Eine Zwerggalaxie frisst die andere
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
10. Februar 2012
Astronomen haben zum ersten Mal eine Zwerggalaxie beobachtet, die gerade
dabei ist, sich eine andere, noch kleinere Galaxie einzuverleiben. Den
Forschern könnte dieser Fund einiges über die Entwicklung dieser Systeme verraten. Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler
vergleichsweise kleine Teleskope und arbeiteten dabei mit
Amateurastronomen zusammen.
Die Zwerggalaxie NGC 4449 (oben links) und die
noch kleinere Galaxie, die dabei ist, von ihr
verschlungen zu werden (unten rechts).
Bild: R. Jay GaBany (Blackbird
Observatory) in Zusammenarbeit mit David
Martínez-Delgado (MPIA) [Großansicht] |
Die heute allgemein akzeptierten Modelle der Galaxienentwicklung beruhen
auf Kannibalismus und gigantischen Verschmelzungen von Sternsystemen:
Kleinere Galaxien verschmelzen in mehreren Schritten miteinander, bis
große Galaxien wie unsere Milchstraße oder ihre noch massereicheren
Vettern entstanden sind. Bevor diese Kette von Verschmelzungen von
Galaxien und ihren Sternen allerdings ihren Anfang nehmen kann, müssen
überhaupt erst einmal Sterne vorhanden sein. Diese ersten Sterne, so die
Vorstellung, entstanden direkt, als Gaswolken unter ihrer eigenen
Schwerkraft kollabierten. Erreicht die Materie dabei eine bestimmte
kritische Dichte und Temperatur, dann setzen Fusionsreaktionen ein und
ein Stern ist geboren.
Es ist vorstellbar, dass Galaxien der kleinsten bekannten Klasse,
sogenannte Zwerggalaxien, direkt auf diese Weise entstehen können - und
dass sie dann erst einmal weiterwachsen, wenn weiteres Gas auf sie
fällt, aus dem dann neue Sterne entstehen. Tatsächlich waren bei solchen
Galaxien nämlich bislang keine Verschmelzungen beobachtet worden. Jetzt
aber haben gleich zwei Forschergruppen, eine unter der Leitung von David
Martínez-Delgado vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), die
andere geleitet von Michael Rich von der University of California at
Los Angeles (UCLA), unabhängig voneinander das erste gesicherte
Beispiel für eine Verschmelzung zwischen zwei Mini-Galaxien beobachtet.
Sie fanden deutliche Hinweise darauf, dass es sich bei einem kleinen,
erstmals 2007 nachgewiesenen Begleitobjekt der Zwerggalaxie NGC 4449 im
Sternbild Jagdhunde um eine noch kleinere Zwerggalaxie handelt, die kurz
davor steht, von NGC 4449 verschluckt zu werden.
"Eine Reihe von Modellen sagt vorher, dass Zwerge andere Zwerge
verschlingen sollten", erläutert Martínez-Delgado. "Jetzt haben wir
solch eine Mahlzeit erstmals direkt beobachten können und so ein
wichtiges Puzzlestück der Galaxienentwicklung gefunden. Außerdem ist uns
NGC 4449 relativ nahe. Dies zeigt, dass solche Prozesse auch im heutigen
Universum noch eine Rolle spielen. Sie müssen berücksichtigt werden, um
unsere kosmische Nachbarschaft zu verstehen."
Michelle Collins vom MPIA, die in der Rich-Gruppe die Form der
Zwerggalaxie untersucht hat, fügt hinzu: "Jetzt wo wir wissen, wie eine
halbverdaute Zwerggalaxie aussieht, sollten wir in der Lage sein,
weitere Beispiele für Zwerge zu finden, die andere Zwerge verschlingen.
Sobald hinreichend viele Beispiele gefunden sind, stehen unsere Modelle
der ersten Stadien des Galaxienwachstums auf einer sicheren Grundlage -
oder wir sehen daran, was den Modellen noch fehlt."
Massenschätzungen für den verzerrten Zwerg legen nahe, dass er
beträchtliche Mengen an Dunkler Materie enthält, die kein Licht
aussendet und mit herkömmlicher, atomarer Materie nur durch ihre
Schwerkraft in Wechselwirkung tritt. Trifft dies zu, dann könnte es sich
um eine "versteckte Verschmelzung" handeln, bei der eine Galaxie mit
einem Objekt verschmilzt, dass leuchtschwach und dementsprechend nur
schwierig nachzuweisen ist, aber aufgrund seiner hohen Masse trotzdem
einen merklichen Einfluss auf Form, Größe und Dynamik der größeren
Galaxie ausübt.
Beide Gruppen nutzten bei ihren Untersuchungen der verzerrten Galaxie
vergleichsweise kleine Instrumente und arbeiteten zu diesem Zweck mit
Amateurastronomen zusammen: Rich und seine Kollegen nutzten im Mai und
Juni 2011 das Saturn Lodge 70-cm-Teleskop auf dem Gelände der
Polaris Observatory Association und Martínez-Delgado und sein
Team nutzten zwischen April 2010 und Januar 2011 das 50-cm-Teleskop des
Amateurastronomen R. Jay GaBanys an dessen Black Bird Observatory.
Martínez-Delgado und seine Kollegen führten außerdem im Januar 2011
Nachbeobachtungen mit dem SUBARU-Teleskop auf Hawaii durch und gewannen
so Bilder, in denen einzelne Sterne der kleineren Galaxie zu sehen sind.
Die Gruppe um Rich berichtet über ihre Ergebnisse in der aktuellen
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature. Martínez-Delgado
und sein Team beschreiben ihre Untersuchung in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erscheinen wird.
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