Pulsar mit einem außergewöhnlichen Jet
von Stefan Deiters astronews.com
19. Februar 2014
Mithilfe des Weltraumteleskops Chandra haben Astronomen
einen Pulsar untersucht, der sich mit hoher Geschwindigkeit vom Ort einer
Supernova-Explosion entfernt und gleichzeitig einen rekordverdächtig langen Jet,
also einen gebündelten Partikelstrahl, ins All schießt. Der Jet hat eine Länge
von rund 37 Lichtjahren und ist zudem eigentümlich verdreht.
Blick auf
Supernova-Überrest (oben links) und den Pulsar
samt Jet (unten rechts). Die Chandra-Daten auf
diesem aus Beobachtungen in verschiedenen
Wellenlängen zusammengesetzten Bild sind lila dargestellt.
Bild: NASA/CXC/ISDC/L.Pavan et al.
(Röntgen), CSIRO/ATNF/ATCA (Radio), 2MASS/UMass/IPAC-Caltech/NASA/NSF
(optisch)
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Astronomen konnten mit dem NASA-Weltraumteleskop Chandra nun ein
ganz besonderes Objekt näher untersuchen: Mithilfe des im Röntgenbereich
empfindlichen Teleskops und weiterer Instrumente studierten sie einen Pulsar, der sich mit hoher
Geschwindigkeit vom Ort einer Supernova entfernt und gleichzeitig einen
rekordverdächtig langen Jet, also einen eng gebündelten Partikelstrahl, ins All
schießt.
Der Pulsar trägt die Bezeichnung IGR J1104-6103 und wurde ursprünglich mit
dem europäischen Satelliten Integral aufgespürt. Er befindet sich rund 60
Lichtjahre vom Supernova-Überrest MSH 11-61A entfernt und liegt im Sternbild Kiel des Schiffs
in einer Entfernung von etwa 23.000 Lichtjahren. Die Geschwindigkeit des Pulsars
schätzen die Astronomen auf vier bis acht Millionen Kilometer pro Stunde,
womit IGR J1104-6103 einer der schnellsten Pulsare wäre, die man bislang
beobachtet hat.
Bei Pulsaren handelt es sich um schnell rotierende Neutronensterne. Letztere
wiederum entstehen, wenn ein massereicher Stern am Ende seines stellaren Lebens
kollabiert und in einer Supernova explodiert. Während bei massereicheren Sonnen
ein Schwarzes Loch zurückbleibt, kann bei masseärmeren Exemplaren ein
Neutronenstern entstehen.
"Wir haben noch nie ein Objekt gesehen, das sich so schnell bewegt und dabei
auch noch einen Jet erzeugt", zeigt sich Lucia Pavan von der Universität in Genf
begeistert über den Pulsar. "Nur zum Vergleich: Der Jet ist fast zehnmal so
lang, wie die Strecke zwischen der Sonne und dem sonnennächsten Stern."
Der im Röntgenbereich sichtbare Jet von IGR J1104-6103 ist dann auch der
längste gebündelte Teilchenstrahl, den man in der Milchstraße kennt. Er scheint
zudem auch noch auf eigentümliche Weise verbogen zu sein, was auch eine
Taumelbewegung des um seine Achse rotierenden Neutronensterns hindeutet.
Bei IGR J1104-6103 ist noch ein weiteres Phänomen zu beobachten, nämlich eine
Wolke aus hochenergetischen Partikeln, die für einen kometenähnlichen Schweif
sorgt. Solche sogenannten Pulsarwindnebel wurden bereits früher beobachtet, doch
zeigen die Daten von Chandra, dass Nebel und Jet in diesem Fall nahezu senkrecht
aufeinander stehen.
"Wir können - basierend auf Form und Richtung des Pulsarwindnebels - erkennen,
dass der Pulsar sich direkt aus dem Zentrum der Supernova fortbewegt", so
Teammitglied Pol Bordas von der Universität Tübingen. "Die Frage, die sich damit
stellt ist, wieso der Jet nun gerade in diese andere Richtung zeigt."
Normalerweise zeigen Rotationsachse und Jets bei einem Pulsar in die Richtung, in der sich der Pulsar bewegt, doch bei IGR J1104-6103 stehen offenbar
Bewegungsrichtung und Drehachse praktisch im rechten Winkel zueinander. "Wir
haben hier einen Pulsar, der sich in eine Richtung bewegt und einen Jet, der in
die andere Richtung zeigt. Dies könnte uns Hinweise auf die exotische Physik
liefern, zu der es kommen kann, wenn Sterne kollabieren", vermutet der Tübinger
Wissenschaftler Gerd Pühlhofer.
"Aktuelle Erklärungen für das, was wir sehen, sind ziemlich exotisch. In
früheren Arbeiten wurde ein extrem schnell rotierender Eisenkern kurz vor der
Explosion des Vor-Supernovasterns als Ursache für einen
Hochgeschwindigkeitspulsar mit verkippter Drehachse vorgeschlagen, aber das
Modell scheint nicht allgemein akzeptiert zu sein", so Pühlhofer. Ein anderes
mögliches Szenario sei eine spezielle Supernova, die es aber nicht ganz zu einer
extremen Explosion mit einem sogenannten Gamma-Ray-Burst geschafft hat.
Über ihre Untersuchungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel,
der gestern in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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