Neuer Antrieb vom Bombardierkäfer abgeschaut
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bremen astronews.com
30. Januar 2013
Im Rahmen eines EU-Projekts arbeitet man an der Universität
Bremen an einem neuartigen Antriebssystem für Raumsonden und Satelliten. Dabei
haben sich die Ingenieure an einem Vorbild aus der Natur orientiert: Für eine
Variante versuchen sie das Verfahren nachzuahmen, mit dem der Bombardierkäfer
seinen Angreifern übelriechendes Gas entgegenschießt.
Der Bombardierkäfer könnte Vorbild für einen
neuartigen Raketenantrieb werden.
Foto: Patrick Coin [CC-BY-SA-2.5] via
Wikimedia Commons |
Das Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)
an der Universität Bremen ist an einem internationalen Projekt zur Entwicklung
eines völlig neuen Antriebssystems für Raumfahrzeuge beteiligt. Das Besondere
dieser Neuentwicklung: das Prinzip beruht auf einem Vorbild aus der Natur,
nämlich dem Verteidigungssystem des Bombardierkäfers. Dabei wird der Schub nicht
kontinuierlich erzeugt, sondern in Form von schnell aufeinanderfolgenden Pulsen
- unter ausschließlicher Verwendung von "grünen Treibstoffen".
Das EU-Projekt für die Entwicklung dieses hoch innovativen Raumfahrtantriebs
zum Manövrieren von Satelliten und Raumsonden wird in den nächsten drei Jahren
mit rund zwei Millionen Euro gefördert und hat einen im wahrsten Sinne des
Wortes schönen Namen bekommen: „PulCheR“ (Pulsed Chemical Rocket with Green High
Performance Propellants) ist auch ein lateinisches Wort, das im Deutschen
"schön" bedeutet - ein passender Name für ein Projekt, das einen großen Beitrag
zur Erhöhung der Effizienz von Lageregelungstriebwerken leisten und noch dazu
den Umstieg auf umweltfreundliche Treibstoffe ermöglichen soll.
Traditionell werden Bahnmanöver von Raumsonden und Satelliten mit Hilfe von
Hydrazin-Triebwerken durchgeführt. Diese sind schon seit langem in der Raumfahrt
im Einsatz, haben aber den Nachteil, dass Hydrazin hochgiftig und krebserregend
ist. Dadurch ist der Umgang mit dem Treibstoff während der Vorbereitungen am
Boden enorm kompliziert. Außerdem werden solche Systeme meist mit hohem Druck
betrieben. Um einen entsprechend hohen Brennkammerdruck zu erreichen ist der
Einsatz von Pumpen oder Hochdrucktanks erforderlich, wodurch das Gesamtsystem
sehr komplex und schwer wird.
PulCheR hingegen ist ein neues Antriebskonzept, bei dem die Treibstoffe unter
niedrigem Druck in die Brennkammer befördert werden. Sobald der Brennstoff die
Brennkammer erreicht, beginnt er mit Hilfe eines Katalysators zu brennen.
Dadurch dass Druck und Temperatur steigen, wird ein kurzer Schubimpuls erzeugt.
Ist dieser abgeklungen und der Druck wieder niedriger, fließt neuer Treibstoff
aus dem Reservoir nach – wiederum unter niedrigem Druck - und der Prozess
beginnt von neuem.
Im Rahmen des Projektes sollen zwei Varianten entwickelt werden, die sich in
der Art des Katalysators unterscheiden: Eine Variante ist ein Monopropellant-Antrieb,
der mit nur einem Treibstoff arbeitet und als Katalysator ein festes
Metallgranulat nutzt, das den Zerfall der Treibstoffkomponente auslöst. Bei der
Bipropellant-Variante werden zwei Treibstoffe in die Brennkammer gespritzt, die
hypergol sind, also bei Kontakt selbst zünden. Die zweite Variante ahmt exakt
den "Explosionsapparat" des Bombardierkäfers nach, der durch Mischen zweier sehr
reaktiver Chemikalien heiße Gase erzeugt, um sich gegen seine Feinde zur Wehr zu
setzen.
Aufgrund seines Puls-Prinzips ist PulCheR ein zwar diskontinuierlich aber
hochfrequent arbeitendes Antriebssystem, das das Potenzial hat, viele derzeit
verwendete Antriebskonzepte sowohl im Bereich Orbital-Flüge und inter-planetare
Missionen als auch bei wiedereintrittsfähigen Raumfahrzeugen zu ersetzen.
Bei allen Satellitenmissionen ist Gewichtsreduzierung ein extrem wichtigstes
Thema, da die Gesamtmasse des Satelliten immer durch die Trägerrakete begrenzt
ist. Der Pulsantrieb bietet nun den Vorteil, dass das gesamte Antriebssystem
durch den niedrigen Druck des Versorgungssystems deutlich an Volumen und Gewicht
verliert. Im Vergleich zu Missionen mit klassischem Antrieb können dadurch
entweder Kosten gespart oder die gesparte Masse durch anderweitige Ausstattung
ersetzt werden.
Denkbar wäre etwa, das gesparte Gewicht in mehr Treibstoff zu investieren und
damit die Missionsdauer zu verlängern oder zum Beispiel eine leistungsfähigere
Kamera für die Beobachtung des Experiments mitzunehmen, die vielleicht mehr
Strom braucht (also mehr Masse im Energiesystem erfordert) oder einfach von sich
aus schwerer ist.
Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Tatsache, dass für den Antrieb nur
Treibstoffe verwendet werden, die als "green propellants" eingestuft und damit
deutlich weniger toxisch und viel einfacher zu handhaben sind. Folglich lassen
sich mit der Reduzierung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen bereits bei der
Vorbereitung von Missionen weitere Kosten und viel Zeit sparen.
|