Der Schweif unseres Sonnensystems
von Stefan Deiters astronews.com
15. Juli 2013
Mithilfe des Interstellar Boundary Explorer (IBEX) der NASA ist es Astronomen nun erstmals gelungen, den Schweif unseres Sonnensystems zu kartieren.
Er entsteht durch die Bewegung des Sonnensystems durch das interstellare Medium.
Möglich wurde dies durch die Erfassung von neutralen Atomen, die die Heliosphäre
durchlaufen.
Blick von IBEX
in den Schweif des Sonnensystems. Gelbe und rote
Bereiche stehen für Regionen mit langsamen
Partikeln, blaue Bereiche für Regionen mit
schnellen Partikeln.
Bild: NASA/IBEX |
Dass auch unser Sonnensystem über einen kometenähnlichen Schweif verfügt, hatten Astronomen schon länger vermutet:
Bei anderen Sternen war ein solcher Schweif nämlich bereits beobachtet worden. Er entsteht, wenn sich ein Objekt durch ein anderes Medium bewegt. Im Falle unseres Sonnensystem bewegt sich die Heliosphäre, also die Region rund um die Sonne, die vom Sonnenwind dominiert wird, durch das interstellare Medium
zwischen den Sternen der Galaxie. Der Schweif unseres Sonnensystems konnte jedoch bislang noch nie beobachtet werden.
Mithilfe des Interstellar Boundary Explorer (IBEX) der NASA ist Wissenschaftlern nun
aber ein erster Blick auf diesen Schweif gelungen.
Entscheidend war dabei die Erfassung neutraler Atome: "Durch die Betrachtung von neutralen Atomen konnte IBEX die ersten Beobachtungen des Schweifs der Heliosphäre machen", freut sich David McComas, der verantwortliche Wissenschaftler für IBEX am
Southwest Research Institute im texanischen San Antonio.
"Viele Modelle haben darauf hingedeutet, dass es einen Schweif dieser oder jener
Art gibt, doch hatten wir keine Beobachtungen. Wir haben immer Bilder gemalt,
auf denen der Schweif einfach am Bildrand verschwindet, da wir noch nicht einmal
darüber spekulieren konnten, wie der Schweif wirklich aussieht."
Die Beobachtung des Schweifs von anderen Sternen war da erheblich leichter. Und so wurden in den vergangenen Jahren auch Schweife bei mehreren Sternen beobachtet. Ob
jedoch auch unser Sonnensystem über einen solchen Schweif verfügt, war schwer zu erkennen. Man hatte zunächst auf die Sonde
Pioneer 10 gehofft, die in etwa in die richtige Richtung unser Sonnensystem verlassen sollte, doch brach der Kontakt zur Sonde im Jahr 2003 ab, bevor die interessante Region überhaupt erreicht war. Da die Partikel des Schweifs nicht leuchten, ist eine Beobachtung aus der Ferne ausgesprochen schwierig.
Deshalb bedient sich IBEX auch eines Tricks: Der Satellit misst nämlich neutrale
Partikel, die durch Kollisionen an der Grenze des Sonnensystems entstehen. Da
die Bahn dieser neutralen Partikel durch die Magnetfelder innerhalb der Heliosphäre
nicht mehr abgelenkt werden, bewegen sie sich in gerader Linie von ihrem Entstehungsort bis zu den IBEX-Detektoren. Ihre Erfassung verrät also etwas über die Vorgänge in diesen entfernten Regionen des Sonnensystems.
"Dank der neutralen Atome kann IBEX weit entfernte Strukturen beobachten, sogar aus dem Erdorbit", so Eric Christian, IBEX-Missionswissenschaftler am
Goddard Space Flight Center der NASA.
"Und da IBEX den gesamten Himmel erfassen kann, hat uns der Satellit die ersten Daten über das Aussehen des Schweifs der Heliosphäre
geliefert - ein wichtiger Aspekt unseres Verständnisses über unseren Platz und
unsere Bewegung in der Galaxie."
Die neutralen Partikel kommen aus ganz unterschiedlichen Quellen: Während langsame neutrale Partikel aus allen Regionen der Galaxie in unser Sonnensystem strömen, entstehen schnellere neutrale Atome durch Kollisionen mit den geladenen Partikeln des Sonnenwinds in der Grenzregion der Heliosphäre.
"Durch Erfassung dieser energiereichen neutralen Atome liefert uns IBEX eine Karte der ursprünglich geladenen Partikel", erklärt McComas. Erste Ergebnisse hatten zunächst darauf hingedeutet, dass der Schweif nur aus einer kleinen Region mit einem relativ langsamen Partikelwind besteht, doch handelte es sich dabei offenbar nur um einen Teil der gesamten Struktur.
Das neue Bild sieht anders aus: Würde man direkt in den Schweif hineinschauen, hätte dieser die Form eines vierblättrigen Kleeblatts. Die beiden Blätter an den Seiten kennzeichnen dabei die Bereiche mit den sich langsamer bewegenden Partikeln, die Blätter oben und unten die Regionen mit sich schneller bewegenden Partikeln. Diese Form lässt sich, so die Wissenschaftler, durch die Aktivität unserer Sonne erklären. In den letzten Jahren hat die Sonne, typisch für diese Phase in ihrem 11-jährigen Aktivitätszyklus, an ihren Polen hauptsächlich schnelle Partikel als Sonnenwind ins All geblasen, langsamere Partikel hingegen in den Äquatorregionen.
Die Anordnung von Kleeblatt und Sonne ist allerdings nicht exakt. Die ganze Struktur ist etwas gedreht, was darauf hindeutet, dass die geladenen Partikel in größerem Abstand von der Sonne zunehmend von galaktischen Magnetfeldern beeinflusst werden. Wie weit der Schweif ins All reicht, wissen die Wissenschaftler allerdings noch immer nicht.
Als nächstes ist geplant, die neuen Daten in die theoretischen Modelle über die Heliosphäre zu integrieren, um so noch mehr über unsere galaktische Heimat zu lernen. Über ihre aktuellen Beobachtungen berichten die Forscher in der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal.
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