Die Entstehung eines Monstersterns
von Stefan Deiters astronews.com
11. Juli 2013
Mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA ist Astronomen ein
faszinierender Blick in die Kinderstube von Riesensternen gelungen. In einer
Dunkelwolke entdeckten die Forscher den Vorläufer eines stellaren Embryos, der
mehr als die 500-fache Masse unserer Sonne aufweist und noch weiter wächst. Er
dürfte einmal zu einem hellen Riesenstern mit bis zu 100 Sonnenmassen
kollabieren.
Die Dunkelwolke SDC 335.579-0.292 in einer
Ansicht, für die Daten des Weltraumteleskops
Spitzer und von ALMA kombiniert wurden.
Bild: ALMA (ESO / NRAJ / NRAO) / NASA /
Spitzer/JPL-Caltech / GLIMPSE |
Mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA)
haben Astronomen nun einen detaillierten Blick in die Kinderstube von
Riesensternen geworfen. Die Wissenschaftler untersuchten eine als Spitzer
Dark Cloud (SDC) 335.579-0.292 bezeichnete Dunkelwolke in rund 11.000
Lichtjahren Entfernung. Ziel der Beobachtungen war es, mehr über die Entstehung
der massereichsten Sterne der Milchstraße zu erfahren, die sich - verborgen für
Beobachtungen im sichtbaren Bereich des Lichts - innerhalb solcher Dunkelwolken
abspielt.
Für die Entstehung der massereichsten Sterne gibt es in der Astronomie zwei
konkurrierende Vorstellungen: Nach der einen Theorie fragmentiert eine
Dunkelwolke in zahlreiche kleinere Kerne, die dann individuell zu Sternen
kollabieren. Die alternative Theorie geht von einem Kollaps der gesamten Wolke
aus, in deren Zentrum sich dann ein oder mehrere Riesensterne bilden.
Die Dunkelwolke SDC 335.579-0.292 wurde zuvor bereits von den
Infrarot-Weltraumteleskopen Spitzer und Herschel untersucht.
Sie präsentierte sich als Region mit dunklen und dichten Filamenten aus Gas und
Staub und damit als perfekte Umgebung für die Entstehung von Riesensternen. Mit
den ALMA-Beobachtungen konnte die Forscher nun die exakte Menge an Staub
bestimmen und zudem auch die Bewegung des Gases in der Wolke verfolgen. Dabei
entdeckten sie mehrere Kerne in der Region und im Zentrum ein wahres stellares
Monster.
"Die bemerkenswerten Beobachtungen von ALMA ermöglichten uns den ersten
wirklich tiefen Blick auf die Vorgänge im Inneren dieser Wolke", erläutert
Nicolas Peretto von der CEA/AIM Paris-Saclay in Frankreich und der
University of Cardiff in Großbritannien. "Wir wollten herausfinden, wie
sich Monstersterne bilden und wachsen und dies ist uns mit Sicherheit gelungen.
Eines der Objekte, das wir gefunden haben, ist ein wahrer Riese - der größte
protostellare Kern, der je in der Milchstraße entdeckt wurde."
Dieser Kern, also im Prinzip der "Mutterleib" des stellaren Embryos, hat eine
Masse, die mehr als der 500-fachen Masse unserer Sonne entspricht. Die
ALMA-Beobachtungen deuten zudem darauf hin, dass noch immer Material ins Innere
strömt und der Kern somit weiter wächst. Der gesamte Kern dürfte schließlich
kollabieren und einen Stern von bis zur 100-fachen Masse unserer Sonne entstehen
lassen. Ein Gigant, der in der Milchstraße nicht häufig anzutreffen ist.
"Wir vermuteten zwar schon zuvor, dass diese Region ein guter Kandidat für
die Entstehung massereicher Sterne sein könnte, hatten allerdings nicht
erwartet, so einen massereichen stellaren Embryo im Zentrum zu entdecken", meint
Peretto. "Aus diesem Objekt sollte mal ein Stern mit bis zur 100-fachen Masse
unserer Sonne werden. Nur etwa einer von 10.000 Sternen in der Milchstraße
erreicht diese Masse."
"Diese Sterne sind nicht nur selten, sondern ihre Geburt verläuft zudem
extrem schnell und auch ihre Kindheit ist nur kurz. Die Entdeckung eines so
massereichen Objekts in dieser frühen Entwicklungsphase ist daher ein
spektakuläres Ergebnis", ergänzt Gary Fuller von der englischen University
of Manchester. Seine Kollegin Ana Duarte Cabral vom Laboratoire
d'Astrophysique de Bordeaux in Frankreich weist darauf hin, dass die
ALMA-Beobachtungen "spektakuläre Details der Bewegungen der Filamente aus Gas
und Staub zeigen, die darauf hindeuten, dass große Mengen von Gas in eine
kompakte Zentralregion strömen." Dies würde dafür sprechen, dass massereiche
Sterne eher durch einen globalen Kollaps einer Dunkelwolke entstehen und nicht
durch Fragmentation.
Die Beobachtungen, auf denen die jetzt in einem Fachartikel der Zeitschrift
Astronomy & Astrophysics präsentierten Ergebnisse basieren, wurden noch
während der Aufbauphase von ALMA gemacht, so dass nur ein Viertel der Antennen
zur Verfügung stand. "Es ist uns gelungen, diese detaillierten Beobachtungen zu
machen, obwohl wir nur einen Bruchteil des Potentials von ALMA ausnutzten
konnten", so Peretto. "ALMA wird daher mit Sicherheit unser Wissen über
Sternentstehung revolutionieren, unsere aktuellen Fragen beantworten helfen,
aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch neue aufwerfen."
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