. Sie werden durch
Elementarteilchen verursacht, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf die
Erdatmosphäre auftreffen.
Diese Partikel wurden vor Millionen von Jahren in großer Entfernung von einem
"kosmischen Teilchenbeschleuniger" ins All geschossen. Einem internationalen
Team von Astronomen unter Beteiligung von Forschern des German Long
Wavelength Consortium (GLOW) ist es nun gelungen, die Radiobotschaft dieser
kosmischen Eindringlinge zu entschlüsseln, und dadurch Erkenntnisse über ihre
Herkunft und physikalische Natur zu gewinnen.
Supernova-Explosionen, sterbende Sterne, Schwarze Löcher - alle diese Phänomene
wurden bereits als Quellen zur Erklärung der kosmischen Teilchenstrahlung
herangezogen. Aber tatsächlich kennt bisher noch keiner eindeutig den Ursprung
dieser Strahlung. Teilchen der kosmischen Strahlung sind Elementarteilchen,
deren Energie bis zu einer Million mal größer ist als in den leistungsfähigsten
Teilchenbeschleunigern auf der Erde.
Sie treffen als Geschosse mit fast Lichtgeschwindigkeit auf die Erdatmosphäre
und zerfallen dadurch in eine Kaskade von Sekundärteilchen. Ihre Wechselwirkung
mit dem Magnetfeld der Erde führt dabei zu einem extrem kurzen Radiosignal von
weniger als einer Milliardstel Sekunde Dauer. Tausende einzelner Dipolantennen
des LOFAR-Teleskopnetzwerks tragen dazu bei, dieses Signal aufzuspüren und genau
zu vermessen.
Doch das Entdecken eines Signals bedeutet noch nicht, dass man auch seine
Ursache kennt. Zum ersten Mal haben es Astronomen aber jetzt geschafft, genau zu
berechnen und zu modellieren, welche Art kosmischer Teilchen für das gemessene
Radiosignal verantwortlich war. "Wir können das Geschoss jetzt identifizieren",
sagt Heino Falcke von der Radboud-Universität in Nijmegen in den Niederlande,
der Vorsitzende des Ausschusses für das Internationale LOFAR-Teleskop. "In den
meisten Fällen scheint es sich dabei um ein einzelnes Proton oder den leichten
Kern eines Heliumatoms zu handeln."
"Wegen der enormen Energie glauben die meisten Forscher bis jetzt, dass die
Teilchen der kosmischen Strahlung aus großen Entfernungen im Universum stammen,
zum Beispiel von Schwarzen Löchern in anderen Galaxien", ergänzt Stijn Buitink
von der Freien Universität Brüssel. "Aber wir finden jetzt, dass sie einen viel
näheren Ursprung haben und ihre Energie von einem kosmischen Beschleuniger in
unserer Milchstraße herrührt – zum Beispiel von einem sehr massereichen Stern."
"Die Quellen kosmischer Teilchenstrahlung sind kosmische Beschleuniger, die bis
zu einer Million mal stärker sind als der Large Hadron Collider in Genf
oder irgendein anderer irdischer Beschleuniger, den Menschen in der Lage sind zu
bauen", so Falcke. "Wir können jetzt sozusagen Hochenergiephysik mit
einfachen UKW-Radios durchführen." Das eröffnet ein neues Fenster zum
Hochenergie-Universum und sehr präzisen Messungen von kosmischen Teilchen.
"Der Hauptunterschied zu gewöhnlichen UKW-Radios liegt in der Digitalelektronik
und in den breitbandigen Empfängern, mit denen es möglich wird, eine große Zahl
unterschiedlicher Frequenzen gleichzeitig mit hoher Geschwindigkeit
aufzuzeichnen", erklärt Andreas Horneffer vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie, der die Antennen des Vorläuferprojekts LOPES (LOFAR Prototype
Experimental Station) für das aktuelle Experiment, als Teil seiner Doktorarbeit
aufgebaut hat.
Die Identifikation der eintreffenden Teilchen aus den Radiobeobachtungen beruht
auf exakter Kenntnis der Radioemissionsphysik. Die LOFAR-Daten werden mit
Simulationen im CoREAS-Code verglichen, der von Tim Huege und seinen Kollegen am
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Rahmen des
CORSIKA-Luftschauer-Simulationsprogramms entwickelt wurde. "Als wir mit den
Simulationen der Radiosignale vor zehn Jahren begonnen hatten und die Signale
mit Daten unseres LOPES-Experiments verglichen, war die Physik der Radioemission
für uns noch ein großes Rätsel. Heute können wir mit den Simulationen die
hochwertigen LOFAR-Resultate sehr detailliert wiedergeben und haben dadurch sehr
viel Vertrauen in die Interpretation der Messungen", so Huege.
Der Nachweis kosmischer Teilchenstrahlung mit LOFAR eröffnet einen Zugang zu
Präzisionsmessungen, die dazu beitragen, die Ursprungsquellen dieser
höchstenergetischen Partikel zu enträtseln. Vom Square Kilometre Array
Radioteleskop-Netzwerk mit seiner sehr hohen Dichte von Einzelantennen ist
schließlich das volle Potential dieser Methode zum Nachweis kosmischer
Partikelstrahlung zu erwarten, und zwar noch mit wesentlich höherer
Messgenauigkeit als zur Zeit mit LOFAR. "Es ist schon eine bemerkenswerte
Erfahrung, dass Teilchenphysiker und Radioastronomen zusammenarbeiten, um ein
solch erfolgreiches Experiment im aufsteigenden Forschungsfeld der
Astroteilchenphysik durchzuführen", schließt Ralf-Jürgen Dettmar von der
Ruhr-Universität Bochum, der Sprecher des deutschen GLOW-Konsortiums.
Über ihre Beobachtungen des sich wiederholenden FRBs berichteten die Astronomen in dieser Woche in der
Zeitschrift Nature.
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