Gammastrahlung aus Kugelsternhaufen?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
24. Juni 2011
Mit dem H.E.S.S.-Teleskopsystem in Namibia wurde eine neue Quelle sehr
hochenergetischer Gammastrahlung aus Richtung des Kugelsternhaufens
Terzan 5 entdeckt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit befindet sie sich in
dessen Außenbereichen. Damit wurde erstmals ein Kugelsternhaufen als Ort
einer Gammaquelle identifiziert. Neben der exzentrischen Lage der Quelle
gibt der genaue Ursprung der Gammastrahlung den Forschern noch Rätsel
auf.
Der Kugelsternhaufen Terzan 5 im sichtbaren
Licht und die Gammaquelle HESS J1747 – 248.
Bild: Max-Planck-Institut für Kernphysik
/ ESO / Digitized Sky Survey 2 und ESO/F. Ferraro
(IR) [Großansicht] |
Der Kugelsternhaufen Terzan 5 im Sternbild Schütze ist ein in mehrfacher
Hinsicht bemerkenswertes Objekt. Verborgen hinter galaktischen
Staubwolken und daher sehr lichtschwach wurde er erst 1968 von Agop
Terzan auf Fotoplatten der Sternwarte Haute Provence in Frankreich
entdeckt. Etwa 150 bekannte Kugelsternhaufen – wie ihr Name andeutet,
enge kugelförmige Ansammlungen von vielen Sternen – umkreisen als Teil
des galaktischen Halos wie ein riesiger seinerseits kugelförmiger
Schwarm das Zentrum unserer Galaxis und gehören zu deren ältesten
Objekten.
Terzan 5 befindet sich innerhalb der zentralen Bereiche der Galaxis nur
wenig oberhalb der galaktischen Ebene in knapp 20.000 Lichtjahren
Entfernung zur Erde. An Sterndichte übertrifft er die übrigen
Kugelsternhaufen deutlich und enthält zudem die größte Zahl von
Millisekunden-Pulsaren, rasch rotierenden Neutronensternen, die
vermutlich Teil enger Doppelsternsysteme sind. Besondere Aufmerksamkeit
herhielt Terzan 5, als im Jahr 2009 nachgewiesen wurde, dass er zwei
verschieden alte (etwa zwölf und sechs Milliarden Jahre) Populationen
von Sternen umfasst. Aufgrund dieser Eigenheiten, die ihn von den
allermeisten Kugelsternhaufen unterscheiden, wird vermutet, dass er der
Überrest einer Zwerggalaxie ist, die von unserer Galaxis eingefangen
wurde.
Forscher des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik und 33
weiterer Institutionen der H.E.S.S.-Kollaboration haben nun eine neue
Quelle (HESS J1747 – 248) sehr hochenergetischer Gammastrahlung
entdeckt, die sich nahezu in der gleichen Richtung am Himmel befindet
wie Terzan 5. Diese unmittelbare Nachbarschaft legt nahe, dass es sich
tatsächlich um einen bisher unbekannten Teil von Terzan 5 handelt, zumal
die Wahrscheinlichkeit für eine zufällige Richtungsübereinstimmung
anhand der Häufigkeit bekannter Gammaquellen unter 1:10.000 liegt.
Zum Nachweis dieser Gammastrahlung, deren Energie pro Quant die des
sichtbaren Lichts billionenfach übertrifft, diente das
Tscherenkow-Teleskopsystem H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System)
in Namibia (astronews.com berichtete). Es besteht aus vier
Großteleskopen, welche mit ultraschnellen Kameras äußerst schwache
Lichtspuren (Tscherenkow-Strahlung) von atmosphärischen Teilchenschauern
aufnehmen, die von Gammaquanten in etwa zehn Kilometer Höhe ausgelöst
werden. Die zeitgleiche Beobachtung aus den bis zu vier verschiedenen
Blickrichtungen erlaubt die Rekonstruktion der Richtung der Gammaquelle
am Himmel.
Im Fall von Terzan 5 wurde erstmals ein Kugelsternhaufen als mögliches
Quellobjekt identifiziert. Wie viele neue Entdeckungen wirft auch diese
eine Reihe von Fragen auf, die noch nicht abschließend geklärt sind.
Bemerkenswert sind zunächst die längliche Form der Quelle und ihre Lage
abseits des Haufenzentrums. Für den Ursprung der Gammastrahlung gibt es
am Beispiel anderer bekannter Objekte eine Reihe von möglichen
Erklärungen.
Gestützt von theoretischen Modellen geht man davon aus, dass zunächst
geladene Teilchen, Elektronen oder Protonen, in einem kosmischen
Beschleuniger auf die entsprechenden Energien gebracht werden und diese
dann in weiteren Stoßprozessen in Gammaquanten umwandeln. Bei Elektronen
kommen die erwähnten Millisekundenpulsare selbst in Frage oder auch von
ihnen ausgehende Sternenwinde bzw. Stoßfronten, wenn diese aufeinander
treffen, was bei der hohen Sterndichte in einem Kugelsternhaufen
plausibel erscheint. In der Tat wurde auch schon diffuse
Röntgenstrahlung aus Terzan 5 nachgewiesen, aber dies erklärt nicht ohne
weiteres die räumliche Verschiebung der neuen Gammaquelle gegenüber dem
Haufenzentrum, wo man die meisten Pulsare als auch Wechselwirkungen der
hochenergetischen Elektronen mit dem Sternenlicht erwarten würde.
Protonen könnten in Supernovaüberresten beschleunigt werden; dies ist
aus anderen Quellen bekannt und Supernovae infolge von Sternkollisionen
sind in Kugelsternhaufen durchaus zu erwarten. Aber wiederum stellt sich
die Frage, warum die beobachtete Quelle abseits vom Zentrum liegt. Das
eigentliche Quellobjekt könnte als Folge von nahen Sternbegegnungen in
die Außenbereiche geschleudert worden sein. Es ist aber nach wie vor ein
Rätsel, warum HESS J1747 – 248 eine "dunkle Quelle" ist, also in den
anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums bisher nicht
nachweisbar leuchtet.
"Letztlich ist die Natur der Quelle unklar, weil kein Gegenstück oder
Modell die beobachtete Morphologie erklärt", sagt Wilfried Domainko vom
Max-Planck-Institut für Kernphysik. Von besonderem Interesse ist für
zukünftige Untersuchungen der benachbarte Bereich niedrigerer
Gammaenergien, der im Fall von Terzan 5 sich dem Nachweis sowohl durch
Satellitenmessungen als auch Beobachtungen vom Erdboden nach Art von
H.E.S.S. entzog.
Derzeit ist ein fünftes Großteleskop (H.E.S.S. II) in Bau, dass eine
fünfmal größere Spiegelfläche von etwa 600 qm besitzt und mit der
dadurch gesteigerten Empfindlichkeit auch weniger energetische Quanten,
die lichtschwächerer Teilchenschauer auslösen, nachweisen soll. Dies ist
von zweifachem Interesse - zum einen kann die Energieverteilung
(Spektrum) zu niedrigeren Energien helfen, die zugrunde liegenden
möglichen Entstehungsmechanismen zu unterscheiden. Zum anderen ist die
Entdeckung weiterer neuer Gammaquellen unter Umständen auch im
Zusammenhang mit anderen Kugelsternhaufen zu erwarten.
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