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SDO
Verdampfen eines Kometen beobachtet
von Stefan Deiters
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26. Januar 2012

Kometen sind Brocken aus Staub und Eis, die die Sonne umkreisen und dabei unserem Zentralstern manchmal auch zu nahe kommen. Ihr Schicksal ist dann besiegelt: Sie verdampfen in der enormen Hitze. Astronomen ist es im Sommer des vergangenen Jahres erstmals gelungen, diesen Vorgang zu verfolgen. Bei aller Begeisterung darüber rätseln sie nun, warum dies eigentlich möglich war.

Komet

Ein sich der Sonne nähernder Sungrazer Anfang Juli 2011 auf einer Aufnahme des Sonnenobservatoriums SOHO. Bild: SOHO (ESA & NASA)

"Kometen sind eigentlich zu leuchtschwach, um sie im gleißend hellen Licht der Sonne sehen zu können", erklärt Dean Pesnell vom Goddard Space Flight Center der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Pesnell ist Projektwissenschaftler für das Solar Dynamics Observatory (SDO), mit dem die Beobachtungen gelungen sind. "Wir haben den Menschen immer erzählt, dass wir deswegen nie einen Kometen mit SDO sehen werden."

Doch ein sehr heller Komet aus der Kreutz-Gruppe sollte die Astronomen eines Besseren belehren: Auf Bildern des SDO war deutlich zu erkennen, wie er - von rechts kommend - vor der Sonnenscheibe entlang wandert und nach rund 20 Minuten vollkommen verdampft ist. Der kleine Film, den die NASA auf ihrer Webseite veröffentlicht hat, ist mehr als eine wissenschaftliche Kuriosität: In einem in der vergangenen Woche erschienenen Fachartikel im Wissenschaftsmagazin Science beschreiben die Wissenschaftler, wie sich aus den Beobachtungen Rückschlüsse auf Größe und Masse des verdampften Kometen ziehen lassen. Der Komet, so das Ergebnis der Analyse, muss einen Durchmesser von 45 bis 90 Metern gehabt haben und in etwa so schwer wie ein Flugzeugträger gewesen sein.

"Natürlich verhielt sich dieser Komet deutlich anders als ein Flugzeugträger", so Karel Schrijver, der als Sonnenphysiker bei Lockheed Martin in Palo Alto arbeitet und für das Atmospheric Imaging Assembly genannte Instrument an Bord von SDO verantwortlich ist, mit dem die Bilder gemacht wurden. "Er hat sich mit fast 390 Kilometern pro Sekunde durch die gewaltige Hitze der Sonne bewegt und ist dabei im wahrsten Sinne des Wortes verdampft."

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Kometen der Kreutz-Gruppe zeichnen sich dadurch aus, dass sie der Sonne sehr nahe kommen. Sie werden daher auch Sonnenkratzer oder Sungrazer genannt. Normalerweise sind sie nur bei Beobachtungen mit einem Koronografen zu sehen, bei denen die helle Sonnenscheibe durch eine Blende verdeckt wird, so dass die äußere Atmosphäre der Sonne, die Korona, sichtbar wird. Das Sonnenobservatorium SOHO spürt alle paar Tage einen solchen Sonnenkratzer auf und kann ihn für einige Zeit verfolgen, bis er schließlich hinter der Blende verschwindet. In den meisten Fällen taucht er anschließend nicht mehr auf: Er verdampft in Sonnennähe.

Einen besonders hellen Sonnenkratzer hatte Schrijver auch Anfang Juli 2011 auf einem Bild von SOHO entdeckt. Er überprüfte dann, ob der Komet auch auf Bildern des SDO zu sehen ist. Zu seiner Überraschung war er es. Der aus den Bildern erstellte Film sorgte bald nicht nur unter Sonnenphysikern für Begeisterung. Manche Wissenschaftler waren anfangs skeptisch: "Aber als ich den Film gesehen hatte, gab es keine Zweifel mehr", so Teammitglied Karl Battams von Naval Research Laboratory in Washington. "Ich war so daran gewöhnt, Kometen auf SOHO-Bildern einfach verschwinden zu sehen, dass es schon atemberaubend war, jetzt tatsächlich verfolgen zu können, wie einer in der Korona verdampft."

Doch damit begann die eigentliche Arbeit für das Team erst: Die Beobachtungen ermöglichten nämlich auch Rückschlüsse auf Größe und Masse des Kometen. Die jetzt vorgestellte Analyse der Wissenschaftler ergab, dass sich der Komet der Sonnenoberfläche bis auf knapp 100.000 Kilometer genähert haben muss, bevor er schließlich verdampft ist. Zuletzt war sein Kern dabei in mehrere 10 bis 50 Meter durchmessende Brocken zerbrochen, die alle in eine rund 1.200 Kilometer durchmessende Koma eingebettet waren. Daran schloss sich ein 16.000 Kilometer langer leuchtender Schweif an.

Auf dem Video sind ausschließlich Koma und Schweif zu erkennen und nicht etwa der Kometenkern selbst. Der Schweif des Kometen wird dabei im Verlauf des Films deutlich heller - warum das so ist, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden. Und auch eine noch grundsätzlichere Frage beschäftigt die Wissenschaftler bis heute: "Normalerweise", so Pesnell, "absorbiert ein Komet vor der Sonne das Sonnenlicht. Man würde also einen dunklen Fleck vor der Sonne erwarten, nicht einen hellen. Es gibt auch in der Sonnenkorona nicht ausreichend Material, das den Kometen zum Leuchten bringen könnte, wie es die Erdatmosphäre bei Meteoren tut. Eine der wirklich großen Fragen ist also: Warum konnten wir das Ganze überhaupt sehen?"

Eine Beantwortung dieser Frage dürfte den Wissenschaftlern nicht nur mehr über das Material verraten, aus dem Kometen bestehen, sondern auch über die Atmosphäre der Sonne. Dazu müsste SDO aber erst einmal weitere Kometen vor der Sonnenscheibe aufspüren. Vielleicht sind die Chancen dafür ja angesichts eines Sonnenkratzers alle paar Tage nicht allzu schlecht.   

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siehe auch
Komet Lovejoy: Ein Weihnachtskomet für die Südhalbkugel - 23. Dezember 2011
SOHO: Sonnensonde findet 1500. Kometen - 14. Juli 2008
Sungrazer: Kometen zerbrechen überall - 29. September 2002
Links im WWW
Solar Dynamics Observatory, Webseite der NASA
Film, der das Verdampfen des Kometen vor der Sonne zeigt (NASA-Seite)
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