Zwei Sternhaufen auf Kollisionskurs
von Stefan Deiters astronews.com
22. August 2012
Astronomen haben mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble zwei
Sternhaufen aus massereichen Sternen aufgespürt, die gerade anfangen zu
verschmelzen. Bislang hatte man die gewaltige Ansammlung von Sternen in der
Sternentstehungsregion 30 Doradus in der Großen Magellanschen Wolke für einen
einzelnen Sternhaufen gehalten.
Die beiden im Zentrum von 30 Doradus
entdeckten Sternhaufen, die man bislang für einen
Sternhaufen hielt.
Bild: NASA, ESA, und E. Sabbi (ESA/STScI)
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30 Doradus ist eine gewaltige Sternentstehungsregion in der Großen
Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie der Milchstraße in rund 170.000
Lichtjahren Entfernung. Sie ist auch unter dem Namen Tarantelnebel oder NGC 2070
bekannt. In der Region entstehen seit rund 25 Millionen Jahren Sterne. Elena
Sabbi vom Space Telescope Science Institute hat mit ihrem Team hier nach Sternen
gesucht, die eine auffällig hohe Geschwindigkeit haben und daher offenbar aus
dem Sternhaufen gekickt wurden, in dem sie entstanden sind.
"Sterne sollten in der Regel in Sternhaufen entstehen. Es gibt aber viele
junge Sterne außerhalb von 30 Doradus, die nicht an der Stelle entstanden sein
können, wo sie sich heute befinden", erläutert Sabbi. "Sie wurden mit sehr hoher
Geschwindigkeit aus 30 Doradus hinausgeschleudert."
Bei der Untersuchung des zentralen Sternhaufens von 30 Doradus fiel den
Astronomen dann
etwas Ungewöhnliches auf: Die Verteilung der von Hubble beobachteten massearmen
Sterne war nicht sphärisch wie eigentlich erwartet, sondern ähnelte etwas dem
Aussehen von zwei verschmelzenden Galaxien, die durch den
gegenseitigen gravitativen Einfluss ein wenig in die Länge gezogen werden. Ein
weiterer Hinweis darauf, dass es sich hier um zwei und nicht nur um einen Haufen
handeln könnte, lieferte die Altersbestimmung der beiden Haufenkomponenten:
Zwischen ihnen gibt es offenbar eine
Altersdifferenz von rund einer Million Jahren.
Astronomen vermuten, dass die gewaltigen Gaswolken, aus denen sich
Sternhaufen bilden, fragmentieren können. Nachdem in den einzelnen Teilen Sternen entstanden sind, können die jungen Haufen dann wechselwirken und
verschmelzen und so zu größeren Systemen werden. Genau dies passiert nach
Ansicht von Sabbi und ihrem Team auch im Fall des Sternhaufens in 30 Doradus.
Die zahlreichen Sterne mit hoher Geschwindigkeit, die man in der
Umgebung von 30 Doradus gefunden hat, dürften durch dynamische Wechselwirkungen
zwischen den Sternen aus dem Zentrum des Sternhaufens geschleudert worden sein. Solche Wechselwirkungen sind nichts
Ungewöhnliches in Sternhaufen die gerade einen sogenannten Core Collaps
durchlaufen, einen Prozess, bei dem massereichere Sterne durch Wechselwirkungen mit masseärmeren Sternen ins Zentrum des Haufens wandern. Die
hohe Konzentration von massereichen Sternen im Zentrum macht den Kern dann
instabil und die Sternen beginnen, sich gegenseitig aus dem Haufen zu kicken.
Der große, als R136 bezeichnete Haufen im Zentrum von 30 Doradus ist
allerdings noch zu jung, um schon einen solchen Core Collaps durchlaufen zu
haben. In masseärmeren Haufen läuft der Core Collaps jedoch deutlich schneller ab,
weshalb sich die hohe Zahl von Sternen mit hoher Geschwindigkeit sehr viel
besser erklären lässt, wenn man von der Verschmelzung eines kleineren Haufens
mit R136 ausgeht.
Bei weiteren Beobachtungen wollen die Astronomen nun nach weiteren
Sternhaufen Ausschau halten, die eventuell mit den beide Haufen wechselwirken
könnten. Dabei könnte auch der Hubble-Nachfolger, das James
Webb Space Telescope, helfen, dessen Infrarotblick auch Sterne in den Regionen enthüllen
könnte, die im sichtbaren Bereich des Lichts durch Gas und Staub verborgen sind.
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