Planetenentstehung in Mehrfachsystem?
von Stefan Deiters astronews.com
29. Oktober 2014
Etwa die Hälfte aller sonnenähnlichen Sterne werden als Teil
eines Doppelsternsystems geboren. Von daher ist es natürlich von besonderem
Interesse, ob und wie in solchen Systemen Planeten entstehen. Mithilfe von ALMA,
einem Verbund von Radioteleskopen in der chilenischen Atacamawüste, gelangen
Astronomen nun faszinierende Beobachtungen im Mehrfachsystem GG Tauri.
So könnten das System GG Tauri-A aussehen.
Bild: ESO/L. Calçada [Großansicht] |
Unsere Sonne ist ein Einzelgänger, doch ist dies in der Milchstraße nicht
unbedingt die Regel. Astronomen schätzen, dass etwa die Hälfte aller
sonnenähnlichen Sterne in einem Doppelsternsystem geboren werden. Die Entstehung
von Planeten in solchen Systemen gilt zwar nicht als unmöglich, dürfte aber
unter anderen Bedingungen ablaufen als um einen einzelnen Stern.
Beobachtungen
von jungen Doppelsternen und eventuell um sie vorhandenen Gas- und Staubscheiben
liefern den Wissenschaftlern daher wichtige Informationen über die Entstehung
von Planetensystemen und auch für die Suche nach Planeten.
Anne Dutrey vom Laboratoire d'Astrophysique de Bordeaux
in Frankreich hat mit ihrem Team das Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA), einen Verbund von Radioteleskopen in der chilenischen Atacamawüste,
genutzt, um die Verteilung von Gas und Staub um das Mehrfachsystem GG Tauri-A zu
beobachten. Es ist lediglich einige wenige Millionen Jahre alt und liegt rund
450 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Stier.
GG Tauri-A ist als Gesamtsystem von einer großen Scheibe aus Gas und Staub
umgeben. Der Hauptstern des Systems verfügt noch einmal zusätzlich über eine
Staubscheibe, deren Masse in etwa der Masse des Gasriesen Jupiter in unserem
Sonnensystem entspricht. Dass es sie überhaupt gibt, hat die Astronomen lange
Zeit verblüfft: Offenbar "regnet" nämlich Material aus dieser Scheibe ständig
auf den Hauptstern herab - und dies mit einer Rate, die sie eigentlich schon
längst hätte verschwinden lassen müssen.
Mit ALMA entdeckten die Astronomen nun aber Gasklumpen, die sich zwischen den
beiden Scheiben befinden. Dies deutet darauf hin, dass Material von der äußeren
Scheibe zur inneren Scheibe transferiert werden kann und dieser Fluss von
Material die innere Scheibe praktisch am Leben hält.
"Material, das durch den leeren Bereich strömt, war von Computersimulationen
vorhergesagt worden, wurde aber bislang in keiner Beobachtung auch tatsächlich
gesehen", so Dutrey. "Die Entdeckung dieser Klumpen spricht dafür, dass sich
Material zwischen den Scheiben bewegt und die eine Scheibe die andere ernährt.
Die Beobachtungen zeigen, dass Material einer äußeren Scheibe eine innere
Scheibe für lange Zeit am Leben halten kann. Dies hat eine enorme Bedeutung für
die mögliche Entstehung von Planeten."
Planeten entstehen nämlich genau in solchen Scheiben aus Gas und Staub, die
von der Geburt eines Sterns übrigbleiben. Die Entstehung von Planeten
erfordert es allerdings, dass die Scheiben auch für einige Zeit
stabil existieren können. Sollte es den Mechanismus, der nun mit ALMA in GG Tauri-A entdeckt wurde, auch in anderen Mehrfachsystemen geben, würde dies eine
deutlich höhere Zahl von Systemen bedeuten, bei denen sich eine Suche nach Planeten
lohnen könnte.
Bei der Suche nach extrasolaren Planeten hatte man sich anfangs vor allem auf
Einzelsterne konzentriert, weil die Bedingungen in Doppelsternsystemen den
Astronomen als zu turbulent erschienen, um hier die Entstehung von Planeten zu
erlauben. Beobachtungen haben aber inzwischen gezeigt, dass es auch in solchen
Systemen Planeten gibt. Die neuen Beobachtungen deuten darauf hin, dass sich
auch um einzelne Komponenten von Mehrfachsystemen Planeten bilden könnten.
GG Tauri-A ist Teil eines noch komplexeren Systems, das als GG Tauri bekannt
ist. Man hielt es zunächst für ein Vierfachsystem, entdeckte aber unlängst, dass
einer der Sterne von GG Tauri-A, nämlich der Stern ohne Staubscheibe, selbst ein sehr
enger Doppelstern ist, der also aus den Komponenten GG Tauri-Ab1 und GG Tauri-Ab2
besteht. Es gibt also nunmehr fünf Sterne in GG Tauri.
Die Astronomen berichten über ihre Untersuchung in der morgen erscheinenden
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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