Wie in Sternen Elemente entstehen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Gießen astronews.com
5. April 2011
Astrophysiker und Kernphysiker arbeiten oft Hand in Hand, insbesondere bei der
Frage, wie die Elemente im Universum entstanden sind. Für eine Antwort sind
nicht nur detaillierte astronomische Beobachtungen nötig, sondern auch extrem
genaue Daten über die beteiligten Atome, die nur mit erheblichem Aufwand zu
beschaffen sind.
So könnte es aussehen, wenn es in einem
Doppelsternsystem zu einer Explosion auf der
Oberfläche eines Neutronensterns kommt.
Bild:
NASA / Dana Berry |
Eine der Grundfragen der modernen Astrophysik betrifft die Synthese
der chemischen Elemente, aus denen die Welt besteht: wann, wo und wie
wurden sie gebildet? Heute weiß man, dass die Nukleosynthese im Innern
von Sternen oder bei Sternexplosionen stattfindet. Die leichteren
Elemente bis zum Eisen entstehen durch die Verschmelzung leichterer
Atomkerne, wobei Energie freigesetzt wird, die die Sterne zum Leuchten
anregt. Die schweren Elemente jenseits von Eisen werden hauptsächlich
durch Neutroneneinfangreaktionen erzeugt.
Ein kleiner Teil (etwa ein Prozent) dieser Atomkerne wird allerdings durch
Protoneneinfangreaktionen beziehungsweise die Abspaltung von Neutronen erzeugt
(sogenannte p-Nuklide). Diese Prozesse finden in besonders heißen Regionen
statt, beispielsweise auf der Oberfläche von Neutronensternen, auf die aufgrund
der Gravitationskraft Materie von benachbarten Riesensternen überströmt. Wurde
genügend Material gesammelt und verdichtet, kann es zu einer thermonuklearen
Explosion kommen, in der der sogenannte rp-Nukleosyntheseprozess zündet und die
p-Nuklide entstehen. Da bei diesen Explosionen intensives Röntgenlicht
ausgesandt wird, spricht man auch von einem Röntgenstrahlungsausbruch.
Damit Astrophysiker diesen Nukleosyntheseprozess zuverlässig simulieren und
verstehen können, brauchen sie Informationen aus astronomischen Beobachtungen
(in denen eine solche Explosion aufgezeichnet wurde) und Daten über fundamentale
Eigenschaften der Atomkerne, wie zum Beispiel deren Lebensdauer oder Masse. Für
die Massenwerte werden extrem genaue Daten benötigt, mit Unsicherheiten, die
weniger als etwa ein Teil in zehn Millionen betragen. Dieses Verhältnis
entspricht etwa dem Tausendstel des Durchmessers eines Haares im Vergleich zur
Größe eines Menschen.
Mit dem Massenspektrometer SHIPTRAP am GSI Helmholtzzentrum für
Schwerionenforschung in Darmstadt werden Massenmessungen mit diesen Präzision
durchgeführt. Dort gelang nun einer internationalen Arbeitsgruppe unter
Federführung von Kernphysikern der Justus-Liebig-Universität Gießen und der GSI
Darmstadt erstmalig die direkte Massenmessung von besonderen exotischen Kernen
auf dem rp-Prozess-Pfad. Überraschenderweise zeigen die Messergebnisse
ungewöhnlich große Abweichungen von den bisher angenommenen Werten: Es wurden
Abweichungen gefunden, die bis zu sechs Mal größer als die vorher angenommenen
Unsicherheiten sind. Die Frage, welchen Einfluss die neuen Daten auf das
Verständnis der Nukleosynthese im rp-Prozess haben, wurde in einer
internationalen Zusammenarbeit mit Astrophysikern untersucht.
Zurzeit nimmt man an, dass der rp-Prozess, ausgehend von leichten Atomkernen
in dem Bereich von sehr protonenreichen Kernen bis etwa zum Element Zinn
verläuft. Hier könnte der Prozess zu einem Ende kommen, da die gebildeten Kerne
durch Alpha-Zerfall (einer Form von Radioaktivität) zu leichteren Elementen
zerfallen und auf diese Weise ein nicht zu durchbrechender Kreislauf entsteht,
ein sogenannter Alpha-Zyklus, wodurch keine schwereren Elemente gebildet werden
können.
Die neuen Massenwerte zeigen, dass solch ein Alpha-Zyklus energetisch
tatsächlich möglich ist. Damit lassen sich die Ausbeuten der chemischen Elemente
im rp-Prozess berechnen und mit den beobachteten Häufigkeiten vergleichen.
Weiterhin gewinnen die Astrophysiker mit solchen Daten Einblick in die
physikalischen Bedingungen, die bei diesem Prozess der Nukleosynthese
vorherrschen: vermutlich handelt es sich um Temperaturen von mindestens einer
Milliarde Grad Celsius.
Die Physiker berichten in der Fachzeitschrift Physical Review Letters
über die neuen Ergebnisse.
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