Kleines Ökosystem startet in den Erdorbit
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Erlangen-Nürnberg astronews.com
5. April 2013
Mitte April wird an Bord eines russischen Satelliten auch ein
kleines künstliches Ökosystem ins All starten, das von Wissenschaftlern der
Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt wurde. Sie wollen damit herausfinden,
wie Zellen und Organe auf Schwerelosigkeit reagieren. Dadurch erhoffen sie sich
unter anderem neue Erkenntnisse über das Immunsystem und Therapieansätze für
Krankheiten wie die Reisekrankheit.
Das Aquarium ist das Herzstück des
Experiments: Links ist das Hornkraut zu sehen,
unten der Filter und rechts eine Schnecke im
Fischabteil. In dem runden Abteil oben rechts
werden die Fischeier eingesetzt - der
Futterautomat für die späteren Larven und auch
für die Fische befindet sich direkt darunter.
Foto: FAU/Sebastian M. Strauch [Großansicht] |
Die unbemannte Sojus-Rakete, die voraussichtlich am 19. April vom
Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abheben wird, bringt einen Biosatelliten
und mit ihm einen kleinen Experimentcontainter der Arbeitsgruppe von Dr. Michael
Lebert vom Lehrstuhl für Zellbiologie der Universität Erlangen-Nürnberg ins All:
ein künstliches Ökosystem, das den Namen Omegahab B-1 trägt.
Die Lebensgemeinschaft in dem Aquarium besteht aus einer einzelligen Alge (Euglena
gracilis) , der Wasserpflanze Hornkraut (Ceratophyllum), Buntbarschlarven (Oreochromis
mossambicus), mexikanischen Bachflohkrebsen (Hyalella azteca) sowie einigen
Posthornschnecken (Biomphalaria glabrata). Die Pflanzen produzieren den
Sauerstoff für die Tierchen, deren freigesetztes Kohlendioxid wiederum den
Pflanzen als Grundlage für die Photosynthese dient.
Dazwischen haben die Biologen einen Filter eingebaut, in dem Bakterien -
ähnlich wie in einem Aquarium zu Hause - die Ausscheidungen der Fische in
kleinere Komponenten zerlegen. Diese dienen den Pflanzen als Dünger. Die
Schnecken haben noch eine weitere Aufgabe: Sie sollen die Scheiben sauber
halten, damit die Fische gefilmt werden können. Erstmals wird damit ein
vergleichsweise komplexes, abgeschlossenes Ökosystem ins All geschickt. Für das
komplette Experiment ist kein Eingriff eines Menschen nötig.
Zwar erscheint es auf den ersten Blick einfacher, wenn die Spezialisten auf
der Internationalen Raumstation ISS dieses Experiment durchführen würden, jedoch
ist das aus Sicherheitsgründen nicht möglich: "Verliert das Aquarium unerwartet
Wasser, dann ist dies in der Schwerelosigkeit sehr schwer wieder einzusammeln
und die Elektronik an Bord könnte dadurch massiv beschädigt werden", erklärt
Lebert.
Im Laufe der 30-tägigen Reise wird mehrmals automatisch eine kleine Menge
Algen entnommen, deren aktueller Zustand in einer speziellen Fixierlösung
konserviert wird. Dadurch können die Wissenschaftler untersuchen, wie sich die
Algen während dieser Zeit verändern und nicht wie bisher nur den Unterschied vor
und nach dem Raumflug analysieren. Sie wollen besser damit verstehen, wie sich
Zellen in der Schwerelosigkeit verhalten und wie sie sich anpassen - bisher
wussten Forscher lediglich, dass die Zellen auf den veränderten Zustand
reagieren, aber nicht wie.
So könnten die Wissenschaftler auch Erklärungen dafür finden, warum sich bei
Menschen während Weltraumflügen die Immunabwehr der Körperzellen verringert.
Wenn die Forscher nun den Mechanismen dahinter auf den Grund gehen, könnten
Astronauten auf langen Missionen besser gegen die auftretende Immunschwäche
geschützt werden.
Bei den Fischen beobachten die Forscher, wie sich die Schwerelosigkeit auf
die inneren Organe auswirkt. Die Erkenntnisse könnten helfen, neue Medikamente
gegen die Reisekrankheit zu entwickeln. Die Ursache dieser Krankheit liegt in
widersprüchlichen Informationen, die die menschlichen Sinnesorgane zur
räumlichen Lage und zur Bewegung des Körpers übermitteln. Fische haben in
Schwerelosigkeit ganz ähnliche Probleme und eignen sich daher gut als Modell.
Die Weltraummission findet im Rahmen des russischen Satellitenprogramms
Bion statt, das im April nach dreizehnjähriger Pause fortgesetzt wird. Es
ermöglicht automatisierte biologische Forschungen, die bis zu sechs Wochen
dauern. Das Experiment der deutschen Wissenschaftler dient als Vorbereitung für
ein umfassenderes Weltraumprojekt, dessen Start für das Jahr 2016 geplant ist.
Update (19. April 2013): Die Sojus-Rakete mit dem
Bion-Satelliten und mehreren Kleinstsatelliten an Bord ist heute um 12
Uhr MESZ erfolgreich gestartet.
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