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HERSCHEL
Galaxie im jungen Universum gibt Rätsel auf
von Stefan Deiters
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18. April 2013

Mit dem europäischen Infrarot-Weltraumteleskop Herschel haben Astronomen eine weit entfernte Galaxie aufgespürt, in der mit unglaublich hoher Rate neue Sterne entstehen. Die Masse des Systems entspricht dabei fast der Masse der Milchstraße. Da wir die Galaxie aber zu einem Zeitpunkt beobachten, zu dem das Universum weniger als eine Milliarde Jahre alt war, passt dies schwer zu den aktuellen Theorien.

HFLS3

So stellt sich ein Künstler die ferne Galaxie HFLS3 vor. Bild: ESA – C.Carreau

Mithilfe des europäischen Infrarot-Weltraumteleskops Herschel haben Astronomen eine Galaxie aufgespürt, deren Existenz die bisherigen Theorien über die Entwicklung von Galaxien infrage stellen könnte. Auf den ersten Blick sieht HFLS3 auf den Bildern des Herschel Multi-tiered Extragalactic Survey (HerMES) recht unspektakulär aus: Die Galaxie ist darauf lediglich als schwacher, rötlicher Fleck zu erkennen.

Doch der Eindruck täuscht: In dieser Galaxie, so ergab die Analyse der Wissenschaftler, werden Gas und Staub mit einer unglaublich hohen Rate in neue Sterne umgewandelt. In unserer Milchstraße ist diese Rate vergleichsweise bescheiden: Man schätzt, dass hier ungefähr das Äquivalent von einer Sonnenmasse pro Jahr in neue Sterne umgewandelt wird - in HFLS3 ist diese Rate mehr als 2.000-mal höher. Die Galaxie hat damit eine der höchsten Sternentstehungsraten, die bislang gemessen wurden.

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum HFLS3 etwas ganz Besonderes zu sein scheint: Die Galaxie ist zudem noch so weit entfernt, dass ihr Licht fast 13 Milliarden Jahre benötigt hat, um die Sensoren von Herschel zu erreichen. Wir sehen sie damit zu einer Zeit, in der unser Universum gerade einmal 880 Millionen Jahre alt war und damit noch in seinen Kinderschuhen steckte.

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Trotzdem scheint HFLS3 alles andere als eine "Babygalaxie" zu sein: Ihre Masse entspricht mit etwa der 140-milliardenfachen Masse unserer Sonne fast der Masse der Milchstraße. Eine solche Galaxie sollte sich im Laufe der nächsten 13 Milliarden Jahren zu einer Galaxie entwickeln, die ähnlich massereich ist wie die gewaltigsten Galaxien in unserem lokalen Universum.

Doch gerade diese ungeheure Masse, die HFLS3 offenbar schon so kurz nach dem Urknall hatte, stellt die Astronomen nun vor ein gravierendes Problem: Nach ihren Theorien über die Entwicklung von Galaxien sollte es so massereiche Objekte in dieser Zeit noch gar nicht geben. Im Gegenteil: Die Modelle der Forscher sagen voraus, dass die ersten Galaxien relativ klein waren und sich darin die ersten Sterne nur mit einer moderat höheren Rate als in der heutigen Milchstraße gebildet haben.

Die kleinen Galaxien wuchsen dann, so zumindest das allgemein akzeptierte Modell, im Laufe der Zeit immer weiter an und verschmolzen mit anderen kleineren Galaxien, bis daraus schließlich massereiche Systeme wurden. Ein wichtiger Fixpunkt für Modelle zur Galaxienentwicklung stellt somit der Zeitpunkt dar, zu dem die ersten massereichen Galaxien aufgetreten sind.

Diese Galaxien aufzuspüren, ist jedoch alles andere als einfach: "Die Suche nach den ersten Beispielen für diese massereichen Sternenfabriken gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen", meint Dominik Riechers von der Cornell University, der die Untersuchungen leitete. "Die Herschel-Daten sind sehr umfangreich."

So wurden im Rahmen des HerMES-Projekts Zehntausende von massereichen Galaxien entdeckt, in denen gerade heftige Sternentstehung abläuft. Die Astronomen müssen darin nun die tatsächlich interessanten Exemplare aufspüren: "Diese Galaxie ist uns aufgefallen, weil sie hell war und gleichzeitig auch sehr rot im Vergleich zu anderen ähnlichen Galaxien", erklärt Dave Clements vom Imperial College London.

Galaxien, deren Licht vor allem im roten Bereich des Spektrums zu beobachten ist, können sehr weit entfernt sein, da die Ausdehnung des Universums für eine Rotverschiebung des Lichts weit entfernter Objekte sorgt. Und tatsächlich ergaben weitere Beobachtungen mit erdgebundenen Instrumenten, dass es sich bei HFLS3 um die entfernteste bislang bekannte Galaxie dieser Art handelt. Wir sehen sie nur 880 Millionen Jahre nach dem Urknall, ihre Rotverschiebung beträgt 6,34.

Mit diesen Informationen rechneten die Astronomen nun die Infrarothelligkeit der Galaxie in eine Sternentstehungsrate um und stießen so auf die ungewöhnlichen Eigenschaften des fernen Systems. In der gesamten Galaxie dürfte es zu heftiger Sternentstehung kommen und die Strahlung der jungen Sonnen muss so intensiv sein, dass das Rohmaterial, aus dem die Sterne entstehen, fast aus der Galaxie hinausgeblasen wird.

"In Galaxien wie HFLS3 wurden die schweren Elemente erzeugt, die sich dann in späteren Generationen von Sternen und Galaxien wiederfinden und in einem großen Teil der Materie, die wir heute kennen", erklärt Riechers. Vergleichbare Galaxien gibt es in unserem lokalen Universum nicht mehr. Und auch im jungen Universum sollten sie eigentlich nur äußerst selten vorkommen - wenn überhaupt: Nach den aktuellen Theorien dürfte eine Galaxie nämlich erst deutlich später eine Masse erreichen, wie sie HFLS3 schon 880 Millionen Jahre nach dem Urknall hatte.

Die Astronomen suchen nun in den Herschel-Daten nach weiteren Beispielen solcher extremen Systeme im jungen Universum. Über ihre aktuellen Beobachtungen berichten sie in einem Fachartikel in der heute erscheinenden Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.  

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siehe auch
ALMA: Entfernte Galaxien in wenigen Minuten aufgespürt - 17. April 2013
Junges Universum: Entfernte Galaxie mit rasantem Wachstum - 3. Januar 2012
Spitzer: Eine neue Klasse extrem roter Galaxien - 2. Dezember 2011
VLT: Als sich der kosmische Nebel lichtete - 12. Oktober 2011
Hubble: Galaxie mit neuer Rekordentfernung? - 27. Januar 2011
Galaxien: Neuer kosmischer Entfernungsrekord - 22. Oktober 2010
Links im WWW
Herschel, Seiten der ESA
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
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