Gewaltiger Galaxienhaufen im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
5. November 2015
Mithilfe der Daten des Wide-field Infrared Survey Explorer
(WISE) und von Beobachtungen des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer haben
Astronomen einen gewaltigen Galaxienhaufen in großer Entfernung und damit im
jungen Universum aufgespürt. Er könnte zu den massereichsten Strukturen dieser
Art in der damaligen Zeit gezählt haben.
Der Galaxienhaufen MOO J1142+1527. Für diese
Ansicht wurden Infrarotdaten von Spitzer (rot)
mit Daten des Gemini-Teleskops im nahen Infrarot
und im sichtbaren Bereich des Lichts (grün und
blau) sowie mit CARMA-Radiobeobachtungen
(violett) kombiniert.
Bild: NASA / JPL-Caltech / Gemini / CARMA [Großansicht] |
Galaxienhaufen sind gewaltige Ansammlungen von Galaxien, die durch ihre
gegenseitige Anziehungskraft aneinander gebunden sind. Sie können
aus Tausenden von Galaxien bestehen, die dann wieder jeweils viele Milliarden
Sternen enthalten. Galaxienhaufen sind die größten gravitativ gebundenen
Strukturen im Universum und wachsen, indem sie neue Galaxien in sich aufnehmen.
Die Entwicklung von Galaxienhaufen ist daher für Astronomen, die sich für die
Entstehung der großräumigen Strukturen im heutigen Universum interessieren, von
großem Interesse. Sie versuchen daher, Galaxienhaufen in möglichst großer
Entfernung aufzuspüren. Diese sehen wir dann - wegen der endlichen Geschwindigkeit des Lichts
- zu einem Zeitpunkt, zu dem unser Universum noch deutlich jünger war. Der
jetzt entdeckte Galaxienhaufen, genannt Massive Overdense Object (MOO)
J1142+1527, existierte beispielsweise vor rund 8,5 Milliarden Jahren und damit
zu einer Zeit, in der es unser Sonnensystem noch gar nicht gab.
Bei der Beobachtung so ferner Objekte gibt es allerdings ein Problem: Durch
die Expansion des Universums wird das Licht zu längeren, roten Wellenlängen
hin gedehnt, so dass es schwierig wird, diese Galaxien im sichtbaren Bereich des
Lichts zu erkennen. Deswegen ist man auf Beobachtungen im Infraroten angewiesen.
Der Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) hat in den Jahren 2010 und 2011
eine gründliche Durchmusterung des gesamten Himmels im Infraroten durchgeführt
und dabei viele Millionen Objekte erfasst.
Astronomen haben diesen ungeheuren Datenbestand nun durchsucht, um darin
Objekte zu finden, bei denen es sich um entfernte Galaxienhaufen handeln könnte.
Die Auswahl fiel auf 200 besonderes interessante Infrarotquellen, die im Rahmen
des Projekts "Massive and Distant Clusters of WISE Survey" - abgekürzt MaDCoWS -
mithilfe des Weltraumteleskops Spitzer genauer untersucht werden sollten.
"Dank der Kombination von Spitzer und WISE können wir aus einer
Viertelmilliarde Objekten die massereichsten Galaxienhaufen am Himmel
herausfiltern", so Anthony Gonzalez von der University of Florida in Gainesville.
MOO J1142+1527 stellte sich dabei als eines der massereichsten Objekte heraus.
An den Keck-Teleskopen und dem Gemini-Teleskop auf Hawaii wurde die Entfernung
von MOO J1142+1527 auf 8,5 Milliarden Lichtjahre bestimmt. Mit Daten des Combined Array for Research in Millimeter-wave Astronomy (CARMA) ließ sich die
Masse des Haufens auf etwa eine Billiarde Sonnenmassen bestimmen - er ist damit
der massereichste Haufen, der bislang in dieser Epoche des Universums entdeckt
wurde.
Nach Ansicht der Astronomen könnte MOO J1142+1527 einer von nur wenigen so
massereichen Haufen sein, die es im frühen Universum gegeben hat. "Basierend auf
unserem Verständnis darüber, wie sich Galaxienhaufen seit Beginn des Universums
entwickelt haben, sollte dieser Haufen zu den fünf massereichsten Haufen in der
damaligen Zeit gehört haben", so Peter Eisenhardt, Projektwissenschaftler für
WISE am Jet Propulsion Laboratory der NASA.
Das Team plant nun, im kommenden Jahr 1.700 weitere Galaxienhaufen-Kandidaten
mit Spitzer unter die Lupe zu nehmen und nach den größten Vertretern zu suchen.
"Wenn wir die massereichsten Haufen gefunden haben, können wir damit beginnen,
die Entwicklung von Galaxien in diesen extremen Umgebungsbedingungen zu
untersuchen", so Gonzalez.
Über ihre Entdeckung berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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