Lichtbogen verrät entfernten Galaxienhaufen
von Stefan Deiters astronews.com
27. Juni 2012
Astronomen haben mit dem Weltraumteleskop Hubble in
großer Entfernung einen Lichtbogen aufgespürt, bei dem es sich offenbar um das
verzerrte Bild einer noch entfernteren Galaxie handelt. Den dazu erforderlichen
Galaxienhaufen konnte dann das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer
aufspüren. Er dürfte einer der massereichsten Haufen in dieser Entfernung sein.
Hubble-Aufnahme des durch den Galaxienhaufen
IDCS J1426.5+3508 erzeugten Bilds einer noch
entfernteren Galaxie.
Bild: NASA, ESA und A. Gonzalez
(University of Florida, Gainesville), A. Stanford
(University of California, Davis und Lawrence
Livermore National Laboratory), und M. Brodwin
(University of Missouri-Kansas City und
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics) [Großansicht] |
Große Ansammlungen von Materie, wie beispielsweise gewaltige Galaxienhaufen,
können das Licht von hinter ihnen liegenden Galaxien so ablenken, dass es
uns verzerrt und verstärkt erscheint. Die Galaxienhaufen wirken somit wie
riesige natürliche Linsen und gewähren Astronomen dadurch einen Blick in
entfernte Regionen des Universums, der ihnen ohne diese Hilfe nicht möglich
gewesen wäre. Die entfernten Galaxien erscheinen durch diesen sogenannten
Gravitationslinseneffekt oft als langgestreckte Bögen um die Massenkonzentration
des Haufens.
Mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble haben Forscher nun einen
solchen Bogen in ungewöhnlich großer Entfernung entdeckt. "Als ich ihn zuerst
gesehen habe, dachte ich, dass er verschwinden würde, wenn ich nur lange genug
hinschaue", erinnert sich Anthony Gonzales von der University of Florida
in Gainsville, der die Untersuchung leitete. "Die Statistik sagt uns nämlich,
dass solche Bögen in dieser Entfernung extrem selten sein sollten. In dieser
frühen Phase des Universums, dürfte es nämlich kaum ausreichend Galaxien hinter
einem Galaxienhaufen geben, die noch hell genug sind, um dann durch den
Gravitationslinseneffekt sichtbar zu werden. Ein weiteres Problem ist, dass die
Galaxienhaufen immer weniger massereich sind, je weiter man in die Vergangenheit
schaut. Es wird also immer schwieriger einen ausreichend massereichen
Galaxienhaufen zu finden, der als Linse wirken kann."
Galaxienhaufen sind Ansammlungen von vielen Hundert bis zu Tausenden von
Galaxien und sind die größten gebundenen Strukturen im Universum. Um
Galaxienhaufen in unserer Nähe hat man zahlreiche Beispiele für durch den
Gravitationslinseneffekt verzerrten Galaxien gefunden. Der jetzt mit Hubble
aufgespürte Lichtbogen deutet allerdings auf einen Galaxienhaufen hin, dessen
Licht rund zehn Milliarden Jahre unterwegs war, bevor es die Erde erreicht hat.
Der massereiche Haufen müsste also schon zu einer Zeit existiert haben, als
unser Universum gerade einmal rund ein Viertel seines heutigen Alters hatte.
Mit Hilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer, dessen Daten mit
Archivaufnahmen kombiniert wurden, gelang es den Astronomen dann tatsächlich,
hier den massereichen Galaxienhaufen nachzuweisen, der für den Lichtbogen
verantwortlich ist. IDCS J1426.5+3508, so seine Bezeichnung, hat etwa die
500-billionenfache Masse unserer Sonne und ist etwa fünf- bis zehnmal größer als
andere Haufen in dieser Epoche des Universums.
Bei dem Haufen handelt es sich zudem um den entferntesten Galaxienhaufen, der
für einen solchen, auf den Gravitationslinseneffekt beruhenden Lichtbogen
verantwortlich ist. Sein Studium könnte den Wissenschaftlern also einiges über
das Wachstum von Galaxiengruppierungen im jungen Universum verraten.
"Die Wahrscheinlichkeit, einen solchen gewaltigen Galaxienhaufen so früh im
Universum in dem von uns untersuchten Himmelsbereich zu finden, war geringer als
ein Prozent", so Teammitglied Mark Brodwin von der University of
Missouri-Kansas City. "Seine Entwicklung sollte der von einigen der
massereichsten, heute zu beobachtenden Galaxienhaufen entsprechen, wie etwa der
des Comahaufens oder auch der des jüngst entdeckten Haufens El Gordo." Über die
Entdeckung von "El Gordo" hatte astronews.com im Januar dieses Jahres berichtet.
Die Galaxie, deren Licht durch IDCS J1426.5+3508 verzerrt und verstärkt
wurde, ist noch weiter von der Erde entfernt als der Haufen selbst. In ihr
dürften gerade mit einer hohen Rate neue Sterne entstehen. Die Astronomen
hoffen, mit Hilfe weiterer Hubble-Beobachtungen die Entfernung dieser
Galaxie genauer bestimmen zu können. Die Untersuchung des Teams wird in drei
Fachartikeln beschrieben, die in der Zeitschrift The Astrophysical Journal
erscheinen.
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