Neue Messungen des Higgs-Teilchens
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Zürich astronews.com
23. Juni 2014
Durch Auswertung von Daten des CMS-Experiments am Large
Hadron Collider des CERN haben Wissenschaftler weitere Hinweise dafür
gefunden, dass sich das 2012 entdeckte Teilchen tatsächlich so verhält, wie von
der Standardtheorie der Physiker für das Higgs-Teilchen vorausgesagt. Die
Forscher konnten nämlich erstmals seinen direkten Zerfall in zwei Fermionen
nachweisen.
Simulation des
Zerfalls eines Higgs-Teilchens im CMS-Experiment
am Large Hadron Collider am CERN in Genf.
Bild: CERN |
Wissenschaftlern des CMS-Experiments am Large Hadron Collider (LHC)
am CERN in Genf ist es erstmals gelungen, den direkten Zerfall des Higgs-Teilchens
in Fermionen nachzuweisen. Bisher konnte das Higgs-Teilchen erst durch den
Zerfall in Bosonen nachgewiesen werden.
"Wir sind damit einen wichtigen Schritt weiter gekommen", erklärt Prof.
Vincenzo Chiochia vom Physik-Institut der Universität Zürich, dessen Gruppe an
der Auswertung der Daten mitgearbeitet hat. "Wir wissen nun, dass das Higgs-Teilchen
sowohl in Bosonen, wie auch in Fermionen zerfallen kann. Damit können wir
gewisse Theorien ausschließen, die davon ausgingen, dass das Higgs-Teilchen nur
in bestimmte Arten von Teilchen zerfällt."
Die Fermionen bilden als eine Gruppe der Elementarteilchen die Materie,
während Bosonen als Träger von Kräften zwischen den Fermionen vermitteln. Gemäß
des Standardmodells der Teilchenphysik muss sich die Stärke der Wechselwirkung
der Fermionen mit dem Higgs-Feld proportional zu ihrer Masse verhalten. "Diese
Voraussage wurde bestätigt", so Chiochia. "Dies ist ein starker Hinweis darauf,
dass sich das 2012 entdeckte Teilchen tatsächlich wie das in der Theorie
postulierte Higgs-Teilchen verhält."
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler die Daten, die von 2011 bis
2012 am Large Hadron Collider gesammelt wurden. Sie kombinierten dabei die Auswertungen zu
Zerfällen des Higgs-Teilchens in Bottom-Quarks und in Tau-Leptonen, die beide
zur Teilchen-Gruppe der Fermionen gehören.
Die Ergebnisse zeigen, dass es im
Masse-Bereich des Higgs-Teilchens von 125 Gigaelektronenvolt (GeV) zu einer
Häufung dieser Zerfälle kommt, und zwar mit einer Signifikanz von 3,8 Sigma. Das
heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass die Häufung allein auf Grund zufälliger
Hintergrundprozesse zustande kommt, liegt bei etwa eins zu 14.000. In der
Teilchenphysik geht man ab einer Signifikanz von fünf Sigma von einer bestätigten
Entdeckung aus.
Untersucht wurden drei verschiedene Zerfallsprozesse, wobei in Zürich der
Zerfall des Higgs-Teilchens in Taus analysierte. Weil das Higgs-Teilchen extrem
kurzlebig ist, kann es nicht direkt, sondern nur durch seine Zerfallsprodukte
nachgewiesen werden. Die Bottom-Quarks und Taus haben eine genügend lange
Lebensdauer, um im Pixel-Detektor des CMS-Experiments direkt gemessen werden zu
können.
Der CMS-Detektor am Large Hadron Collider misst mit sehr hoher
Genauigkeit die Energie und den Impuls von Photonen, Elektronen, Myonen und
anderen geladenen Partikeln. Innerhalb des 12.500 Tonnen schweren Detektors sind
verschiedene Messinstrumente in Lagen angeordnet. Am Bau und Betrieb des
CMS-Detektors sind weltweit 179 Institutionen beteiligt.
Die Theorie über das Higgs-Teilchen ist ein zentraler Bestandteil des
sogenannten Standardmodells der Teilchenphysiker, das den fundamentalen Aufbau
unserer Welt beschreibt. Die Theorie war im vergangenen Jahr mit dem
Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Entdeckung eines Partikels, bei dem
es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um das Higgs-Teilchen handelt, war 2012 am
CERN gelungen.
Die Wissenschaftler haben inzwischen die Daten der ersten Betriebsphase des
Large Hadron Colliders in Sachen Higgs-Teilchen nahezu vollständig
ausgewertet. Sie warten daher gespannt auf die Wiederinbetriebnahme des
Beschleunigers für eine weitere dreijährige Experimentierphase. Die Vorbereitungen dafür
laufen bereits, mit dem Beginn des Betriebs ist Anfang 2015 zu rechnen.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher jetzt in der Wissenschaftszeitschrift
Nature Physics.
|