Entfernte Galaxien in wenigen Minuten aufgespürt
von Stefan Deiters astronews.com
17. April 2013
Astronomen haben mithilfe des neuen Radioteleskopverbunds
ALMA die Position von über 100 entfernten Galaxien bestimmt, in denen gerade mit
extrem hoher Rate neue Sterne entstehen. Sie benötigten dafür insgesamt nur
wenige Stunden. Für eine ähnliche Anzahl von Beobachtungen hatten Teleskope
zuvor über zehn Jahre gebraucht.
Einige der jetzt lokalisierten Galaxien. Die
ALMA-Daten sind in rot-orange dargestellt, im
Hintergrund Infrarotbilder des Weltraumteleskops
Spitzer.
Bild:
ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), J. Hodge et al., A. Weiss
et al., NASA Spitzer Science Center [Großansicht] |
Im noch jungen Universum entstanden in den Galaxien innerhalb kürzester Zeit
eine große Menge von Sternen. Das Studium dieser Systeme liefert also wichtige
Hinweise über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien und den größeren
Strukturen im Universum. Allerdings sind diese Galaxien und die in ihnen
entstehenden Sterne nicht nur weit entfernt, sondern verbergen sich in der Regel
in dichtem Staub. Dadurch sind sie für Teleskope, die im sichtbaren Bereich des
Lichts beobachten, nur schwer aufzuspüren.
Beobachtungen bei deutlich längeren Wellenlängen, etwa im Millimeterbereich,
sind zur Untersuchung dieser Systeme wesentlich besser geeignet, da der Staub
hier nicht mehr stört. Genau solche Beobachtungen erlaubt das Atacama Large
Millimeter/submillimeter Array (ALMA), ein Verbund aus Radioteleskopen in
der chilenischen Atacamawüste, der unlängst offiziell eingeweiht wurde (astronews.com
berichtete).
"Astronomen haben auf solche Daten mehr als ein Jahrzehnt
gewartet", freut sich Jacqueline Hodge vom Max-Planck-Institut für Astronomie in
Heidelberg, die Erstautorin eines Fachartikels über die neuen Beobachtungen mit
ALMA. "ALMA ist so leistungsstark, dass es die Art und Weise wie wir diese
Galaxien beobachten, revolutioniert hat - und dies, obwohl das Teleskop noch gar
nicht vollständig war, als wir die Beobachtungen gemacht haben."
Die bislang beste Karte dieser entfernten staubigen Galaxien basierte auf
Beobachtungen des Teleskops des Atacama Pathfinder Experiment (APEX),
das als Prototyp für die Radioschüsseln von ALMA diente. Mit APEX wurden in
einem Himmelsbereich, der in etwa so groß ist wie der Vollmond, 126 dieser
Galaxien aufgespürt. Allerdings erschienen die staubigen Galaxien in den
APEX-Daten nur als sehr verschwommene Gebilde und überdeckten einen Bereich, in
dem in anderen Wellenlängen gleich mehrere Galaxien sichtbar waren.
So gelang es oft nicht, die genaue Galaxie zu identifizieren, in der mit
hoher Rate Sterne entstehen, was aber gerade für die Untersuchung der
Sternentstehung im jungen Universum von großer Bedeutung ist. Damit dies
gelingt, waren detailliertere Beobachtungen nötig, die mit einer einzelnen
12-Meter-Antenne wie APEX nicht möglich sind. Bei ALMA werden mehrere solcher
Antennen zu einem Teleskop kombiniert. Damit steht praktisch ein riesiges
Einzelteleskop zur Verfügung, dessen Durchmesser der maximalen Entfernung der
Antennen des Verbunds entspricht.
Die jetzt vorgestellten Beobachtungen wurden in einer Zeit gemacht, als ALMA
sich noch im Aufbau befand und weniger als ein Viertel der insgesamt 66 Antennen
einsatzbereit waren. Trotzdem benötigten diese Antennen, die bis zu 125 Meter
voneinander entfernt waren, nur zwei Minuten, um jede der zuvor mit APEX
entdeckten Galaxien aufzuspüren und ihre Position auf einen 200-mal kleineren
Bereich einzugrenzen. Auch die Empfindlichkeit war gegenüber den alten
Beobachtungen drei Mal besser.
Innerhalb weniger Stunden konnten die Astronomen so die bisherige Anzahl
solcher Galaxienbeobachtungen verdoppeln. Dabei gelang es nicht nur die
Galaxien mit aktiven Sternentstehungsregionen eindeutig zu identifizieren: Die
Daten zeigten auch, dass bei früheren Beobachtungen oft zwei oder mehrere
Galaxien mit Sternentstehung als eine einzige Galaxie erschien - eine
Entdeckung, die für ein Verständnis der Vorgänge im jungen Universum von großer
Bedeutung ist.
"Wir hatten bislang angenommen, dass in den hellsten dieser Galaxien Sterne
mit einer 1000-fach höheren Rate entstehen als in unserer Milchstraße", erklärt
Alexander Karim von der Durham University in Großbritannien, ein
Mitglied des Beobachterteams. "Die Rate war so groß, dass eigentlich die Gefahr
bestand, dass sie dadurch praktisch auseinanderfliegen. Die ALMA-Bilder zeigen
nun, dass es sich dabei um mehrere kleinere Galaxien handelt, in denen mit einer
etwas gemäßigteren Rate Sterne entstehen."
Dank der neuen Beobachtungen liegt jetzt erstmals ein statistisch
zuverlässiger Katalog dieser staubigen Galaxien mit Sternentstehung im frühen
Universum vor, der auch die Grundlage für weitere Untersuchungen bilden kann.
Trotz der demonstrierten Überlegenheit von ALMA können aber auch Teleskope wie
APEX weiterhin eine wichtige Rolle spielen. "Mit APEX lassen sich größere
Bereiche am Himmel schneller als mit ALMA erfassen, was für die Entdeckung
dieser Galaxien ideal ist", so Ian Smail von der Durham University.
"Wenn man dann weiß, wo man hinschauen muss, können wir sie mit ALMA exakt
lokalisieren."
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