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METEOR ÜBER RUSSLAND
Was explodierte über Tscheljabinsk?
von Stefan Deiters
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27. Februar 2013

Knapp zwei Wochen nach der eindrucksvollen Meteorerscheinung über der russischen Stadt Tscheljabinsk haben Wissenschaftler die Herkunft des Brockens rekonstruiert, dessen Explosion für zahlreiche Verletzte in der Millionenstadt gesorgt hatte. Er dürfte aus dem Asteroidengürtel stammen, wo Millionen weiterer Brocken dieser Art um die Sonne kreisen.

Meteor

Der Meteor über Russland am Morgen des 15. Februar 2013. Bild: Science@NASA / YouTube

Für manche konnte es einfach kein Zufall sein: Erst kündigten NASA, ESA und andere Weltraumagenturen für den Abend den gefahrlosen Vorüberflug des Asteroiden 2012 DA14 in einem Abstand von weniger als 28.000 Kilometern an und wenige Stunden vorher kam es über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk zu einer spektakulären Meteorerscheinung und einer gewaltigen Explosion, durch die zahlreiche Fensterscheiben zu Bruch gingen.

"Dieses Meteorereignis war das heftigste seit dem Tunguska-Ereignis im Jahr 1908", so Bill Cooke von der Meteoroid Environment Office der NASA. Und es stand tatsächlich in keinerlei Zusammenhang mit dem Asteroiden 2012 DA14, der einige Stunden später tatsächlich - wie vorhergesagt - gefahrlos die Erde passierte. Der Brocken, der über Tscheljabinsk explodierte, hat alle überrascht. Er näherte sich der Erde aus Richtung der Sonne und war so praktisch vorher von keinem Teleskop zu sehen.

"Dies sind sehr seltene Ereignisse und es ist schon unglaublich, dass sie sogar am gleichen Tag passieren", so Paul Chodas vom Near-Earth Objekt Program der NASA am Jet Propulsion Laboratory. In den letzten Tagen haben Wissenschaftler versucht, alle Informationen über den kleinen Brocken zu sammeln, die verfügbar sind, um mehr über seine Herkunft zu erfahren. Die interessantesten Daten kamen dabei von einem Netzwerk von Infraschall-Sensoren, das von der Comprehensive Test Ban Treaty Organization (CTBTO) betrieben wird. Mit ihm soll die Einhaltung des Kernwaffenteststopp-Vertrages überwacht werden.

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Unter Infraschall versteht man Schallwellen niedriger Frequenz, die für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar sind, von einigen Tieren wie etwa Elefanten aber gehört werden können. In die Erdatmosphäre eindringende Brocken aus dem All erzeugen bei ihrem Flug durch die immer dichter werdende Luft Infraschallwellen. Die Auswertung entsprechender Aufzeichnungen verrät also etwas über die Richtung, aus der der Brocken gekommen ist, wie lange seine Reise durch die Erdatmosphäre dauerte und welche Energie bei dem Ereignis frei wurde.

Das Infrasoundsignal des russischen Meteors war das stärkste Signal, das je vom Sensornetzwerk des CTBTO registriert wurde. Sogar die rund 15.000 Kilometer entfernte Messstation in der Antarktis konnte noch Signale des Meteors auffangen. "Der Asteroid hatte einen Durchmesser von ungefähr 17 Metern und wog etwa 10.000 Tonnen", so die Analyse von Professor Peter Brown von der kanadischen University of Western Ontario. "Er traf die Erdatmosphäre mit einer Geschwindigkeit von 64.000 Kilometern pro Stunde und brach in einer Höhe von 19 bis 24 Kilometern auseinander. Die resultierende Explosion hatte eine Stärke von mehr als 470 Kilotonnen TNT", zitiert die NASA den Meteorexperten auf ihrer Webseite. Zum Vergleich: Die ersten Atombomben hatten eine Sprengkraft von gerade einmal 15 bis 20 Kilotonnen.

Aus der Bahn des Feuerballs, der von zahlreichen Kameras aufgezeichnet wurde, ließ sich auch der Orbit des Asteroiden vor seiner verhängnisvollen Begegnung mit der Erde rekonstruieren. "Er kam aus dem Asteroidengürtel, der etwa 2,5-mal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde", erläutert Cooke. Vergleicht man den Orbit mit der Bahn des Asteroiden 2012 DA14 wird sofort klar, dass es keine Verbindung zwischen den beiden Brocken gibt. "Das sind unabhängige Objekte. Die Tatsache, dass sie die Erde am gleichen Tag erreicht haben und einer ihr dabei noch etwa näher gekommen ist als der andere, ist kompletter Zufall."

Die Auswertung der Infraschall-Daten bestätigte auch, dass der kleine Brocken in einem sehr flachen Winkel von nur rund 20 Grad in die Erdatmosphäre eingedrungen ist und es über 30 Sekunden dauerte, bis er schließlich explodierte. Die Fragmente des Brockens dürften in einem großen Bereich verteilt sein, einige Exemplare wurden aber offenbar schon entdeckt.

Erste Berichte deuten deuten darauf hin, dass diese Brocken überwiegend aus Stein bestehen und auch ein wenig Eisen enthalten. "Mit anderen Worten, ein typischer Asteroid, der aus dem Bereich jenseits der Marsbahn stammt", so Cooke. "Und dort gibt es noch viele Millionen mehr davon."

Asteroiden sind Gesteinsbrocken ganz unterschiedlicher Größe, die - meist im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter - um die Sonne kreisen. Einige sind aber, etwa durch Kollisionen, auch auf andere Orbits geraten und können so die Erdbahn kreuzen. Die Größe von Asteroiden reicht von einigen Hundert Kilometern bis zu wenigen Metern. Ganz kleine um die Sonne kreisende Brocken bezeichnet man als Meteoroiden. Wenn ein Meteoroid in die Erdatmosphäre eintritt, kommt es zu einer typischen Leuchterscheinung, die man als Meteor oder Sternschnuppe bezeichnet. Die Reste schließlich, die auf der Erdoberfläche ankommen, nennt man Meteoriten.

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siehe auch
Meteor über Russland: Keine Verbindung zu Asteroid 2012 DA14 - 16. Februar 2013
Links im WWW
Near-Earth Object Program, Seite des Jet Propulsion Laboratory
CTBTO
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