Bessere Schwerelosigkeit in Raketen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
19. November 2012
Von Nordschweden aus ist am Freitag die Forschungsrakete
REXUS 11 mit verschiedenen Experimenten von europäischen Studententeams an Bord
erfolgreich gestartet. Während des Flugs herrschte für rund zwei Minuten
Schwerelosigkeit. In dieser Zeit wurde unter anderem ein Verfahren getestet, mit
dem sich die Qualität der Schwerelosigkeit auf Forschungsraketen noch verbessern
lässt.
Durch eine dichte Nebelbank startete REXUS 11 am
16. November 2012 um 11.45 Uhr MEZ vom
Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Schweden.
Foto: DLR |
Wie lässt sich die Qualität der Schwerelosigkeit auf Forschungsraketen
verbessern? Dieser Frage ging jetzt ein Studententeam der FH Aachen auf der
Forschungsrakete REXUS 11 nach. Die Rakete des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) startete am 16. November 2012 um 11.45 Uhr MEZ vom
Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden. Neben einem zweiten
deutschen Experiment von Studenten der TU Dresden waren auch Versuche von Teams
aus Irland, Schweden und der Schweiz mit an Bord.
Auf seinem Flug erreichte REXUS 11 eine Höhe von rund 79 Kilometern. Dabei
herrschte für etwa zwei Minuten Schwerelosigkeit. Nach der Landung am Fallschirm
wurde die Nutzlast von einem Hubschrauberteam geborgen und zur Raketenbasis
zurückgebracht, wo die Studenten mit der Auswertung der Daten beginnen konnten.
Studierende der FH Aachen wollen mit ihrem Experiment ADIOS (Advanced
Isolation on Sounding Rockets) die Schwerelosigkeitsforschung auf Höhenraketen
verbessern. Während eines Fluges treten Vibrationen auf, die durch die
Raketensysteme und Experimentapparaturen verursacht werden. Diese Schwingungen
übertragen sich auf sämtliche Experimente und verhindern durch die
Bewegungsimpulse eine optimale Wirkung der Schwerelosigkeit. Um diese
Übertragung zu reduzieren, haben die Nachwuchswissenschaftler eine
kostengünstige Plattform entwickelt, bei der die Experimentkammer während der
Schwerelosigkeitsphase des Raketenflugs frei schwebt. So wollen sie eine
durchschnittliche Dämpfung der Vibrationen um 90 Prozent erreichen. ADIOS stellt
eine Weiterentwicklung des VibraDamp-Experiments dar, das im März 2007
auf der REXUS-7-Rakete geflogen war.
Das Experiment CaRu (Experiment on Capillarity under Microgravity shown with
Runge Pictures) vom Team der TU Dresden bringt während der
Schwerelosigkeits-Phase des Fluges in einer Druckkammer eine Flüssigkeit auf
stark saugfähiges Papier auf. Wie breitet sich die Flüssigkeit aus? Gibt es
Unterschiede zum Verhalten unter Schwerkraft? Läuft die Reaktion beispielsweise
schneller ab? Diese Fragen will CaRu beantworten. Das sichtbare Ergebnis -
unregelmäßige Kreise, die sich durch ihre Farbgebung unterscheiden - werden
dabei von einer hochauflösenden Kamera aufgezeichnet.
Die beiden Experimente Telescobe als auch GGES (Gravity Gradient
Earth Sensor) demonstrieren hingegen neuartige Technologien. Während
Telescobe vom Team des Dublin Institute of Technology einen
Teleskoparm ausfahren sollte, auf dem Messungen in zwei Metern Entfernung von
der Rakete vorgenommen werden können, testete GGES, das Experiment von Studenten
der EPFL Lausanne Sensoren zur Bestimmung der Ausrichtung der Rakete im Raum.
Diese Sensoren können zukünftig auf Satelliten verwendet werden.
Die Gruppe von der KTH Stockholm geht mit ihrem Experiment RAIN (Rocket
Deployed Atmospheric Probes Conducting Independent Measurements in Northern
Sweden) sogar noch einen Schritt weiter, um Daten außerhalb der Rakete zu
sammeln. Zwei eigenständige mit Fallschirmen ausgerüstete Messflugkörper sollten
während des Fluges abgeworfen werden um Feinstäube in der Luft zu sammeln.
Der Flug von REXUS 11 musste wegen eines technischen Problems beim
Fallschirmsystem verschoben werden. Die Schwesterrakete REXUS 12 war bereits am
Montag, 19. März 2012 mit vier Experimenten zur Vibrationsmessung,
Technik-Erprobung und Planetenforschung gestartet (astronews.com
berichtete). Das Experiment SPACE
(Suborbital Particle Aggregation and Collision Experiment) vom Team der
Technischen Universität Braunschweig filmte während des Fluges das Verhalten von
Staubkörnern in Schwerelosigkeit. Stoßen die Staubteilchen zusammen, so haften
sie unter bestimmten Bedingungen aneinander und bilden Klumpen. Dieser Vorgang
wird heute als wesentlicher Prozess für das Wachstum von Planeten angesehen.
Das Experiment SOMID (Solid-born Sound Measurement for the Independent
Detection of Nominal and Non-Nominal Events on Space Vehicles) von Studenten der
Universität der Bundeswehr in München maß mit Hilfe von vier hochsensiblen
Sensoren die Vibrationen, die in der Raketenstruktur während des Fluges
auftreten. Da sich das Schwingungsverhalten von intakten und defekten Bauteilen
unterscheidet wollten sie so die Funktionsfähigkeit verschiedener Komponenten
überprüfen.
Mit an Bord war auch das Experiment REDEMPTION (Removal of Debris using
Material with Phase Transition Ionospherical tests) von Studenten der
Universität Bologna zur Erforschung des Verhaltens von Zweikomponentenschaum in
Schwerelosigkeit. Mit seiner Hilfe sollen in Zukunft kleinere Partikel des im
All umherfliegenden Weltraumschrotts eingeschlossen und dabei unschädlich
gemacht werden. Mit Suaineadh - der Name ist gälischen Ursprungs und
bedeutet "drehen" - erprobten Studenten der Universitäten Glasgow, Strathclyde
und der KTH Stockholm die Entfaltung eines 2 mal 2 Meter großes Netzes im
Weltraum mit Hilfe der Zentrifugalkraft. Derartige Konstruktionen sparen beim
Raketenstart Platz und Gewicht und könnten in Zukunft herkömmliche Strukturen
für Weltrauminfrastruktur ergänzen.
Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für
Universitäts-Studenten) ermöglicht Studenten, eigene praktische Erfahrungen bei
der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre
Vorschläge für Experimente können jährlich im Herbst eingereicht werden. Jeweils
die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher
Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur
SNSB hat den schwedischen Anteil für Studenten der übrigen Mitgliedsstaaten der
Europäischen Weltraumorganisation ESA geöffnet.
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