Kollisionen zur Asteroidenablenkung
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft astronews.com
3. September 2013
Die Explosion eines Brockens aus dem All über der russischen
Stadt Tscheljabinsk hat es Anfang des Jahres wieder gezeigt: Noch immer könnte die
Erde von einem Asteroiden getroffen werden. Astronomen suchen daher nach
Möglichkeiten, potentiell gefährliche Objekte abzulenken. In Freiburg beschießt
man dazu Proben mit kleinen Aluminiumkugeln - mit teils überraschenden
Ergebnissen.
Durch
rechtzeitige Ablenkung könnte man den Einschlag
eines Asteroiden auf der Erde verhindern.
Bild: Don Davis |
Die Erde vor etwa 65 Millionen Jahren: Tsunamis fegen über den Planeten, eine
riesige Staubwolke verdunkelt den Himmel, saurer Regen geht auf Tiere und
Pflanzen nieder. Für mehr als 50 Prozent aller Gattungen beginnt ein
schleichender Niedergang. Auch die Dinosaurier werden diese apokalyptische
Katastrophe nicht überleben.
Auslöser war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein etwa zehn Kilometer
durchmessender Asteroid, der im heutigen Golf von Mexiko einschlug und einen
mindestens 170 Kilometer großen Krater in die Erdoberfläche bohrte. Ein aus
heutiger Sicht unvorstellbares Szenario? Astronomen haben bislang fast 10.000
Asteroiden identifiziert, die der Erde sehr nahe kommen können - und es werden
immer mehr. Erst im Februar verletzte ein Meteorit fast 1.500 Menschen, als er
über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk explodierte. Er hatte einen
Durchmesser von etwa 20 Metern und eine Masse von rund 10.000 Tonnen (astronews.com
berichtete).
Frank Schäfer vom Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik,
Ernst-Mach-Institut, EMI in Freiburg beschäftigt sich mit deutlich größeren
Brocken: Der Forscher hat die mittelgroßen Asteroiden mit einem Durchmesser von
100 bis zu 300 Metern im Visier. Prallen Brocken dieser Größe auf die Erde,
können sie einzelne Städte oder ganze Regionen auslöschen. Die Wissenschaftler
haben nun in ersten Modellversuchen im Labor gezeigt, dass es möglich ist, die
Asteroiden durch den Aufprall einer schweren Masse mit hoher Geschwindigkeit -
zum Beispiel einer großen Raumsonde - aus der Bahn zu werfen.
Das Prinzip beim Zusammenstoß ist ähnlich wie beim Billard: Trifft eine Kugel
auf die andere, ändert diese ihre Bahn. "Die Raumsonde überträgt beim Aufprall
auf den Asteroiden nicht nur ihren eigenen Impuls. Hinzu kommt der Rückstoß
durch die - entgegen der Einschlagrichtung - ausgeschleuderte Kratermasse",
beschreibt Schäfer eines der wesentlichen Testergebnisse. "Dieser Rückstoßeffekt
wirkt wie ein Turbolader auf die Ablenkung des Asteroiden." Die Versuche haben
gezeigt, dass der übertragene Impuls durch diesen Effekt bis zu viermal größer
ist, als das mit der Raumsonde alleine der Fall wäre.
Um dies genauer zu untersuchen, hängen die Forscher unterschiedliche
Materialien mit asteroidenähnlichen Eigenschaften aus dichtem Quarzit, porösem
Sandstein oder luftigem Beton an ein Pendel und beschießen diese mit kleinen
Aluminiumprojektilen. Dabei stellten sie fest, dass der Impulstransfer geringer
wird, je poröser das Asteroidengestein ist. Die Beschusstaktik ist also
besonders effizient für dichte, schwere Himmelskörper.
Bis zu zehn Kilometer pro Sekunde sind die Geschosse im Labor schnell und
können damit die anvisierte Aufprallgeschwindigkeit erreichen, die sich die
Forscher für eine zukünftige Mission wünschen. Um den Impulsübertrag und damit
die Effizienz des Aufpralls nachzuweisen, messen die Forscher mit Hilfe von
Hochgeschwindigkeitskameras und Laserinterferometern den Ausschlag des Pendels.
"In einem realen Fall würde der Einschlag einer Raumsonde die Geschwindigkeit
des Asteroiden nur um wenige Zentimeter pro Sekunde ändern. Das reicht jedoch
aus, dessen Bahn langsam aber im Lauf der Zeit signifikant abzulenken.
Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde muss man daher schon Jahre vorher
beschießen, um einen möglichen Zusammenstoß abzuwenden", erklärt Schäfer.
Der Pendeltest ist Teil des von der EU geförderten Weltraumprojekts
NEOShield, das Alan Harris vom Institut für Planetenforschung des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) koordiniert. Hier arbeiten Spezialisten
aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, USA und Russland an Wegen,
die Erde vor Objekten zu schützen, die der Erde zu nahe kommen könnten (astronews.com
berichtete).
Eines der Ziele ist es, bis Mitte 2015 eine Weltraummission zu planen, bei
der tatsächlich ein Asteroid abgelenkt werden kann. Versuchsobjekte dafür gehen
den Spezialisten nicht aus: Allein im September verzeichnet eine Liste der
amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA über 20 vergleichsweise dichte
Annäherungen von Asteroiden an die Erde. Grund zur Sorge besteht dabei
allerdings nicht: Am nächsten wird uns Mitte des Monats der Asteroid 2008 HB38
kommen. Er ist bei seinem Vorüberflug aber noch immer knapp fünf Millionen
Kilometer von der Erde entfernt.
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