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STERNENTSTEHUNGSGEBIETE
Sterngeburt dauert länger als gedacht
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
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18. November 2014

Mithilfe des Flugzeug-Infrarotobservatoriums SOFIA und des Radioteleskops APEX in der chilenischen Atacama-Wüste ist es Astronomen jetzt gelungen, das Alter eines Sternentstehungsgebiets in einer interstellaren Wolke genau zu bestimmen. Danach dauert die anfängliche Phase der Sternentstehung deutlich länger, als bislang angenommen.

GREAT

Das Ferninfrarot-Spektrometer GREAT ist auf der Gegenseite in der Druckkabine an den Teleskopflansch von SOFIA angeschlossen. Foto: GREAT-Team (R. Güsten)  [Großansicht]

Sterne wie unsere Sonne und ihre Planetensysteme bilden sich im Inneren von Wolken aus Gas und Staub. Die Entwicklung eines neuen Sterns beginnt mit der Kontraktion von bereits verdichtetem Material im Inneren einer solchen Wolke, durch die sich schließlich ein sogenannter Protostern bildet. Wie jedoch diese Entwicklung genau abläuft und auf welcher Zeitskala sich der Kollaps zu einem Protostern ereignet, ist nicht genau bekannt.

Strömt das Gas aufgrund der Schwerkraft beispielsweise im freien Fall Richtung Zentrum oder wird der Kollaps durch bestimmte Faktoren verlangsamt? "Da diese Entwicklung wesentlich mehr Zeit braucht, als die gesamte Geschichte der Menschheit, können wir sie nicht über den gesamten Ablauf hin verfolgen", sagt Sandra Brünken von der Universität zu Köln, die Erstautorin einer jetzt vorgestellten Untersuchung. "Stattdessen benötigen wir eine innere Uhr, um das Alter der jeweiligen Sternentstehungsregion bestimmen zu können."

Das Wasserstoffmolekül (H2), das mit Abstand häufigste Molekül im Weltraum, könnte als eine Art "chemische" innere Uhr dienen. Molekularer Wasserstoff tritt in zwei unterschiedlichen Formen auf, die als ortho- und para-Wasserstoff bezeichnet werden und sich durch die unterschiedliche Orientierung der Spins der beiden Wasserstoffkerne unterscheiden.

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In den dichten und kalten Molekülwolken, aus denen sich Sterne bilden, ändert sich die relative Häufigkeit der beiden Formen stetig mit der Zeit aufgrund von chemischen Austausch-Reaktionen. Deshalb kann das gemessene Häufigkeitsverhältnis als Maß dafür genommen werden, wie viel Zeit seit der Entstehung der Wasserstoffmoleküle, und damit auch der Molekülwolke selbst, verstrichen ist.

Leider ist es nicht möglich, H2 direkt in den sehr kalten interstellaren Brutstätten neuer Sterne nachzuweisen. Stattdessen kann aber die ionisierte Variante H2D+ beobachtet werden, bei der ein Deuterium-Kern (ein schweres Wasserstoff-Isotop) an das H2-Molekül angebunden ist. Tatsächlich emittieren und absorbieren die beiden ortho- und para-Formen von H2D+ Strahlung bei bestimmten charakteristischen Wellenlängen, wobei diese Spektrallinien mit unterschiedlichen Teleskopen nachgewiesen werden können.

"Wir wissen sowohl durch eigene Laborexperimente, als auch von der Theorie her, dass H2D+ eine sehr enge chemische Beziehung zu H2 hat", sagt Stephan Schlemmer von der Universität zu Köln, der diese Messungen vorgeschlagen hatte. "Zum ersten Mal konnten wir nun beide Varianten von H2D+ beobachten und dadurch indirekt das Verhältnis von ortho-H2 zu para-H2 bestimmen. Das Ablesen dieser chemischen Uhr ergibt ein Alter von mindestens einer Million Jahren für die Muttermolekülwolke, aus der sich zur Zeit sonnenähnliche Sterne entwickeln." Das Ergebnis steht damit im Widerspruch zu Theorien, die eine viel schnellere Entstehung der Sterne vorhersagen.

Die astronomischen Beobachtungen stellten eine große Herausforderung dar. Die entscheidende Spektrallinie des para-H2D+ liegt im Ferninfraroten bei einer Wellenlänge von 219 Mikrometern, bei der die Erdatmosphäre die eintretende Strahlung nahezu komplett verschluckt. "Der erste eindeutige Nachweis war nur möglich durch die einzigartigen Qualitäten unseres GREAT-Instruments an Bord des Flugzeug-Observatoriums SOFIA", sagt Jürgen Stutzki, dessen Forschungsabteilung an der Universität zu Köln am Bau von GREAT maßgeblich beteiligt war.

SOFIA, eine umgebaute Boeing 747, beherbergt ein 2,7 Meter großes Teleskop und kann in Höhen bis zu 14 Kilometern fliegen, weit oberhalb der absorbierenden Schichten der Erdatmosphäre. Das Forscherteam hat die entsprechende Spektrallinie des ortho-H2D+ bei Millimeter-Wellenlängen mit dem APEX-Teleskop (Atacama Pathfinder Experiment) beobachtet, das in 5.100 Metern Höhe in den chilenischen Anden steht.

"Es ist phantastisch, diese Synergie zwischen beiden Teleskopen zu sehen", sagt Karl Menten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der Leiter des APEX-Projekts. Das Alter der hier untersuchten Sternentstehungsregion, die sich im Sternbild Schlangenträger in etwa 400 Lichtjahren Entfernung befindet, wurde dadurch bestimmt, dass die beobachteten Spektraldaten von beiden Teleskopen mit detaillierten Computersimulationen zur zeitlichen Entwicklung der Chemie verglichen wurden.

"Die Simulationen haben uns einen genauen Einblick in das Uhrwerk unserer H2D+-Uhr ermöglicht", erklärt Jorma Harju von der Universität Helsinki. "Wir konnten zeigen, dass diese neue chemische Uhr wesentlich genauer geht, als alle anderen bisher verwendeten Uhren. Und was noch wichtiger ist, sie funktioniert auch dann noch, wenn alle anderen Uhren ihren Gang längst eingestellt haben." Das Forscherteam ist daher überzeugt, dass die neue Methode auch bei der Altersbestimmung von weiteren stellaren Geburtsstätten von großem Nutzen sein wird.

Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen jetzt in einem Fachartikel in der Wissenschaftszeitschrift Nature.

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siehe auch
SOFIA: GREAT entdeckt zwei neue Moleküle im All - 10. Mai 2012
SOFIA: Erster Wissenschaftsflug mit GREAT - 7. April 2011
SOFIA: Erster Wissenschaftsflug der fliegenden Sternwarte - 2. Dezember 2010
SOFIA: "First Light" für Teleskop im Jumbojet - 28. Mai 2010
SOFIA: Mit GREAT auf der Jagd nach jungen Sternen - 9. Januar 2009
Links im WWW
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
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