Verschlingt das Schwarze Loch Asteroiden?
von Stefan Deiters astronews.com
9. Februar 2012
Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer
Milchstraße könnte sich regelmäßig Asteroiden einverleiben. Zu diesem Schluss
kamen Astronomen nun nach Auswertung von Daten des NASA-Röntgenteleskops
Chandra. Das Szenario würde das häufige Aufleuchten im Röntgenbereich erklären,
das aus unmittelbarer Umgebung der Schwerkraftfalle beobachtet wurde.
Sorgen regelmäßig ins Schwarze Loch stürzende
Asteroiden für das mysteriöse Aufleuchten im
Röntgenbereich?.
Bild: NASA / CXC / M.Weiss |
Im Zentrum unserer Milchstraße befindet sich, da sind sich alle Astronomen
einig, ein supermassereiches Schwarzes Loch. Von der Erde aus gesehen liegt es
im Sternbild Schütze und wird als Sagittarius A* bezeichnet. Seit mehreren Jahren schon hat das NASA-Weltraumteleskop
Chandra von hier ein wiederholtes Aufleuchten im Röntgenbereich
beobachtet, das im Schnitt einmal täglich aufzutreten scheint. Das mysteriöse Aufleuchten dauert jeweils einige Stunden. In
dieser Zeit kann sich die Helligkeit von Sagittarius A* auf das 100-Fache in diesem Wellenlängenbereich erhöhen. Das Aufleuchten wurde auch vom
Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte
in Chile im Infraroten registriert.
"Es gab immer wieder Zweifel daran, ob sich Asteroiden überhaupt in der recht
harschen Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs bilden können", so
Kastytis Zubovas von der University of Leicester, der auch Hauptautor eines
Fachartikels der Studie ist, die in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erscheint. "Es ist faszinierend, dass unsere Untersuchung
nun darauf hindeutet, dass eine große Zahl von ihnen nötig ist, um dieses
Aufleuchten zu erzeugen."
Zubovas und seine Kollegen glauben, dass sich rund um Sagittarius A* eine
Wolke aus Billionen von Asteroiden und Kometen befindet, die aus den
Umlaufbahnen ihres ursprünglichen Zentralsterns gerissen worden sind. Nähert
sich nun ein Asteroid dem Schwarzen Loch auf rund 160 Millionen Kilometer an,
zerbricht er durch die enormen Gezeitenkräfte der Schwerkraftfalle. Die
Entfernung entspricht in etwa dem Abstand der Erde von der Sonne. Die
Bruchstücke würden dann durch die Reibung mit dem dünnen heißen Gas, das
in das Schwarze Loch strömt, verdampfen - ganz ähnlich wie ein Meteor in der
Erdatmosphäre. Es kommt zu einem Aufleuchten und die Überreste des
Asteroiden verschwinden im Schwarzen Loch.
"Die Bahn eines Asteroiden kann sich verändern, wenn er einem Stern oder
Planeten in der Nähe von Sagittarius A* einmal zu nahe kommt", erläutert
Co-Autor Sergei Nayakshin, der auch an der University of Leicester forscht.
"Wenn er einmal in Richtung des Schwarzen Lochs gelenkt wird, ist er verloren."
Die Wissenschaftler schätzen, dass für ein Aufleuchten, wie es Chandra
wiederholt
beobachtet hat, ein Asteroid mit einem Durchmesser von mindestens rund 20
Kilometern nötig ist. Bei kleineren Asteroiden würde das Aufleuchten
entsprechend schwächer ausfallen und wäre schwieriger zu entdecken.
Die Ergebnisse stimmen nach Angaben der Astronomen in etwa mit Modellen
überein, die die Anzahl von Asteroiden in dieser Region abzuschätzen versuchen.
Diese gehen davon aus, dass es um Sterne im Zentrum der Milchstraße ähnlich
viele Asteroiden gibt, wie um Sterne in unserer näheren Umgebung. "In den vergangenen zehn Milliarden Jahren,
entsprechend etwa dem Alter unserer Galaxie, sollten einige Billionen Asteroiden durch das Schwarze Loch von ihren
Sternen abgezogen worden sein", rechnet Teammitglied Sera Markoff von der Universität
von Amsterdam vor. "Davon dürfte das Schwarze Loch bislang nur einen winzigen Bruchteil
verschluckt haben, so dass der Vorrat an Asteroiden bislang kaum verbraucht ist."
Auch Planeten, die auf ihren Bahnen abgelenkt werden und dann Sagittarius A* zu
nahe kommen, könnten von den enormen Gezeitenkräften zerstört werden und für ein
Aufleuchten sorgen. Doch sollten
solche Ereignisse sehr viel seltener vorkommen als die Zerstörung von Asteroiden
- einfach weil es deutlich weniger Planeten als Asteroiden gibt. Ein
zerstörter Planet könnte aber beispielsweise für ein erheblich stärkeres
Aufleuchten von Sagittarius A* vor etwa einem Jahrhundert verantwortlich gewesen
sein. Zwar verfügte man damals noch über keine Röntgenteleskope, um dies zu
beobachten, doch registrierten Chandra und andere Teleskope Reflexionen des
damaligen Aufleuchtens an nahegelegenen Gaswolken, ein sogenanntes Lichtecho. 2012
sind erneut längere Beobachtungen von Sagittarius A* mit Chandra
geplant. Diese sollten neue Informationen über Häufigkeit und Helligkeit des
mysteriösen Aufleuchtens liefern und damit auch neue Daten bereitstellen, mit
denen das jetzt vorgestellte Modell getestet werden kann.
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