Schwarzes Loch verschluckt fernen Stern
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
29. August 2011
Die Quelle Swift J1644+57, entdeckt im März 2011, ist Ergebnis eines
außergewöhnlichen Vorgangs. Zu diesem Resultat kommen zwei neue Studien,
die jetzt in der Zeitschrift Nature vorgestellt wurden. Die
Quelle ist danach durch einen Stern entstanden, der dem zentralen
Schwarzen Loch in einer fernen Galaxie zu nahe gekommen ist, zerrissen
wurde und so die Schwerkraftfalle zum Leben erweckt hat.
Die Extended Very Large Array
(EVLA)-Beobachtungen von Swift J1644+57.
Bild: NRAO / CfA / Zauderer et al. |
Die meisten Galaxien, einschließlich unserer Milchstraße, beherbergen in
ihrem Zentrum ein extrem massereiches Schwarzes Loch, dessen Gesamtmasse
die der Sonne viele Millionen Mal übersteigt. So dürfte das Schwarze
Loch im Zentrum der Galaxie, in der sich Swift J1644+57 befindet, eine
Masse von etwa acht Millionen Sonnenmassen haben. Kommt ein Stern auf
seiner Bahn einem solchen Schwarzen Loch zu nahe, wird er durch die
extremen Gezeitenkräfte quasi in Stücke gerissen.
Das verbleibende Gas rotiert in Form einer Scheibe, der sogenannten
Akkretionsscheibe, um das Schwarze Loch und wird sehr schnell auf
Temperaturen von einigen Millionen Grad erhitzt. Das Material am inneren
Rand der Gasscheibe bewegt sich auf spiralförmiger Bahn in Richtung des
Schwarzen Lochs. Durch diese Bewegung wird das vorhandene Magnetfeld
erheblich verstärkt; dabei bilden sich senkrecht zur Gasscheibe in
beiden Richtungen eine Art Trichter, durch die einzelne Teilchen
entweichen können. In Form von stark gebündelten, sogenannten Jets wird
dabei Material mit über 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit in Richtung
der Rotationsachse des Schwarzen Lochs nach außen geschleudert.
Bei Swift J1644+57 ist einer dieser Jets genau in Richtung Erde
gerichtet und wird so selbst über eine riesige Entfernung beobachtbar.
"Das Radiosignal wird dort erzeugt, wo der Jet auf das umgebende
interstellare Material trifft", erklärt Ashley Zauderer, Erstautorin der
Veröffentlichung über die Radiostrahlung von Swift J1644+57. "Im
Gegensatz dazu entsteht die Röntgenstrahlung viel näher am Schwarzen
Loch, ungefähr am Fußpunkt des Jets."
Theoretische Untersuchungen von Sternen, die durch Gezeitenkräfte
zerrissen werden, lassen darauf schließen, dass sie durch
Strahlungsausbrüche in optischen und ultravioletten Wellenlängen
sichtbar werden. Die Erkenntnisse der Relativitätstheorie besagen nun,
dass Helligkeit und Energie des von einem Schwarzen Loch ausgehenden
Jets erheblich verstärkt werden, wenn man ihn genau von vorne
betrachtet. Dieses Phänomen, auch als "relativistisches Beaming"
bezeichnet, ist dafür verantwortlich, dass man Swift J1644+57 als so
leuchtkräftige Quelle im Bereich der Röntgenstrahlung beobachtet.
Nach der Entdeckung der Quelle mit dem Swift-Satelliten am 28.
März 2011 wurde zunächst angenommen, dass es sich dabei um einen
Gammastrahlungsausbruch handelt, einen der inzwischen fast täglich
gefundenen kurzzeitigen Ausbrüche hochenergetischer Strahlung, die
häufig auf den Tod eines massereichen Sterns und die damit verbundene
Entstehung eines Schwarzen Lochs in großer Entfernung im Universum
zurückgehen. Als aber die Intensität der Strahlung immer noch weiter
anstieg und weitere Strahlungsausbrüche zeigte, wurde schnell klar, dass
die wahrscheinlichste Erklärung in der Zerstörung eines sonnenähnlichen
Sterns durch starke Gezeitenkräfte und der damit verbundenen stark
gebündelten Strahlung liegt.
Zwei Tage später, am 30. März, zeigten Radiobeobachtungen des Teams von
Ashley Zauderer mit dem Extended Very Large Array (EVLA) eine
Radioquelle mit ansteigender Helligkeit genau auf der Position einer
sehr schwachen Galaxie sehr nahe an der Position des von Swift
gemessenen Röntgenausbruchs. Mit dieser Beobachtung konnte man erstmals
eine direkte Verbindung zwischen der Galaxie, der Radioquelle und dem
Röntgenausbruch herstellen. Die Beobachtungen zeigen, dass die Region,
in der die Radiostrahlung erzeugt wird, sich immer noch mit mehr als
halber Lichtgeschwindigkeit ausdehnt. Die zeitliche Rückrechnung dieser
Expansion sollte zeigen, dass beide, Radio- wie Röntgenquelle, zur
gleichen Zeit entstanden sind.
"Wir erwarten, dass die Struktur des Jets innerhalb der nächsten zwei
Jahre für uns beobachtbar wird", sagt Andreas Brunthaler vom Bonner
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, ebenfalls Autor bei der
Veröffentlichung der Radiobeobachtungen. "Trotz der gewaltigen
Entfernung von fast vier Milliarden Lichtjahren ist die Ausdehnung groß
genug, um mit VLBI-Technik in einzelne Strukturen aufgelöst zu werden."
Bei VLBI, der Very Long Baseline Interferometry, werden
gleichzeitige Beobachtungen von weit voneinander entfernten
Radioteleskopen derart miteinander verbunden, dass man die Leistung
eines virtuellen Radioteleskops von fast Erdgröße erreicht. Für die
Beobachtungen von Swift 1644+57 werden das VLBA-Netzwerk in den USA und
das 100-m-Radioteleskop in Effelsberg zu einem virtuellen
transatlantischen Radioteleskop zusammengeschaltet.
"Es ist unglaublich, dass die Quelle immer noch Röntgenstrahlung
produziert; sie könnte sogar von der Leuchtkraft her bis ins nächste
Jahr mit Swift beobachtbar bleiben", sagt David Burrows,
Professor für Astronomie an der Penn State University und
leitender Wissenschaftler des Instrumententeams für das Swift-Röntgenteleskop.
"Sie verhält sich komplett anders als alles, was wir bis jetzt
beobachtet haben." Die Untersuchungen über Swift 1644+57 im Sternbild
Drache werden in zwei Veröffentlichungen in der aktuellen Ausgabe der
Zeitschrift Nature beschrieben.
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