Gierige Gasriesen um jungen Stern?
von Stefan Deiters astronews.com
2. Januar 2013
Mit dem Radioteleskop Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA) ist Astronomen jetzt der Blick auf eine entscheidende Phase
bei der Entstehung von Gasplaneten gelungen. Sie entdeckten gewaltige Ströme aus
Gas in der Lücke einer Scheibe aus Gas und Staub um einen jungen Stern. Ursache
der Ströme dürften Gasplaneten sein, die durch dieses Material weiterwachsen.
Künstlerische Darstellung der beiden
Staubscheiben um den jungen Stern HD 142527 und
der mit ALMA entdeckten Gasströme. Bild:
ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/M. Kornmesser (ESO)
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Ein internationales Astronomenteam hat mit Teilen des gerade in der chilenischen Atacamawüste
entstehenden Radioteleskop-Verbunds Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA)
den jungen Stern HD 142527 in über 450 Lichtjahren Entfernung
beobachtet. Der Stern ist von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben, bei der
es sich um Material handelt, das von der Entstehung der jungen Sonne übrig
geblieben ist.
Die Scheibe ist unterbrochen und so in zwei Bereiche unterteilt: Die innere Scheibe reicht vom
Stern bis in eine Entfernung, die in etwa der Entfernung des Gasriesen Saturn
in unserem Sonnensystem entspricht. Die äußere Scheibe beginnt dann 14-mal weiter außerhalb. Die Lücke,
so die Vermutung der Astronomen, hat sich durch in dieser Region entstandene
Gasplaneten gebildet, die das Gebiet entlang ihres Orbits quasi gesäubert haben.
Die äußere Scheibe ist nicht geschlossen, sondern erinnert von ihrer Form ein
wenig an ein Hufeisen.
Nach den Theorien der Astronomen sollten die Gasriesen durch Aufsammeln von
Material aus der äußeren Scheibe wachsen, das in Strömen die Lücke überbrückt.
"Astronomen haben diese Ströme vorhergesagt, es ist aber das erste Mal, dass wir
sie auch tatsächlich direkt beobachten können", freut sich Simon Casassus von
der Universidad de Chile, der die Untersuchung leitete. "Dank ALMA
haben wir nun direkte Beobachtungen, die ein neues Licht auf aktuelle Theorien
über die Planetenentstehung werfen."
Mit ALMA konnten die Forscher den jungen Stern im Submillimeterbereich
untersuchen und so Details erkennen, die bei früheren Beobachtungen nicht zu
sehen waren. Die Lücke in der Staubscheibe war den Astronomen schon
bekannt, nun entdeckten sie aber auch diffuses Gas in der Lücke
zwischen beiden Scheiben sowie zwei dichtere Gasströme, die die äußere Scheibe
durch die Lücke mit der inneren Scheibe verbinden.
"Wir glauben, dass jeder diese Ströme durch einen Gasriesen verursacht wird,
der sich in dem Bereich verbirgt", erläutert Teammitglied Sebastián Pérez von
der Universidad de Chile. "Die Planeten wachsen durch Einfang von Gas
aus der äußeren Scheibe, aber sie haben wirklich keine sonderlich guten
Tischmanieren, so dass nicht verbrauchtes Gas weiter zur inneren Scheibe
strömt."
Die Beobachtungen von HD 142527 können damit noch eine weitere Frage
beantworten, die die Scheibe um den jungen Stern bislang aufgeworfen
hatte: Da auch der Stern selbst noch wächst und sich dabei bei der inneren
Scheibe bedient, sollte diese eigentlich längst verschwunden sein, wenn sie
nicht irgendwie wieder aufgefrischt würde. Die Berechnungen des Teams zeigen,
dass die offenbar nicht von den Planeten aufgenommene Gasmenge, die in Richtung innerer
Scheibe strömt, groß genug ist, um die Größe der inneren Scheibe trotz des
Wachstums des Sterns zu erhalten.
Auch die Existenz des diffusen Gases in der Lücke war von den Astronomen
schon seit längerem vorhergesagt worden, doch hatte man bislang nur indirekte
Hinweise auf das Gas gefunden. Das hat sich nun dank ALMA geändert. Für die
Forscher ist dieses Gas ein zusätzliches Indiz für die Existenz von Gasplaneten in
der Lücke, da beispielsweise ein zweiter Stern an dieser Stelle kein Gas übrig
gelassen hätte. Aus der Menge des Gases hoffen die Astronomen künftig sogar Rückschlüsse
auf die Masse der Objekte ziehen zu können, die für die Lücke verantwortlich
sind.
Nur die Gasplaneten selbst hat das Team nicht aufspüren können. Überraschend
ist dies allerdings nicht: "Wir haben nach den Planeten mit modernen Infrarot-Instrumenten
an anderen Teleskopen gesucht", so Casassus. "Wir glauben jedoch,
dass diese Planeten noch immer stark von den wenig durchsichtigen Gasströmen
eingeschlossen sind. Von daher sind die Chancen sehr gering, diese Planeten
direkt zu beobachten."
Weitere Beobachtungen des Systems mit dem kompletten ALMA-Teleskopverbund
könnten jedoch schon bald weitere Informationen über die vermuteten Planeten um HD 142527
liefern. ALMA soll im März offiziell eingeweiht werden. Über ihre aktuellen
Beobachtungen von HD 142527 berichten die Astronomen in der morgen erscheinenden
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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