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In Chile wurde heute das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), ein internationaler Radioteleskopverbund, feierlich eingeweiht. Passend dazu präsentierten Astronomen faszinierende, auf frühen ALMA-Beobachtungen beruhende Erkenntnisse über die Jugendzeit des Universums. Danach setzte ein heftige Phase von Sternentstehung offenbar noch früher ein als bislang gedacht.
In der Jugendzeit unseres Universums dürften in massereichen hellen Galaxien große Mengen an Sternen entstanden sein. Die Rate, mit der neue Sonnen geboren wurden, lag damals viele Hundert Mal über der in heutigen Spiralgalaxien. Durch Beobachtung von weit entfernten Galaxien versuchen Astronomen mehr über diese Periode von Sternentstehung im jungen Universum zu erfahren. "Je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto weiter schauen wir in die Zeit zurück ", erklärt Joaquin Vieira vom California Institute of Technology, der das Astronomenteam leitete. "Wenn wir also die Entfernung zu den Galaxien bestimmen, können wir so eine Zeitleiste erstellen, die darüber Auskunft gibt, wie heftig Sterne im Universum im Verlauf der vergangenen 13,7 Milliarden Jahre entstanden sind." Das internationale Team hatte die entfernten Galaxien, in denen es offenbar zu heftiger Sternentstehung kommt, mit dem zehn Meter durchmessenden South Pole Telescope (SPT), einem Radioteleskop an der amerikanischen Amundsen-Scott-Südpolstation, aufgespürt und dann das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) verwendet, um diesen stellaren Babyboom genauer zu untersuchen. Zur Überraschung der Forscher waren die Galaxien weiter entfernt, als man es zunächst für möglich gehalten hatte. Im Mittel dürfte sich danach die heftigste Sternentstehung vor rund zwölf Milliarden Jahren ereignet haben und damit weniger als zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall. Bislang war man davon ausgegangen, dass diese Phase etwa eine Milliarde Jahre später in der Entwicklung des Universums liegt.
Bei zwei der untersuchten Galaxien handelt es sich um die entferntesten Galaxien dieser Art, die jemals beobachtet wurden. Ihr Licht erreicht uns aus einer Zeit, in der das Universum lediglich eine Milliarde Jahre alt war. In einem der Systeme konnte man zudem Wassermoleküle nachweisen. Es ist die entfernteste Beobachtung von Wasser im Universum, die bislang gelungen ist. Mit ALMA wurde das Licht von insgesamt 26 solcher entfernten Galaxien bei einer Wellenlänge von rund drei Millimetern gemessen. Das Licht stammt von bestimmten Gasmolekülen in den Galaxien. Dessen Wellenlänge wurde dann durch die Ausdehnung des Universums gestreckt. Durch Messung dieser gestreckten Wellenlänge lassen sich die Entfernungen zu den Galaxien bestimmen und die Systeme damit in die kosmische Geschichte einordnen. "Dank der Empfindlichkeit von ALMA und des großen Wellenlängenbereichs des Teleskops konnten wir diese Messungen innerhalb von wenigen Minuten bei jeder Galaxie durchführen - das ist etwa Hundert Mal schneller als bisher", so Axel Weiss vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der die Arbeiten zur Entfernungsbestimmung der Galaxien leitete. "Zuvor wären Messungen wie diese ein mühsamer Prozess gewesen, bei dem man Daten von Radioteleskopen und von Teleskopen, die im sichtbaren Licht beobachten, hätte kombinieren müssen." Für die meisten Galaxien reichten die ALMA-Daten zur Entfernungsbestimmung aus, bei einigen mussten jedoch noch zusätzlich Beobachtungen anderer Teleskope hinzugezogen werden. Dabei hatten die Astronomen für ihre Studie lediglich 16 Antennen von ALMA benutzen können, da sich das Teleskop damals noch im Bau befand. ALMA, dessen feierliche Eröffnung heute in Chile stattfand, verfügt im Endausbau über insgesamt 66 Radioschüsseln. Es ist somit künftig noch weitaus empfindlicher, so dass noch lichtschwächere Galaxien beobachtet werden können. Für die jetzt vorgestellte Studie konzentrierte man sich zunächst auf die hellsten Systeme. Zudem erhielt man Unterstützung von der Natur in Form des Gravitationslinseneffekts. Durch diesen wird das Licht einer entfernten Galaxie durch die Masse von nähergelegenen massereichen Galaxien abgelenkt und die fernen Galaxienbilder dadurch verstärkt. Um herauszufinden, um wie viel die Bilder der entfernten Galaxien durch diesen Effekt aufgehellt wurden, machten die Astronomen weitere Beobachtungen mit ALMA in einem anderen Wellenlängenbereich. "Diese wunderschönen Bilder von ALMA zeigen, wie die Bilder der Galaxien zu Lichtbögen um die Vordergrundgalaxien verzerrt werden. Diese Lichtbögen bezeichnet man als Einsteinringe", erklärt Yashar Hezaveh von der McGill University im kanadischen Montreal, der die Untersuchung über die Gravitationslinsen leitete. Die Helligkeit der entfernten Galaxien wurde durch den Gravitationslinseneffekt um bis zu 22-fach verstärkt. "Bislang waren nur einige durch den Gravitationslinseneffekt verstärkte Galaxien bei Submillimeterwellenlängen bekannt", so Carlos De Breuck von der europäischen Südsternwarte ESO. "Dank des SPT und ALMA haben wir nun Dutzende von ihnen entdeckt." Bisher wurden entfernte Galaxien mithilfe des Gravitationslinseneffekts vor allem im sichtbaren Bereich des Lichts untersucht, etwa mit dem Weltraumteleskop Hubble. "Unsere Daten zeigen, dass ALMA ein neuer, sehr leistungsstarker Spieler auf diesem Feld ist", so De Breuck. Die Astronomen berichten über ihre Studie morgen in der Fachzeitschrift Nature. Weitere Aspekte der Untersuchung werden in zwei Fachartikeln beschrieben, die im Astrophysical Journal erscheinen.
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