Mysteriöser Radioblitz im Fuhrmann
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
10. Juli 2014
Astronomen haben mit dem weltgrößten Radioteleskop in
Arecibo einen mysteriösen Radioblitz im Sternbild Fuhrmann registriert. Bislang
waren solche Blitze nur mit einem einzigen Radioteleskop in Australien entdeckt
worden, so dass manche Forscher schon Zweifel an der extragalaktischen Natur der
Blitze hatten. Um was es sich bei diesen Blitzen handelt, wissen sie allerdings
noch immer nicht.
Das
305-Meter-Arecibo-Radioteleskop, in einem
natürlichen Tal auf der Insel Puerto Rico
gelegen.
Foto: NAIC
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Schnelle Radiostrahlungsausbrüche oder Radioblitze (im Englischen Fast
Radio Bursts, kurz FRBs genannt) sind Kurzzeit-Phänomene von nur einigen
Millisekunden Dauer. Wissenschaftler am Parkes-Observatorium in
Australien hatten solche Ereignisse zum allerersten Mal aufgezeichnet. Die
Tatsache, dass entsprechende Ergebnisse mit keinem anderen Teleskop der Erde
bestätigt werden konnten, führte zwischenzeitlich zu der Vermutung, dass das
australische Teleskop Signale von Quellen auf der Erde oder in ihrer
unmittelbaren Umgebung aufgezeichnet haben könnte.
Jetzt allerdings ist mit dem Arecibo-Teleskop der erste Nachweis
eines Radioblitzes gelungen, der nicht auf Beobachtungen mit dem Parkes-Radioteleskop
zurückgeht. Die Position des neuen Radiostrahlungsausbruchs liegt in Richtung
des Sternbilds Fuhrmann am nördlichen Sternhimmel.
"Statistisch gesehen sollte es nur sieben Ausbrüche pro Minute über den
ganzen Himmel verteilt geben; es gehört also schon eine Menge Glück dazu, dass
man sein Teleskop zur richtigen Zeit auf die richtige Position am Himmel
ausrichtet", erläutert Laura Spitler vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie
(MPIfR) in Bonn. "Sowohl die Eigenschaften unseres mit dem Arecibo-Teleskop
gefundenen Radioblitzes wie auch die daraus abgeleitete Häufigkeit des
Auftretens solcher Ereignisse stimmen sehr schön mit dem überein, was wir aus
den vorher bereits mit Parkes beobachteten Ausbrüchen abgeleitet
haben."
"Unser Forschungsergebnis ist vor allem deshalb so wichtig, weil es auch den
letzten Zweifel ausräumt, dass diese Radioblitze wirklich aus den Tiefen des
Universums stammen", ergänzt Victoria Kaspi, Professorin für Astrophysik an der
McGill-Universität in Montreal und leitende Wissenschaftlerin des
Pulsarbeobachtungsprojekts, in dessen Rahmen der Radioausbruch entdeckt wurde.
"Die Radiosignale zeigen alle Anzeichen, dass sie tatsächlich weit außerhalb
unserer Milchstraße erzeugt wurden – das ist eine sehr aufregende Entdeckung."
Wie genau diese Radioblitze entstehen, stellt im Moment noch ein größeres
Rätsel für die Astrophysik dar. Die Vermutungen kreisen um eine Reihe von
exotischen astrophysikalischen Phänomenen wie zum Beispiel verdampfende Schwarze
Löcher, miteinander verschmelzende Neutronensterne oder Strahlungsausbrüche auf
Magnetaren, also auf Neutronensternen mit extrem hohen Magnetfeldern. "Eine
andere Möglichkeit wäre ein Phänomen wie die bei manchen Pulsaren beobachteten
Riesenpulse, aber mit einer wesentlich höheren Helligkeit", bemerkt James
Cordes, Professor für Astronomie an der Cornell University.
Der ungewöhnliche Strahlungsausbruch wurde am 2. November 2012 mit dem
Arecibo-Observatorium beobachtet, mit einem Spiegel von 305 Metern
Durchmesser und einer Fläche von rund acht Hektar der größte und empfindlichsten
Radioreflektor der Erde. Während die Radioblitze nur einige Millisekunden
andauern und bisher kaum jemals entdeckt werden konnten, bestätigen die neuen
Beobachtungen statistische Annahmen, dass es rund 10.000 dieser ungewöhnlichen
kosmischen Ereignisse pro Tag, verteilt über den ganzen Himmel, geben sollte.
Die erstaunlich große Anzahl ergibt sich aus Berechnungen, ein wie großer Teil
des Himmels wie lange beobachtet wurde, um die bisherigen wenigen Entdeckungen
zu erhalten.
Die Radioblitze stammen aus einem Bereich weit außerhalb unserer Milchstraße,
wie aus der Messung eines als Plasmadispersion bekannten Effekts abgeleitet
werden kann. Dabei kann man Signale, die über größere Strecken durch das
Universum laufen, von künstlichen, auf der Erde erzeugten Signalen durch den
Einfluss von interstellaren Elektronen unterscheiden. Sie führen dazu, dass die
Ausbreitungsgeschwindigkeit der Radiowellen bei niedrigeren Radiofrequenzen
abnimmt. Bei den mit dem Arecibo-Teleskop entdeckten Strahlungsausbruch
ist die Dispersion dreimal größer als man von einer Quelle mit Ursprung in
unserer Milchstraße maximal erwarten könnte.
Die Entdeckung erfolgte im Rahmen von Beobachtungen für das "Pulsar Arecibo
L-Band Feed Array" (PALFA) Projekt. Damit wird eine große Anzahl von neuen
Pulsaren entdeckt, darunter seltene spezielle Pulsarsysteme zur Erforschung von
fundamentalen Eigenschaften von Neutronensternen und zum Test von Theorien der
Gravitationsphysik. Die Suche nach schnellen Radiostrahlungsausbrüchen hat sich
zu einem vorrangigen Projekt für derzeitige und künftige Radio-Observatorien
entwickelt.
"Unser Radioteleskop in Effelsberg hat großes Potential, um noch eine Menge
dieser Ausbrüche zu entdecken", blickt Spitler in die Zukunft. "Wir sind uns
sicher, dass eine Reihe davon bereits jetzt in den Archivdaten von
Radio-Pulsar-Durchmusterungen mit dem 100-Meter-Teleskop stecken und wir
arbeiten hart daran, ein Softwaresystem zu entwickeln, das diese Ausbrüche
bereits in Echtzeit entdecken kann. Die Echtzeit-Entdeckungen bedeuten einen
wichtigen Schritt vorwärts, da wir Folgebeobachtungen mit Instrumenten bei
anderen Beobachtungsfrequenzen direkt anschließen können. Sie werden
entscheidend dazu beitragen, das Rätsel zu entschlüsseln."
Die Astronomen berichten über ihre Entdeckung heute online in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
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