Warum Schwarze Löcher aktiv werden
von Stefan Deiters astronews.com
13. Juli 2011
Was macht aus einem ruhenden supermassereichen Schwarzen
Loch im Zentrum einer Galaxie eine aktive Schwerkraftfalle, die Unmengen an Gas
und Staub verschlingt? Bereits zu Jahresbeginn hatte es Hinweise darauf gegeben,
dass Kollisionen von Galaxien, durch die diese Aktivität bislang erklärt wurde,
meist nicht die Ursache sein können. Eine weitere Studie bestätigt nun diesen
Befund.
Eine Aufnahme des COSMOS-Feldes des Canada
France Hawaii Telescope (CFHT). Auf dem Bild sind
unzählige lichtschwache Galaxien zu erkennen.
Bild: CFHT / IAP / Terapix / CNRS / ESO [Großansicht] |
Die an der jetzt vorgestellten Studie beteiligten Wissenschaftler
haben über 600 aktive Galaxien in einem Himmelsbereich untersucht, der als
COSMOS-Feld bekannt ist. Die Region, die bereits in zahlreichen verschiedenen
Wellenlängenbereiche beobachtet wurde, hat am Himmel etwa die zehnfache Größe
des Vollmondes und liegt im Sternbild Sextant. Nahezu alle Galaxien verfügen in
ihrem Zentrum über ein supermassereiches Schwarzes Loch, doch ist dieses - wie
etwa auch im Falle der Milchstraße - in der Regel relativ ruhig. Es verschlingt
also nur sehr geringe Mengen an Material. Bei einigen Galaxien ist dies jedoch
anders. Bei ihnen saugt die Schwerkraftfalle im Zentrum ungeheure Mengen an
Material ein. Kurz vor dem Verschwinden im Schwarzen Loch heizt sich dieses
Material zu extrem hohen Temperaturen auf und sorgt so für eine intensive
Strahlung aus den Zentren solcher Galaxien. Man spricht daher auch von aktiven
Galaxienkernen.
Astronomen beschäftigt nun schon seit einiger Zeit die Frage, woher das
Material kommt, das diese Aktivität auslöst. Lange Zeit galten Kollisionen und
Verschmelzungen von Galaxien als bestes Erklärungsmodell, doch kamen bereits zu
Jahresbeginn erste Zweifel auf, ob dies tatsächlich in allen Fällen zutreffend
ist (astronews.com berichtete). Die damalige Studie hatte Galaxien bis in eine
Entfernung von acht Milliarden Lichtjahren untersucht, in der jetzt
vorgestellten Arbeit wurde der Bereich ausgedehnt und aktive Galaxien bis in elf
Milliarden Lichtjahre Entfernung betrachtet.
Im COSMOS-Feld entdeckten die Astronomen, dass sehr helle aktive
Galaxienkerne hier relativ selten sind und die meisten aktiven Galaxien nur eine
mittlere Helligkeit aufweisen. Das war wenig überraschend. Die Auswertung zeigte
allerdings auch, dass die meisten dieser mittelhellen aktiven Galaxien nicht
durch eine Kollision oder Verschmelzung aktiviert worden sein können. Zu diesem
Schluss kamen die Wissenschaftler, indem sie zunächst mit dem europäischen
Röntgenteleskop XMM-Newton bestimmten, ob es sich bei einer Galaxie
tatsächlich um einen aktiven Galaxienkern handelt und anschließend mit Hilfe des
Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO dessen genaue
Entfernung ermittelten. So konnten sie eine dreidimensionale Karte der
Verteilung der aktiven Galaxien erstellen.
"Es hat mehr als fünf Jahre gedauert, doch dafür haben wir jetzt eine der
umfangreichsten und vollständigsten Listen von aktiven Galaxien am
Röntgenhimmel", erklärt Teammitglied Marcella Brusa vom Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik. Die Verteilung der erfassten aktiven Galaxien konnten
die Astronomen dann mit theoretischen Modellen vergleichen und sich zudem
veranschaulichen, wie sich die Verteilung im Laufe der Entwicklung des
Universums verändert hat - von vor elf Milliarden Jahren bis fast in die
Gegenwart.
So erkannten die Wissenschaftler, dass sich aktive Galaxienkerne überwiegend
in großen massereichen Galaxien mit einem großen Anteil an Dunkler Materie
finden. Dieser Befund widerspricht der bisherigen Theorie: Sollten Kollisionen
und Verschmelzungen für die Aktivierung der Galaxienkerne verantwortlich sein,
hätten sich aktive Kerne vor allem in Galaxien im mittleren Massenbereich
nachweisen lassen müssen. Stattdessen befinden sie sich offensichtlich
hauptsächlich in Galaxien, die eine 20-mal höhere Masse haben als der von der
Verschmelzungs-Theorie vorhergesagte Wert.
"Diese Untersuchung gibt uns neue Hinweise darauf, wie supermassereiche
Löcher ihre Mahlzeit beginnen", fasst Viola Allevato vom Max-Planck-Institut für
Plasmaphysik die Resultate zusammen. Die Doktorandin ist auch Erstautorin eines
Fachartikels, in dem die Ergebnisse beschrieben sind und der in der Zeitschrift
The Astrophysical Journal erscheinen wird. "Alles deutet darauf hin,
dass Schwarze Löcher durch Prozesse innerhalb der Galaxie gefüttert werden, wie
etwa Instabilitäten in der Scheibe oder Sternentstehungs-Ausbrüche und nicht
durch Galaxienkollisionen."
Und Alexis Finoguenov vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
und Betreuer der Arbeit ergänzt: "Sogar in der entfernten Vergangenheit, bis zu
vor fast elf Milliarden Jahren, können Kollisionen für nur einen sehr kleinen
Teil der aktiven Galaxien mittlerer Helligkeit verantwortlich sein. In dieser
Zeit aber lagen die Galaxien deutlich dichter beieinander und es sollte sehr
viel häufiger zu Verschmelzungen gekommen sein, was dieses Ergebnis umso
überraschender macht."
|