Tiefe Ozeane und die Rückseite des Mondes
Redaktion
/ Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts astronews.com
28. Januar 2013
Extreme Bedingungen gibt es nicht nur im Weltraum, sondern
auch auf der Erde, etwa in der Tiefsee. Im Rahmen einer neuen Forschungsallianz
wollen nun Raumfahrtspezialisten und Tiefseeforscher gemeinsam Roboter-Systeme
entwickeln, die sich sowohl für eigenständige Missionen in der Tiefsee als auch
auf der Rückseite des Mondes eignen.
Ein Lander-Tiefseeforschungsgerät während seines
Einsatzes am Meeresboden.
Foto: AWI/ ifremer |
Mit dem ersten zweitägigen Wissenschaftsworkshop am MARUM-Zentrum für Marine
Umweltwissenschaften in Bremen beginnt heute die "heiße Phase" der neuen
Helmholtz-Forschungsallianz "Robotische Exploration unter Extrembedingungen" -
kurz ROBEX. In diesem für Deutschland einmaligen Projekt entwickeln
Raumfahrtspezialisten und Tiefseeforscher aus 15 Forschungseinrichtungen
gemeinsam Technologien für Roboter-Systeme, die eigenständige Missionen auf dem
Mond und in der Tiefsee durchführen können.
Die Rückseite des Mondes und die Tiefsee-Regionen der Weltmeere gehören zu
den unwirtlichsten Orten, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Während die
Temperaturkurve auf der Mondrückseite regelmäßig auf 130 Grad Celsius plus
steigt, um anschießend wieder auf minus 160 Grad Celsius zu fallen, stellt die
Tiefsee mit ihrer Dunkelheit, dem hohen Wasserdruck und Temperaturen von null
bis zu 400 Grad Celsius ein ebenfalls ausgesprochen lebens- und
technikfeindliches Gebiet dar.
Dennoch haben beide Regionen längst den Ehrgeiz der Entdecker geweckt: Die
Rückseite des Mondes wäre ein idealer Standort für Teleskope, die weit ins
Weltall hineinschauen, und würde so manches über die Entstehungsgeschichte des
Erdtrabanten verraten. Die Tiefsee ihrerseits stellt noch immer einen zum
Großteil unbekannten Lebensraum voller Überraschungen auf unserem Planten dar.
Ihn gilt es zu erkunden und zu verstehen. Eine Aufgabe, die angesichts der
stetig wachsenden Ressourcennachfrage heute wichtiger ist denn je.
Ohne die richtige Technik aber bleiben sowohl der Mond als auch die Tiefsee
Gebiete, die für den Menschen auf Dauer kaum erforschbar sind. Aus diesem Grund
haben sich unter der Führung des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum
für Polar- und Meeresforschung, 15 deutsche Raumfahrt- und
Meeresforschungsinstitutionen in der Helmholtz-Allianz "Robotische Exploration
unter Extrembedingungen" (ROBEX) zusammengeschlossen. Sie wollen ihr jeweiliges
Spezialwissen miteinander teilen, um im Anschluss gemeinsam Roboter-Technologien
zu entwickeln, die den Mond und die Tiefsee eigenständig und vor allem über
lange Zeiträume hinweg untersuchen.
"Der Mond und die Tiefsee mögen auf den ersten Blick wenig gemein haben. Fakt
ist aber, dass wir bei der Erforschung beider Regionen vor den gleichen
technischen Herausforderungen stehen. Weder für die Tiefsee noch für den Mond
gibt es beispielsweise bisher eine Lösung für die Frage, wie sich
Roboter-Systeme ein Jahr lang allein und selbständig fortbewegen und messen
können, ohne ihre Batterien zu überstrapazieren. In diesem Projekt wollen wir
voneinander lernen und gemeinsam neue Ideen entwickeln", sagt Prof. Karin
Lochte, wissenschaftliche Direktorin des projektkoordinierenden
Alfred-Wegener-Instituts.
Auf dem ersten gemeinsamen wissenschaftlichen Workshop am MARUM in Bremen
wollen die Projektteilnehmer jetzt ihren Partnern aus dem jeweils anderen
Forschungsfeld Einblick in die eigene Forschung geben und den Stand der
Raumfahrt- oder Tiefseetechnik erläutern. Anhand gemeinsamer Kernfragen, wie
jener nach der Erkundung von extremen Lebensräumen und der Entnahme von Proben
dort, sollen neue, gemeinsame Technologieprojekte entwickelt werden.
"Wir Tiefseeforscher können sehr viel von den Raumfahrttechnikern lernen. Ein
Beispiel: Mit ihnen gemeinsam wollen wir eine Steuereinheit für die neuen
autonomen Tiefsee-Roboter-Systeme entwickeln, mit der das Gerät im Weg liegende
Objekte wie etwa Steine erkennt und ihnen ausweicht. Bisher nutzen wir nur
Unterwasserfahrzeuge, die über Kameras und Kabel mit uns verbunden sind und
ferngesteuert werden. In Zukunft sollen sie über längere Zeiträume allein ihren
Weg finden und dabei bestenfalls noch aus Fehlern lernen", erklärt Dr. Frank
Wenzhöfer, Tiefsee-Experte des Alfred-Wegener-Instituts.
Die Palette der Einsatzmöglichkeiten solcher intelligenten, eigenständig
agierenden Roboter-Systeme ist groß. Ginge es nach den Forschern, sollen sie in
Zukunft nicht nur selbständig Bodenproben an Tiefsee-Vulkanen oder auf der
Rückseite des Mondes nehmen, sondern auch helfen, Risiken der
Tiefsee-Exploration zu minimieren. "Angesichts der zunehmenden Nutzung der
Weltmeere brauchen wir Technologien, mit denen wir zum Beispiel Pipelines am
Meeresboden oder die Fundamente von Offshore-Anlagen zuverlässig und über große
Zeiträume hinweg überwachen können. Die ROBEX-Entwicklungen werden dafür einen
wichtigen Grundstein legen", hofft Lochte.
Die Helmholtz-Gemeinschaft fördert die auf fünf Jahre angelegte
Forschungsallianz mit insgesamt 15 Millionen Euro. Die gleiche Summe steuern
noch einmal die beteiligten Wissenschaftsinstitutionen bei. Die Projektpartner
sind: das Alfred-Wegener-Institut, fünf Institute des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR), das GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung
Kiel, das Deutsche Zentrum für künstliche Intelligenz (DFKI), das Zentrum für
Marine Umweltwissenschaften (MARUM) an der Universität Bremen, die Jacobs
University, die Technische Universität München, die Technische Universität
Dresden, die Technische Universität Kaiserslautern sowie die Technische
Universität Berlin.
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