Kollision lässt Riesengalaxie entstehen
von Stefan Deiters astronews.com
24. Mai 2013
Astronomen haben mit dem ESA-Weltraumteleskop Herschel
zwei gasreiche Galaxien im jungen Universum entdeckt, die gerade miteinander
verschmelzen. Der Fund könnte den Forschern helfen, die Existenz von
massereichen elliptischen Systemen in dieser Epoche zu verstehen, in denen es
kaum noch Sternentstehung gibt. Sie waren den Forschern bislang ein Rätsel.
Die Herschel-Aufnahme (links) auf der das System
HXMM01 entdeckt wurde. Rechts eine Detailansicht,
die auf Beobachtungen mehrerer Teleskope basiert.
Bild:
ESA / NASA / JPL-Caltech/UC Irvine / STScI / Keck
/ NRAO / SAO [Großansicht] |
Galaxien lassen sich grob in zwei fundamental unterschiedliche Arten
einteilen: in Spiralgalaxien wie unsere Milchstraße, in denen noch große Mengen
an Gas vorhanden sind, aus dem sich neue Sterne bilden und in elliptische
Galaxien, in denen sich kaum noch Gas findet und die daher überwiegend aus alten
Sternen bestehen.
Die massereichen elliptischen Galaxien, die wir heute in unserer kosmischen
Nachbarschaft beobachten, haben sich - so zumindest die gängige
Lehrmeinung - im Laufe von Milliarden Jahren durch die Verschmelzung kleinerer
Systeme gebildet, deren Gasvorrat sich erschöpft hatte, so dass in den heutigen
elliptischen Systemen keines mehr vorhanden ist.
In den vergangenen Jahren hat man allerdings dank immer besserer
Beobachtungsmöglichkeiten massereiche elliptische Galaxien in so großer
Entfernung entdeckt, dass wir sie zu einer Zeit sehen, in der das Universum nicht älter war als drei bis vier Milliarden
Jahre. Mit einer Theorie der aufeinanderfolgenden Verschmelzung kleinerer
Systeme lassen sich diese Riesengalaxien im jungen Universum nicht verstehen. Sie müssen sich sehr schnell gebildet und dann plötzlich die Entstehung
neuer Sterne eingestellt haben.
Eine Möglichkeit, diese Funde zu erklären, wäre die Kollision von zwei
Spiralgalaxien, durch die dann eine gewaltige elliptische Galaxie entstanden ist. Die
Kollision könnte einen gewaltigen Sternentstehungsausbruch in dem System
ausgelöst haben. Dieser hätte dann dazu geführt, dass der Gasvorrat der neuen
Galaxie sehr schnell verbraucht worden ist.
Mithilfe des ESA-Infrarotteleskops Herschel, das bis Ende vergangenen Monats
Beobachtungen gemacht hat (astronews.com berichtete), konnten Astronomen nun einen solchen Vorgang
beobachten. Die entdeckten massereichen Galaxien, die gerade mit der
Verschmelzung beginnen, sehen wir zu einer Zeit, in der das Universum gerade
einmal drei Milliarden Jahre alt war.
Das System erschien in den Herschel-Daten zunächst nur als einzelne
helle Quelle
und erhielt den Namen HXMM01. Weitere Beobachtungen mit anderen Teleskopen ergaben dann, dass es sich
tatsächlich um zwei Galaxien handelt, die jeweils Sterne mit der etwa
100-Milliarden-fachen Masse der Sonne beinhalten sowie noch eine ähnlich große
Menge an Gas. Beide Galaxien sind durch eine "Brücke" aus Gas verbunden, was ein
Hinweis auf eine gerade beginnende Verschmelzung ist.
"Dieses Monstersystem von wechselwirkenden Galaxien ist die effizienteste
Sternenfabrik, die jemals im nur drei Milliarden Jahre alten Universum entdeckt
wurde", so Hai Fu von der University of California in Irvine, der die in der
Wissenschaftszeitschrift Nature veröffentlichte Untersuchung leitete.
"Das HXMM01-System ist nicht nur deswegen besonders, weil es eine hohe Masse hat
und es eine intensive Sternentstehung aufweist, sondern auch weil es uns einen
wichtigen Zwischenschritt des Verschmelzungsprozesses zeigt, der hilft, Modelle
über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien zu verifizieren", ergänzt
Teammitglied Asantha Cooray, auch von der University of California in Irvine.
Durch die beginnende Verschmelzung wurde in HXMM01 eine heftige Phase von
Sternentstehung ausgelöst, durch die jedes Jahr Sterne mit einer Gesamtmasse von
etwa der 2.000-fachen Masse unserer Sonne entstehen. Zum Vergleich: In der Milchstraße entsteht
im Schnitt gerade einmal ein Stern von der Masse unserer Sonne pro Jahr.
Außerdem scheint die Effizienz, mit der Gas in Sterne umgewandelt wird, in dem
fernen System rund zehnmal höher zu sein als in normalen Galaxien.
Diese heftige Sternentstehung wird allerdings nicht lange anhalten können:
Die Astronomen schätzen, dass in nur 200 Millionen Jahren sämtliches Gas in dem
System verbraucht sein wird. Innerhalb einer Milliarde Jahre sollte dann der
Verschmelzungsprozess abgeschlossen und eine massereiche elliptische Galaxie
entstanden sein, in der sich keine Sterne mehr bilden. Sie dürfte dann eine Masse
von etwa 400 Milliarden Sonnenmassen haben.
"Wir hatten großes Glück, dieses extreme System in einer kritischen
Übergangsphase zu entdecken", freut sich Seb Oliver von der University of
Sussex, der verantwortliche Wissenschaftler für das Durchmusterungsprogramm
Herschel Multi-tiered Extragalactic Survey (HerMES), in dessen Rahmen HXMM01
entdeckt wurde. "Es zeigt uns, dass Verschmelzungen von gasreichen Galaxien, in
denen noch aktiv Sterne entstehen, ein möglicher Prozess ist, um die
massereichsten elliptischen Galaxien zu bilden, die man im jungen
Universum beobachtet."
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