Das Wachstum eines Giganten
von Stefan Deiters astronews.com
20. September 2013
Mithilfe der Röntgen-Weltraumteleskope Chandra und
XMM-Newton haben Astronomen jetzt gewaltige längliche Strukturen aus
heißem Gas im Coma-Galaxienhaufen aufgespürt. Sie haben eine Länge von
mindestens einer halben Million Lichtjahren und könnten erklären helfen, wie
diese gewaltige Ansammlung von Galaxien entstanden ist.
Blick auf den Coma-Galaxienhaufen.
Chandra-Daten sind rosa dargestellt. Die beiden
elliptischen Riesengalaxien im Zentrum des
Haufens sind in der Bildmitte zu sehen.
Bild: NASA / CXC / MPE / J. Sanders et al
(Röntgen), SDSS (Optisch) [Großansicht] |
Der Coma-Galaxienhaufen im Sternbild Haar der Berenike (lateinischer Name
Coma Berenices) gehört mit zu den größten Strukturen im Universum, die von
ihrer gegenseitigen gravitativen Anziehungskraft zusammengehalten werden. Es
handelt sich um eine gewaltige Ansammlung von Galaxien in einer Entfernung von
etwa 320 Millionen Lichtjahren von der Erde.
Ein jetzt veröffentlichtes Bild des Galaxienhaufens zeigt die Röntgendaten
von Chandra in rosa über einer Aufnahme der Region, die im sichtbaren
Bereich des Lichts gewonnen wurde und aus dem Sloan Digital Sky Survey
stammt. Im Röntgenbereich sind hier deutlich längliche Strukturen auszumachen,
bei denen es sich um Arme aus mehrere Millionen Grad heißem Gas handelt.
Die Masse der im sichtbaren Bereich erkennbaren Galaxien macht dabei nur
ungefähr ein Sechstel der Masse des heißen Gases aus. Auf dem Bild ist nur das
heißeste Gas dargestellt. Auf diese Weise sind die Arme besser zu erkennen.
Heißes Gas befindet sich aber im gesamten Galaxienhaufen.
Der Coma-Galaxienhaufen unterscheidet sich von anderen Galaxienhaufen vor
allem dadurch, dass sich in der Nähe seines Zentrums nicht nur eine, sondern
zwei elliptische Riesengalaxien befinden. Es könnte sich bei ihnen um die
Überreste von den zwei größten Galaxienhaufen handeln, die in der Vergangenheit
mit dem Coma-Galaxienhaufen verschmolzen sind.
Auch die länglichen Arme aus heißem Gas sind nach Ansicht der Astronomen
entstanden, als kleinere Galaxienhaufen durch das heiße Gas des Coma-Galaxienhaufens
geflogen sind und diesen Haufen dabei das Gas entrissen wurde. Die
Wissenschaftler haben bei ihren Beobachtungen auch noch weitere Hinweise auf
Kollisionen und Verschmelzungen im Coma-Galaxienhaufen entdeckt.
Die genauere Untersuchung der länglichen Gasstrukturen ergab, dass sie
vermutlich etwa 300 Millionen Jahre alt sind und eine verhältnismäßig glatte
Form haben. Dies erlaubt den Astronomen Rückschlüsse auf die Eigenschaften des
heißen Gases im Coma-Galaxienhaufen.
Die meisten theoretischen Modelle sagen voraus, dass das heiße Gas nach den
zahlreichen Verschmelzungen von Galaxienhaufen dort sehr turbulent sein müsste -
ganz ähnlich wie Wasser, durch das gerade zahlreiche Schiffe gefahren sind. Das
Aussehen der Gasarme deutet aber nun darauf hin, dass das heiße Gas nur sehr
wenig Turbulenzen zeigt - trotz der zahlreichen Verschmelzungen. Für die im Coma-Galaxienhaufen
sichtbaren Turbulenzen dürften großräumige Magnetfelder verantwortlich sein.
Zwei der entdeckten Arme scheinen mit einer Gruppe von Galaxien in Verbindung
zu stehen, die sich etwa zwei Millionen Lichtjahre vom Zentrum des Coma-Galaxienhaufens
befindet. Auch scheint mindestens einer dieser Arme mit einer anderen größeren
Struktur verbunden zu sein, die mindestens 1,5 Millionen Lichtjahre misst und in
den Daten des europäischen Röntgen-Weltraumteleskop XMM-Newton zu
erkennen ist.
Hinter einer Galaxie des Galaxienhaufens entdeckten die Wissenschaftler zudem
einen dünnen Schweif aus heißem Gas. Sie vermuten, dass es sich hierbei um Gas
handelt, das aus einer einzelnen Galaxie herausgerissen wurde.
Die neuen Daten aus dem Coma-Galaxienhaufen sollten den Forschern helfen,
mehr über das Wchstum von Galaxienhaufen zu erfahren. Über ihre Beobachtungen
berichten sie in der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Science.
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