Weltraumsimulation auf der Erde
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
27. Oktober 2011
Beim DLR in Göttingen lässt sich ab heute der Weltraum simulieren: In
einer großen Vakuumkammer können künftig elektrische Triebwerke unter
fast realen Bedingungen getestet werden. Das DLR-Institut verfügt damit
über eine europaweit einzigartige Versuchsanlage. Sie ist Teil eines
Kompetenzzentrums für Klein- und Mikroantriebe in Niedersachsen.
In der STG-ET werden künftig elektrische
Antriebe für Raumfahrzeuge untersucht.
Foto: DLR |
236 Kubikmeter Weltraum mitten in Göttingen - im Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) kann künftig unter realistischen Bedingungen
an Raumfahrtantrieben geforscht werden. Heute ist dort nämlich die neue
"Simulationsanlage für Treibstrahlen Göttingen - Elektrische
Triebwerke", kurz STG-ET, eingeweiht worden. Kernstück ist eine
Vakuumkammer, in der ein Stück Weltraum auf Erden simuliert wird. Bei
Temperaturen von bis zu minus 268 Grad Celsius untersuchen die Forscher
hier elektrische Raumfahrtantriebe. Mit der STG-ET wird Göttingen zu
einem europaweit bedeutenden Schwerpunkt der
Satellitenantriebsforschung.
"Diese Anlage bietet neuartige technologische Möglichkeiten zum
Entwickeln von Antriebseinheiten und soll europaweit die Referenz für
Tests an elektrischen Triebwerke werden", sagte Prof. Dr.
Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des DLR, bei der
Einweihungsfeier. Die Größe der Anlage - sie ist 12 Meter lang und hat
einen Durchmesser von 5 Meter – erlaubt es, ganze Satelliten-Teile zu
untersuchen. Künftig sollen hier elektrische Raumfahrtantriebe in
Langzeittests sowie die Auswirkung des Antriebsstrahles auf Satelliten
erforscht werden.
"In der hohen Realitätstreue unterscheidet sich die Anlage von
bestehenden europäischen Anlagen. Das Hintergrundvakuum, das wir hier
erzeugen können, ist einzigartig", so Prof. Dr. Andreas Dillmann, Leiter
des DLR-Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik. Das DLR in
Göttingen forscht bereits seit Jahrzehnten an der Wechselwirkung
zwischen den Antriebsstrahlen chemischer Steuertriebwerken und
Raumfahrzeugen. Die STG-ET erweitert die Untersuchungsmöglichkeiten auf
elektrische Triebwerke. Die STG-ET soll bestehende und eine derzeit
ebenfalls im Aufbau befindliche Anlage zum Kompetenzzentrum für Klein-
und Mikroantriebe Niedersachsen ergänzen.
"Das neue Kompetenzzentrum ist eine herausragende Forschungsstätte unter
Weltraumbedingungen. Sie wird nicht nur Niedersachsen als einen
europaweit bedeutenden Forschungsstandort für Satellitenantriebe
stärken, sondern auch als attraktive Ausbildungsplattform für unseren
wissenschaftlichen Nachwuchs dienen", sagte Prof. Dr. Johanna Wanka, die
niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur.
Elektrische Antriebe - Beispiele hierfür sind Ionentriebwerke - sind
seit langem vor allem in der Science Fiction bekannt. Dabei hat der
Raketenpionier Hermann Oberth bereits in den 1920er Jahren das Prinzip
entdeckt. Heute werden elektrische Antriebe in der Raumfahrt immer
wichtiger. Speziell bei Kompaktsatelliten, interplanetaren Missionen
oder Satellitenformationen werden sie an Bedeutung gewinnen. Die Atome
des Treibstoffs (meist Xenon) werden dabei ionisiert. Anschließend
werden sie in einem elektrischen Feld auf hohe Geschwindigkeit
beschleunigt und ausgestoßen. Der Treibstoff kann dadurch viel besser
zur Schuberzeugung genutzt werden als beim herkömmlichen chemischen
Antrieb, bei dem Treibstoffe verbrannt oder katalytisch zersetzt werden.
Allerdings ist es unvermeidlich, dass die Ionenstrahlen auf Teile des
Raumfahrzeugs aufschlagen und dabei Schäden anrichten können.
Beispielsweise können Solarpanels, die Kraftwerke von Satelliten,
verdunkeln und schließlich ausfallen. Dies zu erforschen und die Schäden
zu verringern ist Ziel der Göttinger Forscher. Hierzu ist es notwendig,
den Ionenstrahl und seine Wirkung auf verschiedene Materialoberflächen
genau zu kennen und eine möglichst realistische Nachbildung des
Weltraum-Vakuums zu gewährleisten.
Dies wird mit der neuen Anlage STG-ET mit ihrer heliumbetriebenen
Kryopumpe ermöglicht. Damit die Abgasstrahlen nicht von der Wand
reflektiert werden und die Messungen verfälschen, bedienen sich die
Forscher eines Tricks: Die Gaspartikel frieren an der gekühlten Wand
einfach fest. Für den Bau der STG-ET wurden vier Millionen Euro
investiert.
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