Dunkelmaterie in Galaxienhaufen im Visier
von Stefan Deiters astronews.com
13. Oktober 2011
Mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble wollen
Astronomen detaillierte Karten über die Verteilung von Dunkler Materie in
massereichen Galaxienhaufen erstellen. Zu diesem Zweck soll Hubble
insgesamt 25 solcher Haufen gründlich untersuchen. Zu den ersten sechs
inzwischen beobachteten Galaxienhaufen gehört auch MACS J1206.2-0847, dessen
Bilder NASA und ESA heute veröffentlichten.
Der Galaxienhaufen MACS J1206.2-0847 in rund
vier Milliarden Lichtjahren Entfernung in einer
Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble.
Bild: NASA, ESA, M. Postman (STScI) und
das CLASH Team [Großansicht] |
Der Galaxienhaufen MACS J1206.2-0847 war eines der ersten Objekte,
das im Rahmen einer Durchmusterung anvisiert wurde, mit deren Hilfe Astronomen
sehr detaillierte Karten der Verteilung von Dunkelmaterie in Galaxienhaufen
erstellen wollen. Auf diese Weise soll eine überraschende Entdeckung überprüft
werden, nach der es eine deutlich höhere Dichte von Dunkelmaterie in den Zentren
von Galaxienhaufen gibt als theoretische Modelle erwarten lassen. Dies könnte
bedeuten, dass sich Galaxienhaufen eventuell früher als bislang angenommen
gebildet haben. Im Rahmen der CLASH (Cluster Lensing And Supernova Survey
with Hubble) genannten Durchmusterung sollen insgesamt 25 massereiche
Galaxienhaufen untersucht werden. Bislang hat das CLASH-Team sechs
Galaxienhaufen mit Hubble anvisiert, darunter auch MACS J1206.2-0847.
Dunkle Materie macht nach Ansicht der Astronomen einen Großteil der Masse des
Universums aus. Bislang hat man allerdings noch keine Vorstellung davon, um was
es sich dabei genau handelt. Dunkle Materie verrät sich aber durch ihre
Gravitationswirkung. Und genau dies machen sich die Astronomen zunutze.
Galaxienhaufen wie MACS J1206.2-0847 sind die massereichsten durch Gravitation
gebundenen Strukturen im Universum. Ihre enorme Masse sorgt nun dafür, dass das
Licht von Objekten, die - von der Erde aus gesehen - hinter den Haufen liegen,
abgelenkt wird. So können mehrere, teils verzerrte und verstärkte Bilder einer
Hintergrundgalaxie entstehen. Man spricht von einem Gravitationslinseneffekt.
Solche verzerrten Galaxienbilder lassen sich auch auf der Hubble-Aufnahme
von MACS J1206.2-0847 erkennen. Aus ihrer genauen Form und Verteilung können die
Wissenschaftler dann berechnen, wie groß die Masse des Galaxienhaufens sein muss
und wie diese Masse in dem Haufen verteilt ist. Vergleicht man nun die Zahlen,
stellt man sehr schnell fest, dass die Masse der sichtbaren Materie des Haufens
nicht ausreichet, um die beobachteten Verzerrungen zu erklären. Gäbe es keine
Dunkle Materie, sollten die Verzerrungen deutlich weniger ausgeprägt sein.
MACS J1206.2-0847 ist rund vier Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt.
Dank Hubble konnten die Wissenschaftler 47 Mehrfachbilder von zwölf
bislang unbekannten entfernteren Galaxien identifizieren. Dabei konnte
Hubble auf frühere eigene Beobachtungen und auf Untersuchungen mit
erdgebundenen Teleskopen aufbauen. Die Beobachtungen des Weltraumteleskops
werden durch Untersuchungen mit dem Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO ergänzt, mit dem Spektren der Galaxien
aufgenommen werden, die etwas über ihre Entfernung und ihre chemische
Zusammensetzung verraten.
Bislang wissen Astronomen nicht genau, wann sich die ersten Galaxienhaufen
gebildet haben. Man schätzt allerdings, dass diese Epoche mindestens neun
Milliarden Jahre zurückliegt, eventuell sogar bis zu zwölf Milliarden Jahre.
Sollte sich mit der CLASH-Durchmusterung herausstellen, dass die meisten
Galaxienhaufen tatsächlich über eine ungewöhnlich hohe Konzentration von
Dunkelmaterie in ihrem Zentralbereich verfügen, würde dies neue Hinweise auf die
frühe Phase der Strukturbildung im Universum liefern.
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