Sternbedeckung dauert dreieinhalb Jahre
von Stefan Deiters astronews.com
23. Februar 2016
Astronomen haben ein Doppelsternsystem entdeckt, das gleich
in doppelter Hinsicht einen neuen Rekord aufstellt: So verdunkelt die eine
Komponente des Systems seinen Partner für dreieinhalb Jahre, zwischen den
einzelnen Bedeckungen liegen zudem 69 Jahre. Die Entdeckung dieses Systems
gelang nur durch Auswertung alter Archivdaten und die Mitarbeit zahlreicher Amateurastronomen.
So könnte das System TYC 2505-672-1 aussehen.
Bild: Jeremy Teaford /
Vanderbilt University [Großansicht] |
Es ist ein recht eigentümliches System, das Astronomen in rund 10.000
Lichtjahren Entfernung von der Erde aufgespürt haben und das gleich zwei neue
Rekorde aufstellt: TYC 2505-672-1 ist ein Bedeckungsveränderlicher mit der
längsten je beobachteten Bedeckungsdauer, die zudem auch noch die längste
bekannte Periode hat: Die eine Komponente des Systems verdeckt seinen Partner
alle 69 Jahre für lange 3,5 Jahre.
Bedeckungsveränderliche bestehen aus zwei einander umkreisenden Objekten, bei
denen ein Objekt das andere - von der Erde aus gesehen - regelmäßig verdunkelt.
Der bisherige Rekordhalter bei den Bedeckungsveränderlichen ist der Stern
Epsilon Aurigae: Hier wird ein Stern alle 27 Jahre für einen Zeitraum von 640 bis
730 Tagen etwas dunkler (astronews.com berichtete).
"Epsilon Aurigae ist uns deutlich näher und nur 2.200 Lichtjahre von der Erde
entfernt", erläutert Joey Rodriguez, ein Doktorand an der Vanderbilt University,
der sich mit TYC 2505-672-1 ausführlich beschäftigt hat. "Er ist zudem heller, weshalb ihn
Astronomen schon sehr genau untersucht haben." Bei Epsilon Aurigae wird
vermutlich ein gelber Riesenstern von einem normalen Stern umrundet, der von
einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist, bei der wir von der Erde fast genau
auf die Kante blicken.
"Eine der größten Herausforderungen der Astronomie ist es, dass sich viele
wichtigen Phänomene auf astronomischen Zeitskalen abspielen, Astronomen aber in
der Regel auf sehr viel kürzere, menschliche Zeitskalen beschränkt sind",
erläutert Keivan Stassun, Professor für Astronomie und Physik an der Vanderbilt
University. "Hier haben wir nun die seltene Gelegenheit, ein Phänomen zu
untersuchen, das über viele Jahrzehnte abläuft und uns einen Einblick in die
Umgebung von Sternen erlaubt, in der es die Bausteine für Planeten in einer sehr späten
Phase der stellaren Entwicklung geben könnte."
Die Entdeckung gelang nur durch die Auswertung unzähliger Beobachtungen aus ganz
verschiedenen Quellen. Eine wichtige Rolle spielte die Digitalisierung von
Fotoplatten von Beobachtungen, die Astronomen der Harvard University in der Zeit
zwischen 1890 und 1989 gemacht hatten. Der Astronomin Sumin Tang vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics fiel dabei ein
ungewöhnliches Verhalten von TYC 2505-672-1 auf und
sie stellte ihre Ergebnisse auf einer Tagung vor.
Den Vortrag hörte auch Rodriguez. Er war Mitglied eines Teams, das mit
den beiden robotischen Teleskopen des Kilodegree Extremley Little Telescope
(KELT) nach extrasolaren Planeten um helle Sterne sucht. Bei diesen
Beobachtungen, so der Verdacht des Doktoranden, könnten auch aktuelle Aufnahmen
von TYC 2505-672-1 gemacht worden sein. Er kontaktierte Tang und sie begannen, gemeinsam das Geheimnis von TYC 2505-672-1 zu
erforschen.
Rodriguez konnte in den KELT-Archiven tatsächlich rund 9.000 Beobachtungen von
TYC 2505-672-1 aufspüren und ergänzte diese mit den 1.432 Bildern von den alten
Harvard-Fotoplatten aus den letzten 100 Jahren. Außerdem kontaktierte er die
American Association of Variable Star Observers (AAVSO), eine
Vereinigung von professionellen Astronomen und Amateurastronomen, die sich mit
der Beobachtung von veränderlichen Sternen befasst. Die AAVSO konnte tatsächlich
zahlreiche Beobachtungen von TYC 2505-672-1 während der letzten Verdunklung zu
Beginn des Jahrzehnts beisteuern.
Die Analyse ergab, dass es sich bei TYC 2505-672-1 um ein System handeln muss,
das Epsilon Aurigae ähnlich ist, aber dennoch einige wichtige Unterschiede
aufweist: So dürfte es sich bei TYC 2505-672-1 um ein Paar aus zwei Roten
Riesensternen handeln. Von einem allerdings ist nur noch ein relativ kleiner
Kern übrig geblieben, der jedoch von einer sehr ausgedehnten Scheibe umgeben ist.
Diese Scheibe ist für die lange Bedeckung verantwortlich. "Die einzige Chance
diese sehr langen Bedeckungszeiten zu erhalten, ist eine ausgedehnte Scheibe aus
undurchsichtigem Material", so Rodriguez. "Nichts anderes ist groß genug, um das
Licht eines Sterns für mehrere Monate zu verdunkeln."
Wegen der großen Entfernung von
TYC 2505-672-1 liegen nicht viele Informationen über das System vor. Die
Forscher konnten aber ermitteln, dass der Begleitstern
eine Oberflächentemperatur hat, die 2.000 Grad über der der Sonne liegt. Da der
Stern nur etwa den halben Durchmesser der Sonne aufzuweisen scheint, kam den
Astronomen der Gedanke, dass es sich um einen Roten Riesen handeln könnte, dem
seine äußere Hülle verloren gegangen ist und deren Material sich dann in einer Scheibe
um den Stern gesammelt hat. Allerdings ist dies nur eine Vermutung.
Die lange Zeit zwischen zwei Bedeckungen lässt sich durch die große
Entfernung zwischen den beiden Partnern erklären. Sie dürfte etwa 20
Astronomische Einheiten, also das 20-Fache der Entfernung der Erde von der
Sonne, betragen. "Bislang können auch die leistungsstärksten Teleskope die
beiden Objekte nicht einzeln auflösen", so Rodriguez. "Hoffentlich wird der
technische Fortschritt es bis 2080 möglich machen, wenn sich die nächste
Bedeckung ereignen wird."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomical Journal erscheinen wird.
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